Bitcoin-Pionier rät: Markt beobachten und lernen zu verstehen

Von Roland Schellwald

Über die „Kryptowährung“ Bitcoin wird viel diskutiert, natürlich auch bei spendensammelnden Organisationen. Bei den meisten Fundraisern herrscht allerdings eine gewisse Ratlosigkeit. Soll um Bitcoin-Spenden geworben werden oder nicht, ist das ethisch überhaupt vertretbar? Und wie funktioniert das eigentlich? Das österreichische Hilfswerk Jugend Eine Welt zählt zu den Pionieren und bietet nun auf einer speziell entwickelten Website die Möglichkeit, Bitcoin zu spenden. Über die Erfahrungen sprach das Filantro Fundraising Echo mit Jasmin Güngör, Finanzreferentin und Expertin für digitale Zahlungsmittel bei Jugend Eine Welt.

Fundraising-Echo: Wann hat Jugend Eine Welt begonnen, Bitcoin-Spenden zu sammeln?
Jasmin Güngör
Jasmin Güngör ist Expertin für digitale Zahlungsmittel.
Foto: © Jugend Eine Welt
Jasmin Güngör: Schon im Jahr 2015 haben wir das erste Mal Bitcoin gesammelt. Unser Ziel war es damals, in Österreich ankommende Flüchtlinge zu unterstützen. Es gab einen Großspender, der 10.000 Euro bereitstellte, um SIM-Karten zu kaufen. Diese waren bei den Flüchtlingen sehr gefragt, weil sie dadurch Kontakt zu ihren Familien in der Heimat halten konnten. Das Grazer Unternehmen Coinfinity fand diese Idee ebenfalls gut und unterstützte uns dabei, indem es an seinen Automaten, an denen man für Bargeld Bitcoin kaufen kann, für uns um Bitcoin-Spenden warb. Damals konnten wir 1,838165 Bitcoin mit einem Verkaufswert von 600,97 Euro sammeln. Zusammen mit der Großspende entspräche der heutige Gegenwert mehr als 22.000 Euro.

Fundraising-Echo: Im Jahr 2017 folgte dann der nächste Schritt. Können Sie unseren Lesern schildern, womit Sie sich in den vergangenen Monaten beschäftigt haben?

Jasmin Güngör: Durch den Boom im Jahr 2017 haben wir uns nach dem Sommer dazu entschlossen, im vierten Quartal eine Homepage (www.bitcoinspenden.at) aufzubauen und die Hardware Wallet Ledger Nano S anzuschaffen. Damit haben wir sozusagen inhouse den Grundstein für einen professionellen Umgang mit Kryptowährungen gelegt. Wallet nennt man einen sicheren Aufbewahrungsort, an dem man digitale Währungen speichern kann.

Fundraising-Echo: Wie läuft ein Spendenvorgang mit Bitcoin ab?

Jasmin Güngör: Alle notwendigen Informationen finden Sie auf www.bitcoinspenden.at Es funktioniert ganz einfach. Unsere Wallet hat eine Adresse und einen dazugehörigen QR-Code, den man scannen kann, um die Adresse nicht eintippen zu müssen. Wenn man Bitcoin besitzt und diese spenden möchte, kann man den gewünschten Betrag an unsere Wallet schicken. Wir sammeln die Bitcoin und wandeln den Bestand in regelmäßigen Abständen in Euro um. Die erste Umwandlung haben wir im Januar 2018 vollzogen.

Fundraising-Echo: Wie sind Ihre Erfahrungen mit Bitcoin-Spenden? Wird diese Art der Spende von Ihren Förderern angenommen?

Jasmin Güngör: Aktuell wäre es falsch, zu große Hoffnungen in diese neue Form der Spende zu setzen. Wir sind im Oktober 2017 mit der Homepage live gegangen. Zwei Medien haben darüber berichtet. Daraufhin haben wir einige Spenden erhalten.

Bitcoin Der Bitcoin beflügelt nicht zuletzt durch heftige Kursschwankungen
die Phantasie. Foto: © Pixabay
Wir haben auch Flyer im Wiener Bitcoin-Store The House of Nakamoto verteilt. Vermutlich kommen daher auch einige Spenden. In Summe waren es bisher aber tatsächlich nur zehn Eingänge mit einem heutigen Gegenwert von etwa 700 US-Dollar. Unsere Spendeneinnahmen sind für jeden ersichtlich. Mit der Wallet-Adresse kann man bei Blockchain.info nach den jeweiligen Wallets suchen und findet alle Ein- und Ausgänge.

Jugend Eine Welt hat ein Gesamtspendenaufkommen von fünf Millionen Euro. Da ist der prozentuale Anteil am Gesamtspendenvolumen zwar nicht nennenswert, aber es geht darum, sich mit der Technologie vertraut zu machen, um zukünftigen Bitcoin-Großspendern gerecht werden zu können.

Fundraising-Echo: Worauf führen Sie die verhältnismäßig geringen Spendeneingänge noch zurück?

Jasmin Güngör: Das 4. Quartal im Jahr 2017 war für Bitcoin-Spenden ein schlechter Zeitpunkt. Die Gebühren betrugen im überlasteten Bitcoin-Netzwerk pro Transaktion bis zu 25 Euro. Wir führen den geringen Spendeneingang darauf zurück, dass der Kleinspender nicht einsieht, weshalb bei 100 Euro in Form von Bitcoin 25 Euro durch Gebühren verschwinden – wo doch normale Banküberweisungen kostenfrei sind.

Wir haben uns überlegt, ob wir nicht andere Währungen wie Ethereum oder Litecoin bewerben sollen, die aktuell geringere Transaktionsgebühren erfordern. Diese Währungen werden wir jetzt auf unserer Homepage ebenfalls integrieren. Wir sind aber auch zu dem Schluss gekommen, dass wir uns speziell Chancen bei Kryptowährung-Großspendern erhoffen. Erst vor Kurzem wurde der Pineapple Fund bekannt, wo eine anonyme Person Bitcoin im Gegenwert von 86 Millionen US-Dollar vergibt. Hier haben wir uns bereits mit einem Projekt beworben. Wir denken, es wird für Bitcoin-Großspender auch von Interesse sein, ob die gemeinnützige Organisation mit Kryptowährungen entsprechend umgehen kann. Wir dürfen mit Selbstbewusstsein von uns behaupten, dass wir es können. 

Fundraising-Echo: Welche Art von Förderern spenden Bitcoin, sind es eher jüngere, online-affine Spender?

Jasmin Güngör: Wir wissen es nicht, da sich bis dato kaum jemand bei uns gemeldet hat und wir nur die Wallet-Adressen sehen, aber nicht die Menschen dahinter.

Fundraising-Echo: Sind Sie der Meinung, dass sich diese Spendenmethode auf Dauer durchsetzen wird?

Jasmin Güngör: Aufgrund der Gebühren, die es beim Bitcoin wegen der Überlastung des Netzwerks nun einmal gibt, ist diese Form der Spende im Moment eher weniger attraktiv für Kleinspender. Allerdings wird sich der Bitcoin im Laufe der nächsten ein bis zwei Jahre mit der Einführung des Lightning Network technologisch weiterentwickeln und kann dann durchaus wieder zu einem Coin mit geringen Gebühren werden. Kryptowährungen sind sehr dynamisch und als NGO ist es sicherlich sinnvoll, diesen Markt zu beobachten und verstehen zu lernen.
 

Jasmin Güngör arbeitet seit mehr als drei Jahren bei Jugend Eine Welt und ist zuständig für Darlehensprojekte in Ecuador und Indien. Mit Bitcoin beschäftigt sie sich seit 2011. Sie ist innerhalb der österreichischen Blockchain- und Kryptowährungsszene aktiv, hält Vorträge auf Meetups und Konferenzen und bietet auch Workshops zum Thema „Fundraising von Bitcoin“ an.

Weitere Informationen:
www.bitcoinspenden.at
www.jugendeinewelt.at
coinfinity.co/bitcoin-spendenaktion-fuer-fluechtlinge
 

Werden zukünftig in Deutschland mehr Organisationen um Bitcoin werben, wird sich der Bitcoin als digitales Spendenzahlungsmittel hierzulande durchsetzen? Das sagen die Experten:
 

Maik Meid Foto: © Maik Meid Maik Meid, Fundraising-Berater:
„Das Thema Bitcoin ist ein klassisches Hype-Thema. Ich glaube schon, dass viele Fundraiser von Vorständen darauf hingewiesen werden, etwas in Richtung Bitcoin-Spenden zu tun. Ich rate aber dringend davon ab, etwas zu implementieren, was man nicht versteht. Experimentieren sollten wir und das ist gut. Betrachtet man den Spendenmarkt, dann wird es immer wieder punktuell Berichte geben, wo es geklappt hat. In der Fläche sehe ich das auf absehbare Zeit nicht. Es scheitert aus meiner Sicht übrigens nicht nur an den Spenderinnen und Spendern, sondern umso mehr am Verständnis bei den damit betrauten Kolleginnen und Kollegen.“


 

Jona Hölderle Foto: © Jona Hölderle
Jona Hölderle, Gründer der Online-Marketing Agentur Pluralog:
„Als Zahlungsmittel für Spenden sind Bitcoin zurzeit wie jedes andere Zahlungsmittel. Als Organisation muss ich mir die Frage stellen, ob das Anbieten der Bitcoin-Spende für genügend Menschen das Spenden einfacher macht, so dass sich der Aufwand für mich als Organisation lohnt. Das ist sicherlich eher der Fall, wenn meine Zielgruppe besonders affin für dieses Zahlungsmittel ist und wenn es noch niemand anders anbietet, sich also eine Spende aus reiner Neugierde anbietet.“

 

Was meinen Sie? Werden Kryptowährungen den Spendenmarkt verändern, gehört dem Bitcoin die Zukunft? Ist es überhaupt ethisch vertretbar, Bitcoin zu sammeln? Bitte schreiben Sie Ihre Meinung an fundraising-echo@filantro.org.

 

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