Kolumne
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Am Ende immer die Spende

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Wer hat sie nicht gesehen, die „Flutwein“-Flasche in der Werbung mit der Schlagzeile „Unser schlimmster Jahrgang“. Am 9. November gewann die Kampagne in Leipzig die höchste Auszeichnung, die eine Werbekampagne in Deutschland gewinnen kann, den Grand Effie Award für die beste Kommunikationslösung des Jahres. Und das gleich doppelt in den Kategorien Public Relations und Doing Good. Kreativ Gutes zu tun hat in der Werbewelt von jeher Konjunktur, und gute Ideen gibt es immer.

Im Juli 2021 hatte die Jahrhundertflut im Ahrtal komplette Dörfer, Existenzen und Leben vernichtet. Besonders viele Familienbetriebe im Weinbau standen nach den Wassermassen vor den Trümmern ihrer Existenz und bangten um ihr wirtschaftliches Überleben. Schnelle finanzielle Hilfe für die Menschen vor Ort war entscheidend. Und so wollten Seven.One AdFactory und der Außenwerber WallDecaux die öffentliche Aufmerksamkeit für eine Spendenaktion zum Wiederaufbau nutzen, heißt es in einer FAZ-Sonderveröffentlichung vom 15. November.

Die Idee: das Wenige, das unversehrt blieb, unter dem neu geschaffenen Label #flutwein auf einer Crowdfunding-Plattform gegen Spende anzubieten. Als Symbol dienten von der Flut gezeichnete Weinflaschen, die eigentlich nicht mehr verkaufsfähig, aber dennoch genießbar waren.

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

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Die Resonanz war überwältigend: Innerhalb von sechs Wochen spendeten mehr als 47.000 Menschen insgesamt 4,4 Millionen Euro, und der Flutwein generierte eine der bis dato erfolgreichsten Crowdfunding-Kampagnen in Deutschland. Das Presseecho brachte es allein in Deutschland zu einer Reichweite von 835 Millionen Kontakten. Die Bekanntheit für die Weinregion Ahr wurde insgesamt gesteigert, was die wirtschaftliche Lebensgrundlage vieler Familien stärkt.

Auch unter den Silber- und Bronze-Preisträgern gab es Doing-Good-Erfolge. Silber gewann das „Anti-Gaffen-Design“ der Johanniter-Unfall-Hilfe, gestaltet von Scholz & Friends Family. Gaffer behindern den Zugang zu Unfallverletzten. Die Johanniter-Unfall-Hilfe tritt ihnen entgegen und hat ein spezielles Design entwickelt, in dem sich ein QR-Code verbirgt, den Schaulustige beim Filmen oder Fotografieren unwissentlich scannen und der den Warnhinweis „Gaffen tötet“ aufspringen lässt. Trotz des geringen Budgets der Kampagne war das Medienecho enorm. Die begleitende Social-Media-Kampagne sorgte für große Diskussionen. Die JUH dehnte das Pilotprojekt auf acht Landesverbände aus.

Die mit Bronze bedachten Gute-Tat-Kampagnen sind #ZusammenGegenCorona der Agentur antoni und „Der BVG-Herzstillstand – unser Beitrag zum Weltherztag“ der Berliner Verkehrsbetriebe, gestaltet von Jung von Matt und weiteren Agenturen.

Effis sind mit Kreativität allein nicht zu gewinnen, sondern müssen zu Ergebnissen führen, auch bei der Spendengenerierung, wie das Beispiel der Doppel-Gold-Bewertung zeigt. Das Budget spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Die Anti-Corona-Kampagne lief fast ohne Budget.

„Was macht erfolgreiche Kampagnen aus?“, fragt Dr. Martina Vollmer, Director bei IPSOS Germany, in der FAZ. Sie nennt vier Kriterien: 1. Große Mengen an Berührungspunkten, sogenannten Touchpoints, die überall, wo die angestrebte Zielgruppe ist, ausgelegt werden. Die Zielgruppe darf 2. nicht zu klein gewählt sein. Besonders wichtig sind echte Sympathie der Werbenden für ihre Zielgruppe. 3. sollten die intendierten und die erreichten Ziele übereinstimmen. Und 4. zählt der purchase, der tatsächliche Kauf und nicht die Abwägung. Beim Fundraising zählt die tatsächlich getätigte Spende, nicht das Vielleicht-später-mal.

Der Effie Germany wird seit 1981 vom Branchenverband Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA verliehen. Den Exzellenzpreis gibt es nach ähnlichen Kriterien in fünfzig Ländern. Viele NGOs bekommen Angebote namhafter Kommunikationsagenturen, gegen Aufwandsentschädigung Kampagnen zu gestalten. Wer kann, sollte beherzt zugreifen.

 

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Über den Kolumnisten
Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de

 

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