Beeinflusst Transparenz das Spendenverhalten positiv?

Von Kai Fischer

Kai FischerKai Fischer beleuchtet die Bedeutung von Transparenz im Fundraising. © Kai FischerIn den vergangenen Jahren hat die Diskussion über Transparenz im Dritten Sektor und insbesondere auch im Fundraising an Dynamik gewonnen. Ihren Ausgang hatte sie in der Forderung nach einer öffentlich gemachten Rechnungs­legung, damit Externe – Förderer, staatliche Zuwendungs­geber, aber auch Dazwischen­stehende wie Journalisten – den Umgang mit den erhaltenen Ressourcen beurteilen und vergleichen können. Die zentrale Fragestellung dabei ist: Beeinflusst Transparenz das Spendenverhalten positiv?

Der Einfluss von Transparenz auf das Spendenverhalten

Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass Transparenz einen größeren Einfluss auf das Spendenverhalten hat: Regelmäßig berichten Spender in Befragungen, wie wichtig ihnen Transparenz sowie Effektivität und Effizienz seien. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass Transparenz auch in der konkreten Entscheidung eine entsprechende Rolle spielt.

Für den amerikanischen Spender zeigt die Studie „Money for good“ (Hope Consulting 2010) diesen fehlenden Zusammenhang: Während fast 80 Prozent der Befragten transparentes, effektives und effizientes Verhalten wichtig ist, nutzt nur eine Minderheit die veröffentlichten Daten bei der konkreten Entscheidungsfindung, ob gespendet werden soll oder nicht. Unter den Spendern, die sich vorher informieren, nutzt der größte Teil die Informationen, um eine getroffene Entscheidung zu rechtfertigen. Es werden vor allem Selbstdarstellungen der Organisationen herangezogen. Nur eine Minderheit von drei Prozent verwendet unabhängige Quellen, um sich über Effektivität und Effizienz der Organisation zu informieren, der sie spenden wollen, und macht die Entscheidung über die Spende von diesen Informationen abhängig.

Aus dieser Studie lassen sich eine Reihe von Schlussfolgerungen über die Wichtigkeit von Transparenz ziehen:

Für die konkrete Entscheidung zu spenden, sind die Informationen, die aufgrund von Transparenzregelungen zur Verfügung gestellt werden, nur für eine Minderheit relevant. Für die Mehrheit der Förderer gilt, dass Spenden eine emotionale Handlung ist, die nur in seltenen Fällen rational getroffen oder abgesichert wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass Transparenz keine Bedeutung hat. Vielmehr erwarten Förderer ein transparentes Verhalten der Organisationen, Stiftungen und Sozialunternehmen. Diese ist ihnen nach wie vor wichtig.

Kommt es zu einem Spendenskandal oder wird das Verhalten einer Organisation skandalisiert, zeigt sich die widersprüchliche Dynamik in diesem Verhalten: Die Skandalisierung zerstört für einen Teil der Förderer den Vertrauensvorschuss und kann zum Abbruch der Fördererbeziehungen führen. Förderer sehen sich getäuscht, da scheinbar die Transparenzforderung nicht erfüllt wurde. Dabei kommt es vermutlich nicht darauf an, ob tatsächlich Täuschungen oder fehlende Transparenz vorliegen. Entscheidender dürfte das subjektive Gefühl der Förderer sein.

Damit lässt sich zusammenfassen, dass die meisten Förderer ihre Spendenentscheidung emotional treffen und Informationen, die ihnen aufgrund der Transparenzregeln zur Verfügung stehen, vor allem zur Bestätigung ihrer Entscheidungen nutzen. Allerdings wird Transparenz, Effektivität und Effizienz eine große Bedeutung zugeschrieben. Im Falle einer Skandalisierung kann das Vertrauen erschüttert werden und dies als Begründung für den Abbruch der Fördererbeziehung dienen.

Die Grenzen der Transparenz – oder: Gibt es ein Recht auf Intransparenz?

Bei den Diskussionen über Transparenz und deren Bedeutung für die Zivilgesellschaft kommt es oftmals zu kurz, über die Grenzen von Transparenz nachzudenken. Drei Beispiele sollen zeigen, dass Transparenz auch Grenzen haben kann:

Organisationen, die mit anderen Akteuren im Wettbewerb um Werte und Normen stehen, können sich nicht vollständig transparent verhalten, wenn sie ihre Zielerreichung nicht gefährden wollen. So ist es für Gewerkschaften, aber auch Organisationen wie Greenpeace kontraproduktiv, wenn die politischen Kontrahenten deren Strategien einschätzen können, weil sie über entsprechende Informationen verfügen. Aus diesem Grund unterliegen Streikkassen der Verschwiegenheit. Auch Informationen, die einen strategischen Vorteil versprechen, werden nicht veröffentlicht.

Wenn Dritte zu schützen sind, kann Transparenz eine Gefährdung bedeuten. Es gibt eine ganze Reihe von Organisationen, die mit Menschen arbeiten, die eines besonderen Schutzes bedürfen. Ob es sich um Verfolgung durch staatliche Organe, Verbrecher oder Extremisten handelt – Schutzbedürfnisse gehen vor Transparenz.

Das Experiment um Prozesstransparenz und Teilhabe der Partei „Die Piraten“ hat die Grenzen der Transparenz aufgezeigt: Transparenz und Teilhabe können mit effektiver und effizienter Zielerreichung kollidieren. Wie schon Robert Michels (1911) vor hundert Jahren am Beispiel der SPD empirisch beobachtet hat, neigen Organisationen zur Oligarchie-Bildung. Diese stellt sicher, dass schneller entschieden und Entscheidungen mit geringeren Reibungsverlusten umgesetzt werden können. Transparenz und Teilhabe können in Widerspruch zu Effizienz und Effektivität geraten, so dass sich Organisationen entscheiden müssen, welche dieser Werte für sie wichtiger sind.

Diese drei Beispiele zeigen exemplarisch, dass auch über ein Recht auf Intransparenz nachgedacht werden muss. Es gibt durchaus gute Gründe, Transparenz nicht als absoluten, sondern als relativen Wert zu sehen und hinsichtlich seiner Bedeutung für die Zivilgesellschaft kritisch auszuleuchten.

Fazit

Transparenz wird eine große Bedeutung zugemessen. Bei einem Spendenskandal aufgrund fehlender Transparenz kann es sogar zu einem Abbruch der Spendenbeziehung kommen. Ihre Spendenentscheidung treffen Spender jedoch hauptsächlich emotional. Transparenz dient Spendern überwiegend dazu, getroffene Spendenentscheidungen zu bestätigen.

 

Kai Fischer

Jahrgang 1963, Diplom-Soziologe, geschäftsführender Partner von Mission-Based Consulting, berät seit fast zwanzig Jahren Nonprofit-Organisationen im Fundraising und zu Wachstumsprozessen. Er ist Lehrbeauftragter an der Hochschule für Wissenschaft und Recht (HWR) in Berlin, Dozent an der Fundraising Akademie und hat Workshops und Seminare auf Fundraising-Kongressen und regionalen Fundraising-Tagen gehalten. Er ist Autor und Herausgeber von mehreren Fachbüchern.

www.mission-based.de/kai-fischer.html

 

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