Endlich Rechtssicherheit für Vereine?

Von Ute Stolpe

Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und die damit verbundene Erteilung eines Freistellungsbescheides ist für die meisten Vereine überlebenswichtig. Schließlich gewährt die Gemeinnützigkeit Steuervorteile, die die Vereinsarbeit entscheidend beeinflussen. Ob ein Verein als gemeinnützig anerkannt ist, wirkt sich auf seine öffentliche Wirkung wie auch auf seine finanziellen Grundlagen und Spielräume aus. 

Liegt einem Verein ein Freistellungsbescheid vor, wird dieser vom zuständigen Finanzamt in regelmäßigen Abständen überprüft und neu erteilt – oder eben auch nicht. Wird einem Verein die Gemeinnützigkeit aberkannt, hat dies durchaus weitreichende Folgen: Förderer können ihre Spenden nicht mehr von der Steuer absetzen und der Verein erhält unter Umständen keine Fördermittel von bestimmten Institutionen. 

FoerderungFoto: © Fotolia Diese Erfahrung machen nicht nur kleinere Verein, sondern durchaus auch große, anerkannte Organisationen wie zum Beispiel Attac. Der wurde im Frühjahr 2014 die Gemeinnützigkeit aberkannt, mit der Begründung, ihre Arbeit sei zu politisch. Attac zog daraufhin vor Gericht und erhielt im November 2016 die Gemeinnützigkeit vom Finanzgericht Kassel zurück. In ihrer Begründung betonten die Richter, dass politische Aktivitäten gemeinnützigen Zwecken nicht entgegenstünden. Im Gegenteil: Gemeinnützige Zwecke wie Bildung oder Förderung des demokratischen Gemeinwesens seien ohne Einfluss auf politische Willensbildung kaum zu verfolgen.

Die Entscheidung, ob eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke verfolgt oder nicht, liegt allein bei den jeweiligen Finanzämtern. Was als gemeinnützig anerkannt wird, ist in der Abgabenordnung (AO) § 52 Gemeinnützige Zwecke festgelegt. Doch diese Auflistung von bisher 25 Nummern steht schon seit längerem in der Kritik.

So fordert zum Beispiel die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus von den Grünen, die Abgabenordnung zu modernisieren und den veränderten gesellschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. So bemängelt sie, dass das Engagement für Menschenrechte genauso wenig in der Abgabenordnung steht wie die Förderung der Demokratie, des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit. Auch Vereinen, die sich für Menschen einsetzen, die unsicher in ihrer geschlechtlichen Identität sind, wird je nach Finanzamt die Gemeinnützigkeit anerkannt oder verwehrt.

Anwendungserlass als Leitfaden für Finanzbeamte

Paus schlägt außerdem einen sogenannten Anwendungserlass vor. Der könnte Finanzbeamten in Deutschland helfen, die Abgabenordnung einheitlich zu interpretieren und die zurzeit bestehende Rechtsunsicherheit für viele Vereine aufzuheben. Für mögliche Streitfälle empfiehlt sie darüber hinaus, eine nationale Kommission zu bilden.
Sich gerichtlich die Gemeinnützigkeit zu erstreiten, können sich die wenigsten Vereine leisten.

Angestoßen durch Attac gründete sich darum im Sommer 2015 die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“. Fast 80 Vereine und Stiftungen, darunter neben Attac auch Amnesty International, Medico International, Brot für die Welt, Oxfam oder Terres des Hommes, setzen sich dafür ein, dass „die politische Willensbildung durch zivilgesellschaftliche Organisationen den angemessenen Rechtsrahmen erhält und alle entsprechenden Ziele als gemeinnützig anerkannt werden“.

Einer Gesetzesinitiative der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Thüringen zur Erweiterung der Abgabenordnung hat der Bundesrat bereits am 10. März dieses Jahres zugestimmt. Danach soll eine neue Nummer 26 eingefügt werden, die „die Einrichtung und Unterhaltung von Kommunikationsnetzwerken, die der Allgemeinheit ohne Gegenleistung offenstehen (Freifunk-Netze)“, als gemeinnützigen Zwecken dienend anerkannt werden. Ob diese Erweiterung kommt, hängt allerdings davon ab, was der Bundestag daraus machen wird.
 

www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de

 

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