„Das Mid-Level-Donor-Segment hat dem Großspendersegment einen Push gegeben“

von Claudia Wohlert

Um ihre Klein- beziehungsweise Großspender optimal zu betreuen, haben viele Organisationen entsprechende Strategien entwickelt. Doch was ist mit dem Spendersegment dazwischen, den Mid-Level Donor? Bekommen auch diese Spender die Aufmerksamkeit und „Pflege“, die sie verdienen? Claudia Wohlert sprach mit Katja Deckert, Fundraising-Leiterin beim NABU, über Identifizierung von Mid-Level Donor, Pflege und welche Erfolge sich zeigen, wenn die Organisation sich diesem Segment professionell widmet.

Fundraising-Echo: Das Mid-Level-Donor-Segment wird bei vielen Organisationen nicht besonders betreut. Sie haben sich beim NABU aber gerade über diese Spendergruppe Gedanken gemacht und eine Strategie entwickelt. Warum?

Katja Deckert Katja Deckert  © Guido Rottmann | NABU

Katja Deckert: Wir haben sowohl eine ausgefeilte Großspender- als auch Kleinspenderbetreuung, die aufeinander aufbauen. Aber was bieten wir den Leuten dazwischen an? Großspender bekommen neben dem Dank eine Geburtstagskarte, werden zu Vorträgen oder Exkursionen eingeladen, aber bis 499 Euro erhalten Spender „nur“ einen Dankbrief. Wir haben da eine Art Betreuungslücke gesehen. Und dann stellte sich uns die Frage: Könnte im Übergangsbereich zwischen Kleinspendern und Großspendern ein Potenzial schlummern, dass sich lohnt, genauer begutachtet zu werden.

Fundraising-Echo: Was haben Sie zuerst analysiert?

Katja Deckert: Zuerst ermittelten wir anhand der Datenbank, wie viele Menschen im Großspenderbereich sind und wie viele in dem von uns definiertem Mittelsegment. Es wurden die Gruppen 300 bis 499 Euro sowie 200 bis 499 Euro genauer angeschaut. Außerdem analysierten wir, welche Entwicklung sie genommen hatten. Die Fragen waren: Gibt es Menschen aus dem Mid-Level-Donor-Segment, die Großspender werden? Außerdem: In welchem Bereich steigern Menschen aus einer Eigenmotivation heraus ihren Betrag so weit, dass sie in den Großspenderbereich fallen? Und wann passiert das durch unsere Betreuung?

Fundraising-Echo: Was verstehen Sie unter Betreuung?

Katja Deckert: Wir hören Spendern gern zu und tauschen uns darüber aus, ob aus den Äußerungen eine strategische Überlegung abgeleitet werden kann. Mitarbeiter mit intensivem Spenderkontakt achten sehr auf neue Anfragen. Die Mitarbeiter haben ein Gefühl dafür, ob sich etwas im Informationsbedürfnis sowie im Reaktionsverhalten der Spender ändert. Die wenigsten Menschen spenden uns das Maximum von dem, was sie spenden könnten. Da besteht immer ein Spielraum.

Fundraising-Echo: Welche Kriterien waren entscheidend bei der Identifizierung möglicher Großspender?

Katja Deckert: Es ist zum einen die Altersquote, außerdem eine Frage von Bindung. Haben Menschen beim NABU mehrere Produkte? Der NABU ist ein Mitgliedsverband. Also könnten die Spender zum Beispiel sowohl Mitglied als auch Pate bzw. Patin sein. Außerdem war die Spendenfrequenz interessant.

Fundraising-Echo: Anschließend haben Sie mit zwei Hypothesen gearbeitet. Fangen wir mit der ersten an. Ihre Aussage war: Je höher die Summe der Jahresspenden, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Großspender wird. Und ist das so?

Katja Deckert: Ja, in einem bestimmten Segment. Die meisten kommen aus den Bereichen 400 – 499 Euro und 300 – 399 Euro. Die übrigen Segmente waren nicht relevant. Nach einem Zeitraum von drei Jahren hatte die Gruppe 400 bis 499 Euro eine Umwandlung von elf Prozent, die von 300 – 399 Euro eine 5-prozentige Umwandlungsquote. Entsprechend haben wir die elf und fünf Prozent zusammengenommen und uns um die gekümmert.

Fundraising-Echo: Hypothese 2 lautete: Wer hohe Einzelspenden leistet, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit zum Großspender als ein Spender, der bei gleicher Summe sehr viele kleine Spenden leistet? Stimmte diese Annahme?

Katja Deckert: Es gibt keinen erkennbaren Zusammenhang. Bei der passiven, ja Selbstumwandlung zum Großspender, spielt die Höhe der Einzelspenden vorher keine Rolle. Trotzdem ist die Hypothese nicht ganz abwegig. Die Höhe der Einzelspende ist nicht so wichtig, es ist eher die Frequenz. Wir gehen bei der Großspendendefinition nicht von 500 Euro auf einmal, sondern innerhalb eines Jahres aus. Was ist der Unterschied zwischen einem, der Ihnen einmal im Jahr 600 Euro spendet oder jeden Monat 50 Euro, die Summe ist die gleiche. Deshalb ging es um die Gesamtsumme, nicht um die Einzelspende.

Fundraising-Echo: Gleichzeitig hatten Sie entdeckt, dass es in diesem Zeitraum 25 Prozent gab, die gar nicht gespendet hatten, jetzt aber Großspender waren.

Katja Deckert: Ja. Zweimal im Jahr machen wir Neuspendermailing-Gewinnung und darunter sind zum Beispiel immer wieder Spender, die sofort in die Großspenderbetreuung fallen.

Fundraising-Echo: Kommen wir zurück zu der Umwandlungsquote. Was haben Sie an Ihrer Praxis-Strategie verändert?

Katja Deckert: Wir haben Betreuungscharts erstellt, die einer Matrix gleich sind. Auf der senkrechten Seite steht: Was machen wir in den einzelnen Segmenten bis hin zum Top Donor? Also Dankbriefe und Infobrief. Außerdem normales Mailingpackage, wenn sich etwas im Projekt getan hat. Bedankung mit O-Ton vom Projektleiter. Das passiert, wenn erste Sachen umgesetzt wurden. Naturschutz ist immer sehr langfristig angelegt.

Es gibt im Naturschutz ganz, ganz selten ein Notmailing und ich spiele auch nicht mit Notstufen. Immer dann, wenn sich etwas getan hat, informieren wir die Menschen noch einmal. Im Kleinspenderbereich aber nicht in der Form. Außerdem gibt es die Geburtstagskarte, den Weihnachtsbrief, das Mitgliedermagazin, eventuell einen individualisierten Dankbrief, häufig noch handschriftlich. Zusätzlich erhalten manche Spender den Fotokalender und die individuelle Betreuung.

Und auf der waagerechten Seite der Matrix gibt es die Spender: Mid-Level-Segment, Großspender und Top Donor. Es wurde festgehalten, wer was bekommt. Und dann sehen Sie die Lücken und dass es sinnvoll ist, sich mit dem Mid-Level-Donor-Segment zu beschäftigen.

Hafen Velgast am Blauen BandHafen Velgast am Blauen Band. Eines von vielen Naturschutzprojekten des NABU
© L. Giebel | Nabu

Fundraising-Echo: Hatten Sie eine spezielle Ansprechperson für die Mid-Level Donor?

Katja Deckert: Ja, wir haben eine Person, die das beobachtet, sich Maßnahmen überlegt und umsetzt. Das entwickelt sich alles mit der Zeit. Es ist wichtig zu analysieren, wie die Zielgruppe auf einzelne Maßnahmen reagiert. Sowohl im Paten- als auch im Großspendenbereich existieren Veranstaltungsformate, die sich fortlaufend verändern. Diese beiden Mitarbeiter-Gruppen setzten sich zusammen und entwickelten auch Formate für das Mid-Level-Segment.

Fundraising-Echo: Ab wann stellte sich der Erfolg der neuen Strategie ein?

Katja Deckert: Richtig wahrnehmbar 2017. Für die Evaluierung in 2013 benutzten wir Zahlen aus 2010 bis 2013. 2015 wurden die Materialien erstellt und 2016 legten wir los. Ab 2017/18 kamen die ersten Erfolge, die sich auf alles andere auswirkten. Der Ansatz, Mid-Level Donor zu Großspendern zu machen, funktionierte.

Fundraising-Echo: Gab es unvorhersehbare Entwicklungen?

Katja Deckert: Mich hat das gute Ergebnis nicht überrascht. Es war für mich die Bestätigung für die gute Arbeit, die mein Team vorher geleistet hatte. Bei uns werden alle Ideen im Team besprochen. Man braucht ein ausgefeiltes Großspenderbetreuungskonzept. Man muss wissen, was man da tut. Man muss wissen, wie man das entwickelt. Auf dieser Position ist eine kompetente Person sehr wichtig. Außerdem ist eine sehr gut aufgestellte Spenderbetreuung notwendig. Die Person muss auch sehr aufmerksam sein und wissen, worauf geachtet werden muss. Wenn diese zwei Säulen nicht entwicklungsfähig stehen, dann wird dazwischen kein Weg gefunden.

Fundraising-Echo: Welche Organisationen kommen Ihrer Meinung nach für eine Mid-Level-Donor-Segmentierung in Frage?

Katja Deckert: Es macht keinen Sinn, wenn eine Person die komplette Spenderbetreuung macht. Eine Person muss die Großspender machen, eine Person ist für das Mailinggeschäft zuständig. Das sollte getrennt sein. Und dann ist eine Person für das Mid-Level-Donor-Fundraising notwendig. Und diese Personen müssen gut miteinander arbeiten können. Das Mid-Level-Donor-Segment hat dem Großspendersegment einen Push gegeben. Und das Großspendersegment wiederum dem Top-Spendersegment. Das haben die neuesten Zahlen gerade ergeben. 

Fundraising-Echo: Welches war Ihre wichtigste Erkenntnis aus der Beschäftigung mit dem Mid-Level-Donor-Segment?

Katja Deckert: Wenn man sich eine eigene Betreuung überlegt, entwickelt sich tatsächlich der Großspenderbereich, das Segment geht nach oben. Sie bekommen über einen längeren Zeitpunkt Mid-Level Donor zu Großspendern. Außerdem haben Sie noch ein eigenes Segment. Es bleiben Spender in diesem 300- bis 499-Euro-Bereich. Wichtig ist, dass die Betreuung des Mid-Level-Donor-Segments sich ständig weiterentwickelt, dass neue Ideen verwirklicht werden. Durch eine Dreijahresauswertung hat sich unsere Annahme bestätigt und wir machen weiter.

Katja Deckert hat in Heidelberg Judaistik, Theologie sowie Rechtswissenschaften studiert. Seit 20 Jahren ist sie Fundraiserin und leitet nach Stationen im kirchlichen und sozialen Bereich seit 2010 das Fundraisingteam in der Bundesgeschäftsstelle des NABU (Naturschutzbund Deutschland e.V.) in Berlin. Seitdem konnte sie mit ihrem Team aus überzeugten Fundraisern und Fundraiserinnen die Spendeneinnahmen mehr als verdoppeln.
Kontakt: Katja.Deckert@nabu.de    www.NABU.de

 

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