Brauchen Vereine professionelles Fundraising?

Von Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph MüllerleileDr. Christoph Müllerleile„Vereine interessiert Fundraising nicht“ lautet die Überschrift über einem Artikel, der kurz vor Weihnachten in meiner Heimatzeitung erschien. Darin schildert ein enttäuschter Absolvent der Fundraising-Akademie, wie er mit dem Angebot scheitert, den Vereinen einer wohlhabenden Taunusstadt in fünfzehn Seminareinheiten mit insgesamt mehr als zwanzig Terminen Fundraising beizubringen, obwohl alles kostenlos sein sollte. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war, dass Vereine angesichts geringer werdender Zuschussmittel der Kommunen eigentlich daran interessiert sein müssten, zu erfahren, wie man die Löcher in den Vereinskassen in Eigeninitiative stopfen könnte. Die Begeisterung bei der Auftaktveranstaltung war groß, zu den Seminaren, Workshops und Themenblöcken meldete sich aber kaum einer an.

Ähnliche Erfahrungen habe ich selbst gemacht. Zwar war ich nie so optimistisch, Vereinen mehr als ein Tagesseminar oder eine dreistündige Abendveranstaltung mit stark verkürztem Informationsprogramm „zuzumuten“, aber auch da habe ich mein blaues Wunder erlebt. Angemeldete Teilnehmer kamen nicht. Andere hatten gar nichts mit gemeinnütziger Tätigkeit am Hut, sondern suchten nur nach einer bezahlten Beschäftigung; andere dachten zwar an neue Formen der Mittelbeschaffung für die Vereine, denen sie vorstanden oder deren Kassierer sie waren, wollten das aber keineswegs so systematisch und professionell tun, wie das besagter Absolvent der Fundraising-Akademie plante. Eine pensionierte Schulleiterin fauchte mich an, was das denn solle, Leute um Spenden zu bitten. Man spende doch unaufgefordert freiwillig.

Vielleicht ist es ein Irrtum zu meinen, Organisationen, die von der öffentlichen Hand im Stich gelassen werden, würden das in Eigeninitiative kompensieren. Häufiger ist es so, dass Aktivitäten, die von der öffentlichen Hand nicht bezahlt werden, gleich ganz entfallen unter dem Motto „dann sollen es halt andere machen“.

Fundraiserinnen und Fundraiser, die das regionale Fundraising für sich entdeckt haben, werden mir jetzt vehement widersprechen und behaupten, das Interesse an einer Professionalisierung der Mittelbeschaffung sei gerade auf lokaler Ebene gewaltig. Aber wenn man dann einmal die Anzahl der für Beratung oder Seminare infrage kommenden Institutionen mit den tatsächlich interessierten vergleicht, bleibt man doch eher im einstelligen Prozentbereich. Bundesweit gibt es rund 600.000 gemeinnützige Vereine und Institutionen. Die Anzahl derer, die systematisches Fundraising betreiben, dürfte bei einem Prozent liegen. Dass dennoch spendenfinanzierte Turnhallen, Kunstrasenplätze, Ausstellungsräume, Privatschulen, Skulpturen entstehen, Musikproduktionen, Denkmalrestaurierungen, internationale Jugendbegegnungen zustande kommen, liegt daran, dass persönliche Beziehungen zu Förderern auf lokaler Ebene nicht durch besondere Fundraising-Methoden geschaffen werden müssen, sondern oft schon lange existieren und leicht aktiviert werden können. Die bekannten Mäzene im Sportbereich, die dörfliche Vereine ganz nach oben bringen können, wussten alle, dass ihr persönlicher Ehrgeiz sie eine ganze Stange Geld kosten würde.

Lokales Fundraising ist stets Chefsache und funktioniert nur, wenn der oder die Fundraiser/in mit gutem Beispiel vorangeht, also selbst eigenes Geld und eigene Zeit einsetzt. Als in meiner Heimatstadt ehrgeizige Leute eine Bürgerstiftung gründen wollten und meinen Rat haben wollten, fragte ich gleich zu Beginn: „Und wie hoch ist die Vermögenseinlage, die Sie selbst machen wollen?“ Es folgte ratloses Gemurmel, und die Gründung mündete im Nirwana.

Der riesige Bereich geldwerter Leistungen lokaler Ehrenamtler entzieht sich dem professionellen Fundraising großflächig. Die Akquise unbezahlter Arbeit wird selten mit professioneller Mittelbeschaffung gleichgesetzt, obwohl der Wert von Zeitspenden den von Geld-und Sachspenden bei Weitem aussticht. Ganz zu schweigen von der Erziehungs- und Unterstützungsarbeit in Millionen Familien, die im Regelfall ein Leben lang hält und, wie wir alle wissen, unbezahlt bleibt.

 

Über den Autor: Dr. Christoph Müllerleile ist Journalist und freier Autor mit Spezialgebiet Fundraising.
Kontakt: info@fundraising-buero.de

 

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