Donor Journey: Save the Children geht neue Wege in der Spenderbindung

Von Claudia Wohlert

Mittelfristig gesehen stagniert der Anteil der Spender an der Bevölkerung. Um trotzdem weitere Spender zu gewinnen, beschreiten Non-Profit-Organisationen neue Wege. Save the Children hat sich die Donor Journey für Dauerspender im ersten Jahr genau angesehen und etwas Anderes entwickelt. Ob das Konzept erfolgreich war und wie es aussieht, dazu befragte Claudia Wohlert Anja Hunsinger, Referentin für Spenderbindung und -entwicklung, von Save the Children.  

Fundraising-Echo: Können Sie mit wenigen Worten erklären, was Sie unter Ihrer Donor Journey für neu gewonnene Dauerspender bei Save the Children verstehen?

Anja Hunsinger: Unsere Donor Journey begreifen wir als eine kommunikative Reise für die neuen Dauerspender. Wir wollen ihnen vermitteln, wofür sie sich engagieren und welche wichtige Rolle sie für den Erfolg unserer Arbeit spielen. Unsere Spender sollen merken, dass sie am richtigen Ort sind, das Richtige tun und dass es wertvoll ist. So kann das Vertrauen in die Organisation wachsen. Unsere Hoffnung war, dass dadurch die Spender möglichst lange bei uns bleiben, dass wir einen langen Weg miteinander gehen.

Fundraising-Echo: Welche Ziele hatten Sie sich vorab gesteckt? Was wollten Sie erreichen?

Anja HunsingerAnja Hunsinger ist Referentin für Spenderbindung und -entwicklung bei Save the Children. Foto:  © Bastian Strauch Anja Hunsinger: Wir wollten unsere Dauerspender noch besser an die Organisation binden und so die Bindungsrate um ein paar Prozent erhöhen. Bereits vorher war sie hoch, aber es bestand noch Luft nach oben. Außerdem wollten wir erreichen, dass unsere Spender immer wieder auch parallel zu ihrer Dauerspende zusätzlich spenden. Ganz wichtig war uns zudem, in unserer Kommunikation die Wertschätzung, die wir dem Spender gegenüber empfinden, stärker zum Ausdruck zu bringen. Denn die Spender sind unser wichtigster Schatz. Zuvor hatte Save the Children viel Wert auf Information gelegt. Das ist auch wichtig, aber die Emotion, beziehungsweise die Wertschätzung gegenüber dem Spender, ist dabei nicht so stark transportiert worden. In dieser Hinsicht sollte die Art unserer Kommunikation, die Tonalität, geändert werden.

Fundraising-Echo: Welche Herausforderungen hatten Sie im Team zu lösen?

Anja Hunsinger: Von unseren Kollegen aus dem angelsächsischen Raum kamen neue Impulse. Sie sind uns im Fundraising und der Fundraising-Kommunikation voraus. Dadurch hatten wir Erfahrungswerte und Vorbilder. Wir haben versucht, bereits Bewährtes aus den anderen Ländern auf Deutschland anzupassen. Die Herausforderung bei uns bestand darin, ein Team aus verschiedenen Funktionen zusammenzubringen und gemeinsam an einem großen und komplexen Projekt zu arbeiten. Die Kollegen kamen aus dem Bereich Database-Management, dem Online-Bereich sowie aus der Redaktion.

Fundraising-Echo: Kommen wir zum Spender. Wo und wie haben Sie Ihre Dauerspender eingeworben?

Anja Hunsinger: Unser Schwerpunkt liegt auf Face-to-Face. Seit Jahren existiert eine Kooperation mit IKEA. In den Märkten wurden viele Spender gewonnen. Wir versuchen auch mit Partnern Kooperationen einzugehen, so dass in Geschäften Infostände aufgestellt werden können. Inzwischen findet man unsere Infostände außerdem klassisch in Einkaufszentren und Fußgängerzonen. Der zweite große Kanal sind TV-Spots. Da erreichen wir die Menschen überwiegend tagsüber. Ein sehr kurzer, emotionaler Spot motiviert sie, sich über eine Telefonnummer zu melden oder auf unsere Webseite zu gehen und so eine regelmäßige Spende zuzusagen. Das sind unsere zwei Hauptkanäle. Zusätzlich werden Besucher und Interessenten durch verschiedene Marketingtools auf unsere Webseite gelenkt.

Fundraising-Echo: Wie alt sind Ihre Spender?

Anja Hunsinger: Tendenziell jünger als der Spenderdurchschnitt. Wir stehen weniger vor der Herausforderung, junge Spender zu binden als auch noch ältere zu akquirieren.

Fundraising-Echo: Am Anfang Ihrer Kommunikations-Reise hatten Sie sich gefragt: Was erlebt der/die Spender/in persönlich? Und wie gestalten wir als Organisation dieses Erlebnis? Könnten Sie beschreiben, wie Sie sich an die Beantwortung dieser Fragen herangetastet haben?

Anja Hunsinger: Zuerst haben wir ein Konzept, eine Vision entwickelt, wie die Journey im ersten Jahr aussehen soll. Welche Kontaktpunkte soll ein Spender von der Zusage, zum Beispiel am Infostand, bis zum ersten Jahrestag seiner Spende erleben. Daraus entwickelte sich ein Konzept. Jedem Kontaktpunkt auf der „Reise“ wurde eine Funktion beigemessen. Es wurde dazu ein theoretischer Plan aufgestellt: Wann muss was passieren, damit zum Beispiel das Welcome-Package auf den Weg geht? Anschließend erstellte nach und nach die Redaktion die restlichen Kommunikationsmittel. Es wurde nicht erst die ganze Journey umgesetzt und dann ein Starttermin festgelegt. Vielmehr haben wir im September 2015 mit den neu gewonnenen Spendern angefangen. Zu diesem Zeitpunkt gab es die Jahresgrußkarte noch nicht. Das Konzept wurde Schritt für Schritt realisiert.

Fundraising-Echo: Sehen wir uns die Donor Journey einmal genauer an. Die Journey beginnt. Was steht am Anfang?

Anja Hunsinger: Kommt der Spender über Face-to-Face oder Telefon, erhält er ein Dankschreiben mit der SEPA- Pre-Notification. Entsteht der Kontakt über das Internet, erhalten die Spender den Dank samt Pre-Notification per E-Mail.

Fundraising-Echo: Danach kommt das Welcome-Package.

Anja Hunsinger: Alles, was nach dem Danke kommt, wird von erfolgreichen Zahlungen ausgelöst. Das heißt: Wenn die erste erfolgreiche Zahlung eingegangen ist, kommt das Welcome Package. Das bekommen alle als Brief. Es ist eine kleine Broschüre, die den Spender über den ersten Impuls hinaus, der nur einen kleinen Ausschnitt unserer Arbeit offenbart hat, Einblick in unsere Arbeit geben soll. Der Spender weiß anschließend genauer, mit wem er sich eingelassen hat, aber gleichzeitig wird er nicht mit Informationen überfrachtet. Wir wollten keine 20-seitige Imagebroschüre und auch noch kein Spendermagazin. Vielmehr sagen wir: ,Toll, dass Sie da sind. Herzlich willkommen! Wir setzen uns übrigens hier und dort für Kinder ein. Davon sind Sie jetzt ein Teil.‘ Außerdem werden ein paar Grundsätze unserer Arbeit erklärt und der Spender erhält zusätzlich Kontaktdaten, wie er Save the Children erreichen kann.

Fundraising-Echo: Nach der dritten Zahlung steht ein weiterer Kontakt zur Bindung.

Anja Hunsinger: Für alle, die wir per E-Mail kontaktieren, ist es eine E-Mail mit einem Link auf einen kurzen Film. Dort sind Kinder zwischen ein und fünf Jahren zu sehen. Ihre Botschaft ist, dass viele Kinder das fünfte Lebensjahr nicht erleben und dass Save the Children dank der Spende viel dagegen tun kann. Die anderen bekommen eine Postkarte mit der gleichen Botschaft.

Fundraising-Echo: Nach der sechsten Zahlung erhalten die Spender ein Heft.

Anja Hunsinger: Das ist ein Flyer, ein Vierseiter. Es ist ein ausführlicher Bericht zu einem Thema. In der aktuellen Version geht es um Kinder, die aus Syrien geflüchtet sind. Die Flyer-Beiträge ähneln den Artikeln in unserem Spendermagazin. Der Spender hat nun den Eindruck, er bekommt dadurch einen tieferen Einblick in die Arbeit der Organisation.

Fundraising-Echo: Nach der 7. beziehungsweise 8. Zahlung erfolgt eine Upgrade-Bitte übers Telefon.

Anja Hunsinger: Bei den Spendern, die wir übers Telefon kontaktieren dürfen. Falls wir sie nicht erreichen oder nicht kontaktieren dürfen, bekommen sie einen Brief mit der Frage, ob sie ihre Spende erhöhen würden.

Fundraising-Echo: Wie hoch lag der ROI?

Anja Hunsinger: Der ROI der Upgrade-Maßnahme war um 60 Prozent höher bei den Spendern, die die Donor Journey durchlaufen hatten. Es gab saisonale Unterschiede, aber die Tendenz war für uns wichtig.

Fundraising-Echo: Nach 10 Monaten führen Sie die reguläre Jahreskommunikation ein, den normalen Mailingzyklus.

Anja Hunsinger: Ab dem Termin bekommen sie das Spendermagazin. Im Begleitschreiben kündigen wir an, dass das auch künftig zweimal im Jahr kommt. Sie erhalten aber keinen Spendenaufruf. Im ersten Jahr bekommen die Spender außer der Frage, ob sie ihre Dauerspende erhöhen würden, keinen zusätzlichen Spendenaufruf.

Fundraising-Echo: Und nach 12 Monaten schicken Sie dem Spender die Jahrestagskarte.

Anja Hunsinger: Ja, und es ist sehr schön zu sehen, welche positive Response darauf kommt, obwohl die Karte keine Response fordert. Die Überraschung und Begeisterung ist bei einigen Menschen so groß, dass sie sie sogar mit Save the Children teilen. Natürlich gibt es bei allen Aussendungen immer auch Spender, die sich denken, das brauche ich jetzt nicht, das ist mir zu viel Post, aber alles in allem haben wir die Erfahrung gemacht, dass es gut ankommt und nicht: Stellt bitte die Post an mich ein!

Fundraising-Echo: Wie sahen die Kosten aus? Die Selektionen waren klein, da die Spender zu unterschiedlichen Tagen angefangen hatten.

Anja Hunsinger: Es sind trotz der kleinen Selektionen nicht mehr Kosten entstanden, als wenn wir gleich die klassische Mailing-Kommunikation geschickt hätten. Klassische Mailing-Kommunikation hieß bei uns bisher: zweimal das Spendermagazin und zwei Mailings. Die Spendenquittung bekommt natürlich jeder zusätzlich. Die anderen Sendungen kommen zum Teil per E-Mail und die Mailings können überwiegend günstig über Dialogpost verschickt werden. Das Welcome wird dreimal im Monat verschickt, damit kurz nach dem ersten Spendeneingang das Dankeschön beim Spender ankommt. Alle anderen Sachen bündeln wir und schicken sie einmal im Monat. Die Auflage liegt zwischen 1.000 und 2.500 Stück. Das Material wird in hoher Stückzahl vorproduziert und eingelagert, so dass die Kosten geringer ausfallen.  

Fundraising-Echo: Wie sah die Bindung durch die Donor Journey aus? Hat sich Ihre Vorstellung erfüllt?

Anja Hunsinger: Ja, sie hat sich erfüllt. Mit dem neuen Konzept wurde eine systematische Messung von Bindung eingeführt beziehungsweise die Messung von Bindung umgestellt. Wir haben viel darüber gelernt, wie man Bindung überhaupt messen kann und was aussagekräftig ist. Die Bindung wurde nach Zahlungen und nicht nach Monaten gemessen. Somit war ein Vergleich über die Bindung vor Einführung der Donor Journey und danach möglich. Zusätzlich wurde ein Test durchgeführt. Das Verhalten von zwei neuen Spendergruppen, einmal in der alten und einmal in der neuen Kommunikation, wurde analysiert.

Fundraising-Echo: Welche Unterschiede zeigten sich?

Anja Hunsinger: Die Spender mit der neuen Kommunikation, mit der Donor Journey, hatten eine etwas bessere Bindung, ungefähr 2 bis 3 Prozent. Das erscheint nicht viel, was aber auch daran liegt, dass wir vorher schon eine Bindung zwischen 80 und 90 Prozent nach einem Jahr hatten. Interessant war aber, dass die Menschen eher einer Spendenerhöhung zustimmen, wenn sie die Journey erfahren hatten. In den Jahren davor und ebenfalls im Vergleichstest wurden die Spender ebenfalls nach sieben bis acht Monaten um eine Erhöhung gefragt. Die Menschen bei der Journey sind eher dazu bereit und der Upgrade-Betrag ist höher. Jetzt wollen wir beobachten, wie die Menschen aus der Journey auf das Weihnachts-Mailing spenden im Gegensatz zur Testgruppe, die die Standardkommunikation erhalten hat. Das konnten wir noch nicht auswerten, das kommt erst jetzt.

Fundraising-Echo: Machen Sie weiter?

Anja Hunsinger: Ja, wir machen weiter. Zum einen lohnt es sich. Zum anderen brachte die intensive Beschäftigung mit der Frage, wie man das Erlebnis und das Empfinden beim Spender positiv prägen kann, bei den Teammitgliedern die Überzeugung, dass es mit der Donor Journey ein besseres Fundraising ist. Aber letztlich müssen die Zahlen stimmen und das trifft bei der Journey zu.
 

Anja Hunsinger ist seit 2015 Referentin für Spenderbindung und -entwicklung bei Save the Children und führte in dieser Funktion die Donor Journey für Dauerspender ein. Zuvor war die Kommunikationswissenschaftlerin beim DRK Generalsekretariat, bei der Hochschule München sowie beim Kinderschutz e.V. München in verschiedenen Bereichen des Fundraising tätig.

 

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