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ChatGPT für Fundraiser*innen: Die Probe aufs Exempel

„Meinst Du, es interessiert meine Leser, wenn ich über die Möglichkeiten von ChatGPT für Texte im Fundraising schreibe?“, frage ich meinen neuen digitalen Freund. „Ja, aber nur, wenn sie genügend wissbegierig sind“, antwortet er. Dann hoffe ich also mal, liebe geneigte Leser*innen, dass Sie wissbegierig genug sind und weiterlesen.

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Erste Frage: Wofür steht eigentlich der etwas sperrige Name meines Freundes? Antwort: ChatGPT steht für „generative pre-trained transformer chat“ oder auf Deutsch: „Sätze erzeugender vortrainierter Umwandler-Chat“. Gott sei Dank sind die Texte von ChatGPT weniger hölzern als sein Name.

ChatGPT ist also ein Chat-Programm, das auf Basis künstlicher Intelligenz und mit Hilfe von maschinellem Lernen intelligente Sprache erzeugt. Entwickelt hat das Programm die OpenAI Stiftung in San Francisco. Sie soll, wie es in der Satzung der Stiftung steht, eine künstliche Intelligenz entwickeln, die „der gesamten Menschheit nutzt“.

Und was nutzt uns ChatGPT? Nun, wir können uns mit ihm (ihr?) über die Geschichte der Wikinger unterhalten (das Thema scheint ihn zu interessieren), ihn nach dem gesündesten Cocktail fragen (angeblich Wodka Soda mit Limette) oder ihm die Aufgabe stellen, uns ein kleines Computerprogramm zu schreiben, das uns für jedes Wort ein anderes Wort mit den gleichen Buchstaben ausspuckt (hat er mir in 10 Sekunden programmiert).

Vor allem aber schreibt uns ChatGPT Texte. Und hier wird es für uns Fundraiser*innen interessant. Brauchen wir jetzt nie mehr Spendenbriefe, E-Mails oder gar Förderanträge schreiben? Ich habe einmal die Probe aufs Exempel gemacht und ChatGPT drei Texte schreiben lassen: verschiedene E-Mails an Spender*innen, einen Spendenbrief und einen Förderantrag. Hier meine Ergebnisse:

 

KI als persönlicher Assistent

 

1. ChatGPT zum Schreiben von Fundraising-E-Mails

Die Dankes-E-Mail an die Spenderin ist nett formuliert. Und langweilig. Aber gut, es ist eine Dankes-E-Mail und kein Kabarett-Beitrag. Ähnlich die Einladung zum Benefiz-Lauf. Die E-Mail an die Presse zur Spendenscheck-Übergabe erinnert mich immerhin daran, die Pressevertreter um eine Rückmeldung zu bitten, ob sie kommen werden.

Fazit: Gut, wenn man noch nie eine Dankes-E-Mail, eine Einladungs-E-Mail oder eine Presse-E-Mail geschrieben hat. Für alle anderen: nette Spielerei!

2. ChatGPT zum Schreiben von Spendenbriefen

Der erste Versuch von ChatGPT, nachdem ich ihn mit den notwendigen Fakten zum Spendenbrief versorgt habe, ist gut. Genauso gut und genauso durchschnittlich, wie man das bei einem Programm, das die jeweils beliebtesten Formulierungen aus dem Internet wohlgeordnet miteinander verbindet, erwarten darf. Auch die Bitte, persönlicher zu formulieren, hilft nicht viel. Also lasse ich ChatGPT die Geschichte eines kleinen Mädchens einbinden. Allein, es entsteht kein Bild vor meinem Auge. Der Funke springt nicht über. Da fällt mir Astrid Lindgren ein. Wenn der Brief doch nur so geschrieben wäre wie die Geschichten von Madita, Michel und Pippi Langstrumpf! Also bitte ich meinen Freund, es noch einmal im Stil von Astrid Lindgren zu versuchen. Und auf einmal fangen die Buchstaben an zu tanzen. Wunderbar! Ja, so hätte Astrid Lindgren den Brief geschrieben! Da werden die Leute aber spenden!

Fazit: Auch hier gilt wieder: Die ersten Fassungen geben einen Hinweis, wie ein durchschnittlich guter Spendenbrief zu schreiben ist und was er beinhalten sollte. Er ist allerdings eben auch der langweilige Durchschnitt aller Spendenbriefe, die ChatGPT im Netz findet. Aber wenn man ChatGPT kreativ nutzt, dann können tatsächlich ganz außergewöhnliche Ergebnisse dabei herauskommen und die Texte Flügel bekommen.

3. ChatGPT zum Schreiben von Förderanträgen

E-Mails, Spendenbriefe – gut. Aber schafft ChatGPT auch die Königsdisziplin, das Schreiben von Förderanträgen? Im direkten Anlauf: nein. Was ChatGPT da nach meinen Projektvorgaben ausspuckt, lässt sich nicht verwerten. Aber jetzt hake ich nach: Warum gibt es einen hohen Bedarf an dem Projekt? Ja, den Aspekt der niedrigen Digitalisierung in Vereinen hatte ich noch vergessen. Welche Wirkung erzielt das Projekt? Ja, das ist eine Idee: Mit dem Projekt stärken wir ja auch die Wahrnehmung des Ehrenamtes. Warum sind wir die richtige Organisation für das Projekt? Stimmt, es kennt wirklich niemand die Zielgruppe so gut wie wir.

Fazit: Natürlich sollte ich Bedarf, Wirkung und eigene Ressourcen am besten selbst kennen. Und natürlich kann ChatGPT das nicht alles wissen. Aber er liefert mir neue Ideen, an die ich nicht gedacht habe. Einen kompletten, überzeugenden Förderantrag – ohne weitere Arbeit durch mich – schreibt ChatGPT aber (noch) nicht.


Was habe ich in meiner Probe aufs Exempel gelernt? ChatGPT kann hilfreich sein. Aber wenn ich ehrlich bin: Die Arbeit wird nicht weniger, sondern eher mehr. Denn die Stärke von ChatGPT liegt nicht in der Erstellung perfekter Text, die den menschlichen Schreiber überflüssig machen. Die Stärke von ChatGPT liegt in der Steigerung der Kreativität. Und die fällt umso höher aus, je kreativer ich selbst mit ChatGPT arbeite.

Die nächsten Tage muss ich übrigens leider erstmal ohne meinen Freund auskommen: Als ich ChatGPT am Ende noch bat, meinen Spendenbrief im Stil von Thomas Mann zu schreiben und der erste Bandwurmsatz schon die zweite Seite erreicht hatte, machte mein Freund leise „oh“, stieß einen letzten verzweifelten Seufzer aus und verpuffte in einem kleinen grauen Rauchwölkchen über meinem PC. Ich hoffe, er hat sich bald erholt.

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Porträt Dr. Christian Gahrmann

Über den Kolumnisten

Dr. Christian Gahrmann ist Experte für strategisches Fundraising und passionierter Geschichtenerzähler. Nach Stationen als Fundraiser bei der Deutschen Diabetes Stiftung, Roland Berger Strategy Consultants und der China-EU School of Law arbeitet Christian Gahrmann seit 2012 als selbstständiger Fundraising-Berater (www.christian-gahrmann.de).

Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören unter anderem die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung von Fundraising in den sozialen Medien. Er ist Gründer der größten Fundraiser-Community (www.nachhaltiges-fundraising.de) und der größten Spender-Community (www.traumspender.de) auf Facebook.

 

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