Kolumne
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Fundraising und Presse – ein schwieriges Verhältnis

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In diesen Tagen feiert der Deutsche Fundraising Verband sein 30-jähriges Bestehen. Das Mitgliedermagazin „FUNDstücke“ 2-2023 hebt die Bedeutung des Fachverbands in mehreren lesbaren Artikeln hervor. Kernaussage: die Verbandsgründung war richtig.

In diese Zeit fällt ein „Löschantrag“ für Artikel „Deutscher Fundraising Verband“ in Wikipedia. Relevant wird ein Begriff dort erst, wenn er hinreichend in den allgemeinen Medien oder bei Google vorkommt. Natürlich gibt es auch noch andere Kriterien. Aber der Eintrag, der schon einmal gelöscht wurde, sei zu selbstreferenziell. Wo bleibt der große Artikel über den Verband in der FAZ? bemängeln die Kritiker. Und tatsächlich sind weder die frühere Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmarketing noch der spätere Name Deutscher Fundraising Verband besonders häufig in den Mainstream-Medien vertreten, obwohl der Verband in regelmäßigen Abständen Pressemeldungen abgibt.

Nun stellt sich die Frage, ob ein Fachverband außerhalb des eigenen Umfelds besonders auffällig auftreten sollte, wenn er nicht gegen starke Konkurrenz und Meinungsmacher agieren und den führenden Lobbyisten spielen muss mit dem Ziel, neue Mitglieder zu gewinnen und bestehende nicht zu verlieren.

Fundraiserinnen und Fundraiser dienen Medienleuten als Sündenböcke für grundsätzliche Kritik am Marketing im Nonprofit-Bereich. Mittel für gute Zwecke mag jeder, und auch die Medien sammeln immer wieder eifrig. Aber wie es dazu kommt, dass Menschen, Firmen, Organisationen und Behörden sich zu guten Gaben in Milliardenhöhe bewegen lassen, gilt als anrüchig. Das ist übrigens in allen Branchen so. Werbung für und Vertrieb von Gütern und Dienstleistungen sind mit dem Anschein der Manipulation behaftet, während das Erfinden und Produzieren als hohe Kunst bewundert wird.

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

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Ein eklatantes Beispiel der Verachtung erlebte ich selbst im April 2001, meinem letzten Jahr als Gründungsvorsitzender des Deutschen Fundraising Verbands. Nichts ahnend hatten wir einen investigativen Journalisten vom Südwestrundfunk aufs Podium des Fundraising Kongresses in Leipzig eingeladen, wo er als Moderator und scharfer Befrager glänzte. Er hatte aber auch sein Kamerateam mitgebracht, ohne lange zu fragen. Aus einem Erbschaftsseminar machte er einen dicken Beitrag mit dem Tenor: Wie zocken wir die Alten ab?

Auch bei der Mitgliederversammlung der damaligen BSM wurde er fündig. Am Vorabend stellten wir überraschend fest, dass das zuständige Vorstandsmitglied keinen Kassenbericht vorlegen konnte und dementsprechend auch keine Kassenprüfung zustande kam. Das ehrenamtliche System war hier an seine Grenzen gekommen, ohne dass ich als Mitverantwortlicher es gemerkt hatte. Wir vom BSM-Vorstand reagierten sofort und setzten die Entlastung des Vorstands von der Tagesordnung ab, luden ein halbes Jahr später zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung ein, die den Vorstand problemlos entlastete. In der Zwischenzeit informierten wir die Mitglieder gründlich, wie es zu der Panne kam, ließen das Berichtsjahr von externen Steuerfachleuten neu buchen und vertrauten ihnen die künftige Buchhaltung an.
Der scheinbar schlampige Umgang mit Geld war für den Reporter jedoch das gefundene Fressen. Aus einem Artikel, den das Magazin „Focus“ drei Wochen später veröffentlichte, erfuhr die spendenkritische Leserschaft, dass uns „Spendensammlern“ angeblich 30.000 Mark in der Kasse fehlten. Zwar habe sich niemand persönlich bereichert. Aber die Panne zeige, wie sehr der Verband selbst ein effektiveres Finanzmanagement brauche.

Das für die Kasse zuständige Vorstandsmitglied trat zwar zurück, aber gleich die Flucht nach vorne an: Die Bundesarbeitsgemeinschaft habe ihre Rücklagen in Höhe von 90.000 Mark verpulvert, indem sie der Fundraising Akademie ein Startkapital von 30.000 Mark zur Verfügung gestellt und in die Geschäftsstelle 25.000 Mark investiert habe, und auch der periodische Rundbrief an die Mitglieder verschlinge Tausende. Man müsse mehr als die zur damaligen Zeit 704 Mitglieder haben und einen höheren Beitrag verlangen, um das alles finanzieren zu können. Das, so kritisierte der Ex-Schatzmeister, könne die BSM aber nur verlangen, wenn sie sich zum lobbystarken Fachverband entwickle. Der Verband habe finanzielle Ungereimtheiten „unter der Decke gehalten“. Aber damit sei jetzt Schluss, so der Focus. Der scheidende Schatzmeister habe den Verband noch wissen lassen: Sollte die BSM nicht endlich korrekt wirtschaften, sei sie spätestens in zwei Jahren pleite.

Das aber hätte er nicht der Presse, sondern den versammelten Mitgliedern direkt sagen sollen.

Eins machten wir nicht: Wir gaben keine Pressekonferenzen, Interviews und Statements zur angeblichen Schieflage der BSM ab, denn die vermeintlich so horrenden Ausgaben für die Akademie, die angemietete Geschäftsstelle und die Mitgliederinformation gehörten schlicht zu dem, was ein Verband tun muss, um zukunftsfähig zu sein. Und ohne die ehrenamtlich erbrachten geldwerten Zeitspenden der Mitglieder wäre die Arbeit des Verbands auch heute noch nicht finanzierbar.

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Über den Kolumnisten
Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de

 

 

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