Kolumne
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Spendengalas im Fernsehen funktionieren noch

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Ich habe schon lange keine TV-Spendengalas mehr geschaut. Sie laufen immer nach dem gleichen Schema ab und schienen ihre beste Zeit auch hinter sich zu haben. Ausnahmen waren Benefizsendungen zur Katastrophenhilfe, bei denen die Notwendigkeit raschen Eingreifens nicht lange erläutert werden muss und die Zuschauer den Wunsch, dabei zu sein und mitzuhelfen, durch Spenden kompensieren können.

Nun wurde ich angenehm überrascht, dass Fernsehgalas auch heute noch funktionieren, selbst bei sperrigen Themen wie der Finanzierung von Krebsforschung. Das gelingt offenbar besonders gut, wenn es viele unschuldig Betroffene gibt und Spendenanliegen mit beliebten Fernsehformaten verknüpft werden können.

„Der Quiz-Champion“ zählt zu den quotenstärksten Samstagabendunterhaltungen im ZDF. Seit 2012 sitzen zwischen drei und fünf Millionen Menschen am Gerät, um gewieften Quiz-Amateuren beim Versuch zuzuschauen, fünf prominente Experten auf ihren Spezialgebieten zu schlagen. Bisher gab es 39 Sendungen, seit 2013 mit Moderator Johannes B. Kerner. Einer der jeweils drei Quiz-Champions hat die Chance, bis zu 100.000 Euro zu gewinnen.

 

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

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Am 16. September war das anders. Es gab ein „Spenden-Special“ als Direktsendung aus Berlin, bei dem alle Spenden und Gewinne aus dem „härtesten Quiz Deutschlands (Eigenwerbung)“ der Stiftung Deutsche Krebshilfe zuflossen. Ansonsten das Übliche: Leicht merkbare 180er-Rufnummer eingeblendet, Ausweichmöglichkeit übers Internet, Prominente am Telefon, den ganzen Abend Laufband mit Namen von Spendern und Spendenhöhen, Schilderung von durch Krebsforschung gewendeten Schicksalen live und in Videoeinspielungen, Auftritt der sympathischen Krebshilfe-Präsidentin Anne Sophie Mutter, Testimonials von Wissenschaftlerinnen zur Wirksamkeit der Zuwendungen für die Krebsforschung. Die Telefonpromis berichten von eigenen Krebserfahrungen. Der Moderator erinnert immer wieder an den Spendenanlass, ohne dass es allzu sehr vom Quizgeschehen ablenkt. Die Telefone bleiben auch den ganzen nächsten Tag über, einem Sonntag, geschaltet.

Resultat am Ende der Sendung 3.318.737 Euro. Und das Ganze ohne Sponsorenauftritte, die sonst für hohe Ausgangsbeträge sorgen. 3,04 Millionen Zuschauer, davon nur 470.000 im Alter zwischen 14 und 49 Jahren. Marktanteil der Sendung an allen Fernsehsendungen des Abends 14,7 Prozent gegen harte Konkurrenz. Ein guter Schnitt, wenn auch gering im Vergleich zu Spendensendungen mit Dieter Thomas Heck vor 20 Jahren. Damals war die Medienlandschaft weniger segmentiert; es gab allerdings auch noch nicht die Möglichkeit, Sendungen auf unterschiedlichen Plattformen anzuschauen oder in der Mediathek nachzuholen.

Keine deutsche Spendensendung reicht allerdings an den Erfolg der ZDF-Gala BILD hilft e.V. „Ein Herz für Kinder“ heran, die seit 2001 jährlich im Dezember ausgestrahlt und ebenfalls von Kerner moderiert wird. 2022 ging ihr Ertrag gegenüber den Vorjahren zwar etwas zurück, lag aber immer noch bei über 24 Millionen Euro. Dafür rührt die auflagenstarke Bild-Zeitung zusammen mit anderen Springer-Medien ständig die Werbetrommel. Die Weihnachtszeit, der Altersdurchschnitt des ZDF-Stammpublikums und die bedürftigen Kinder sind weitere Erfolgsgaranten.

 

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Über den Kolumnisten
Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de

 

 

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