Erfolg lässt sich berechnen: intelligente Scoring-Modelle optimieren Ihre Kampagnen

von Hauke Grams und Marike Ziehmann

Christian Noack Christian Noack, Geschäftsführer der
SAZ Services GmbH  © Franz Fender

Christian Noack (48) ist, neben Georg Brinkmann, langjähriger Geschäftsführer der SAZ Services GmbH und zuständig für die Schwerpunkte IT und Business Intelligence. Im Interview spricht er über Adress-Scoring und erklärt die Vorzüge der Analysemethode.

Fundraising-Echo: Scoring ist das neue Zauberwort, wenn es um die Auswahl von Adressen für Kampagnen geht. Ist das nur eine Modeerscheinung oder sollten Fundraiser sich mit dem Thema intensiver auseinandersetzen?

Christian Noack: So neu ist das gar nicht. Begonnen haben wir damit schon in den 1990er Jahren. 2010 wurde das Verfahren standardmäßig für sämtliche Kampagnen eingeführt und seitdem stetig weiterentwickelt. Die Idee zu scoren ist ja allgemein schon lange gebräuchlich. Auch andere Verfahren beruhen auf der Überlegung, Daten durch ihre Merkmale zu werten. Im Kern ist Adress-Scoring nichts anderes als eine intelligente Erweiterung des Recency-Frequency-Monetary-Verfahrens (RFM).

Recency-Frequency-Monetary-Verfahren (RFM)
Das RFM-Verfahren ist ein Marketinginstrument und dient der Kundenbewertung. Es hilft bei der Strukturierung von Kundengruppen, bei der durch ein Ranking entschieden werden kann, wer zum Beispiel eine Aussendung erhalten soll und wer nicht. Dabei gibt es 3 Kriterien, die beachtet werden:

  • Recency: Aktualität
  • Frequency: Häufigkeit
  • Monetary Value: monetärer Wert

 

Fundraising-Echo: Sie vergleichen Scoring mit RFM. Was genau macht den Unterschied zwischen den beiden Verfahren aus?

Christian Noack: Beim RFM-Verfahren wird geschaut, wer in welcher Höhe wann und wie oft gespendet hat. Daraus ergibt sich eine Tabelle mit drei Dimensionen. Anhand dieser Tabelle wird letztendlich subjektiv, also nach Bauchgefühl, entschieden, wer in die Selektion der Kampagne fließt und wer nicht. Aufgrund des menschlichen Einflussfaktors ist RFM daher nur eingeschränkt reproduzierbar und zudem aufgrund der lediglich drei einfließenden Merkmale ungenau.

Man muss dabei einfach bedenken, dass das RFM-Verfahren noch aus einer Zeit stammt zu der Analysen häufig mit hohem händischem Aufwand verbunden waren und die Rechenleistung der Computer sehr gering war. Daher war man schlicht gezwungen sich auf wenige Merkmale bei der Analyse zu beschränken und Teile der Entscheidungen dem Bauchgefühl zu überlassen.

Im Gegensatz dazu werden beim Scoring nicht nur drei Merkmale ausgewertet, sondern durchaus bis zu mehreren hundert. Zum Glück können wir das Scoring heute vollautomatisiert laufen lassen. Das Verfahren bestimmt dabei selbstständig, welche Merkmale für die Response relevant sind. Als Ergebnis bekommt jede Adresse einen eigenen Score. Dopplungen der Scores kommen durch die Vielzahl an Merkmalen und Kombinationsmöglichkeiten nur ausgesprochen selten vor.

Fundraising-Echo: Das klingt immer noch sehr abstrakt. Was sagt mir denn der Score genau?

Christian Noack: Konkret sagt mir der Score, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Adressat spendet. Man kann damit nur nicht die Höhe der Spende vorherbestimmen. Das können wiederum ergänzende Prognoseverfahren, die wir in Kombination mit einem Scoring einsetzen, aber das ist ein eigenständiges Thema. Um das Scoring mal in ein Bild zu übertragen: Stellen Sie sich ihre Kampagne als Wette beim Seifenkistenrennen vor. Die Platzierung ist hierbei die Spendenwahrscheinlichkeit und die Zeit die Spendenhöhe. Das Scoring kann Ihnen mit hoher Präzision voraussagen, welcher Fahrer den ersten Platz, welcher den zweiten Platz und so weiter belegt. Die Zeit der Fahrer kann es aber nicht bestimmen.

Fundraising-Echo: Also bekomme ich eine Bestenliste. Was fange ich damit an?

Christian Noack: Die Liste ist sozusagen der Grundbaustein. Die gescorten Adressen werden in Segmente zusammengefasst. In jedem Segment sind gleich viele Adressen. Der Basiswert, also der Durchschnittswert des Scorings ist dabei immer 1. Bekommt eine Adresse den Score 1, entspricht die Spendenbereitschaft dem Zielgruppendurchschnitt. Im ersten Segment sind die Adressen mit den höchsten Scores. Auch die Spendenbereitschaft ist hier am größten. Nehmen wir an, im obersten Segment liegt der Score bei 3,5. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Adressaten aus diesem Segment spenden, 3,5 mal höher gegenüber dem Durchschnitt.

Fundraising-Echo: Das klingt, als bräuchte ich schon eine umfangreiche Hausliste, damit sich Scoring lohnt. Sollten sich auch kleine Organisationen mit dem Thema auseinandersetzen?

Christian Noack: Für mich ist das Thema ein Muss, unabhängig von der Größe einer Organisation. Das Scoring dient ja nicht nur der Bewertung bestehender Adressen. Es kann auch eingesetzt werden, um neue Spender zu akquirieren. Früher war die Spendenbereitschaft noch deutlich höher. Auch gab es weniger Organisationen. Heute hat sich das Verhältnis umgekehrt und die Anzahl der spendenbereiten Personen reduziert. Daher benötigen Organisationen mittlerweile eine hohe Zielgenauigkeit, damit die Kampagnen rentabel bleiben. Wer seine Spender nicht kennt und keine gut durchdachten Kampagnen durchführt, wird langfristig von der Konkurrenz abgehängt. Das Scoring hilft mir, die Potenziale der Zielgruppen bestmöglich auszuschöpfen. Wo früher ein gutes Bauchgefühl reichte, brauche ich heute das akkurate Scoring.

Fundraising-Echo: Für welche Kampagnen kann das Scoring eingesetzt werden?

Christian Noack: Eigentlich für alle. Vom Prospect-Mailing über den Newsletter-Versand bis hin zur Lastschrift-Telefonie. Es geht ja immer darum, möglichst effizient zu sein und mit wenig Kostenaufwand die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Dafür ist Scoring bestens geeignet.

Fundraising-Echo: Die Effizienz ist also ein klarer Vorteil des Scorings. Welche Stärken hat das Verfahren denn noch?

Christian Noack: Ich hatte ja schon angesprochen, dass andere Verfahren sehr ungenau sind. Zudem sind Verfahren wie „RFM“ nicht lernfähig, da die einfließenden Merkmale von vornherein festgelegt sind. Das ist ein klarer Vorteil vom Scoring: Je mehr Informationen im Laufe der Zeit gewonnen werden und damit das Scoring-Verfahren „gefüttert“ wird, desto genauer wird der Score. Darum ist es auch wichtig, möglichst alle erhaltenen Informationen zu Spendern strukturiert zu speichern und nicht zu löschen. Dies natürlich immer unter Berücksichtigung der entsprechenden Datenschutzaspekte. So erfolgt die Verarbeitung bei uns selbstverständlich unter den gültigen Datenschutzgesetzen und -vorschriften. Die Standards, die mit der EU-DSGVO im Bereich Datenschutz festgelegt worden sind, halten wir übrigens schon seit Jahren ein.

Um den Unterschied beider Verfahren noch einmal zu verdeutlichen: Ein RFM-Verfahren sagt uns mittels Anwendung einer subjektiven Bewertung, ob eine Person spendenbereit ist oder eben nicht. Das Scoring kann uns dagegen sagen, wie hoch die Spendenbereitschaft einer Person ist und in Kombination mit entsprechenden Prognoseverfahren wie hoch die Spende voraussichtlich ausfallen wird.

Fundraising-Echo: Und wie wird dann sichergestellt, dass das Scoring-Modell aktuell bleibt? Wenn ich zu alte Daten einfließen lasse, ist doch die Präzision auch dahin?

Christian Noack: Natürlich dürfen die Daten nicht zu alt sein, um keine fehlerhaften Schlüsse zu ziehen. Damit das Scoring akkurat arbeiten kann, brauchen wir eine Basis, auf der man das Modell aufbaut. Das ist vor allem dann wichtig, wenn ein Scoring für einen Kunden zum ersten Mal durchgeführt wird. Hier nehmen wir dann Daten aus den letzten beispielsweise drei Jahren und „füttern“ damit das Verfahren.

Vereinfacht ausgedrückt passiert dann Folgendes: Wir nehmen eine alte Aktion und wenden den neu entwickelten Score auf die damals eingesetzten Adressen an. Dann vergleichen wir, ob die tatsächlichen Ergebnisse von damals den neu berechneten Scoring-Segmenten entsprechen. Im Idealfall haben die vom Modell als top bewertenden Adressen (Segment 1) damals besser reagiert als die weniger gut bewerteten. Die Reihenfolge der Scoring-Segmente muss sich in den tatsächlichen Ergebnissen wiederspiegeln. Tun sie das nicht, wird so lange am Modell gearbeitet, bis sich das Ergebnis von damals in den Scoring-Segmenten wiederfindet.

Dieses Prozedere wiederholen wir bei weiteren, bereits gelaufenen Kampagnen. So kann ohne kostenintensive Testkampagne zunächst „im Labor“ gescored und optimiert werden. Der so ermittelte Score bildet dann die Basis für erste reale Kampagnen. Alle dann aus den folgenden Kampagnen resultierenden Ergebnisse fließen wiederum in das Scoring-Verfahren ein. So wird sichergestellt, dass der Score immer auf den neuesten Erkenntnissen basiert.

Fundraising-Echo: Wofür können denn Daten eingesetzt werden, die 10 Jahre oder sogar noch älter sind?

Christian Noack: Die sind beispielsweise wichtig, um Trends zu erkennen. Folgendes Szenario: In den letzten zwei Jahren zeichnete sich ab, dass das Einkommen Auswirkungen auf die Spendenbereitschaft hat. Damit wir erkennen können, ob das ein kurzzeitiges Phänomen ist oder auch längerfristig anhält, müssen wir Daten auswerten, die weit genug zurückreichen.

Fundraising-Echo: Mit den Daten aus der Vergangenheit, kann ich also auch auf zukünftige Entwicklungen schließen. Ist das nur für die Trenderkennung interessant?

Christian Noack: Absolut nicht! Mit dem Scoring können wir eine geplante Kampagne retrospektiv testen. Das heißt, wir können schon vor der Kampagne einschätzen, ob diese rentabel sein wird oder nicht. Dafür untersuchen wir mit den vorliegenden Daten aus vorangegangenen Mailings, wie sich die Response verteilen würde. Ist die Verteilung vor allem in den oberen Segmenten angesiedelt, wird die Kampagne rentabel laufen. Ist die Verteilung eher in den unteren Segmenten oder gestreut, wird sie sich nicht lohnen.

Fundraising-Echo: Wie viele Adressen und Merkmale werden denn benötigt, damit sich das Scoring lohnt?

Christian Noack: Pauschal lässt sich das nicht sagen. Generell gilt: Nimm alles, was du kriegen kannst. Wenn wir zu wenig Adressen haben, werden die Segmente zu klein. Haben wir nicht genug Merkmale, leidet die Aussagekraft. Aber keine Panik. Die Merkmale müssen unsere Kunden nicht selbst zusammentragen und manche Merkmale lassen sich auch aus der Adresse ableiten. Beispielsweise können wir an der Anrede das Geschlecht erkennen. Die Postleitzahl zeigt uns nicht nur den Wohnort, sondern auch wie weit die Person von der nächsten Großstadt entfernt lebt. Per se gibt es erstmal keine Information, die zu banal ist.

Fundraising-Echo: Kann das Scoring denn auch durch andere Selektionskriterien ergänzt werden? Beispielsweise, um bestimmte Spendergruppen am Scoring vorbei in eine Kampagne laufen zu lassen?

Christian Noack: Idealerweise sollten alle Kriterien, die auf den Erfolg einer Kampagne Einfluss haben können, in das Scoring-Modell einfließen. Sollte dies nicht möglich sein, lassen sich kampagnenabhängig bestimmte Adressgruppen auch am Scoring vorbei definieren. Ein Beispiel sind Spender auf ausgewählte Kampagnen, die eng mit der aktuellen Aktion im Zusammenhang stehen.

Fundraising-Echo: Lassen sich die Auswirkungen eines Scorings auf den Erfolg einer Kampagne überhaupt messen?

Christian Noack: Ja, dafür macht man einen Vergleich und lässt zwei Analyse-Verfahren gegeneinander laufen. Das machen wir auch. Dabei werden Adressen aus einem identischen Datensatz mit dem RFM-Verfahren und mit Adress-Scoring ausgewählt. Dann wird ein Test-Mailing verschickt. Das Ergebnis: Beim Scoring ist die Response deutlich höher als beim RFM. 

 

Scoring-Modelle gibt es unter anderem für: aktive Spender, z.B. Upgrade oder Lastschriftgewinnung | Reaktivierung inaktiver Spender | Neuspendergewinnung | Telefon-Fundraising. 
Für weitergehende Informationen zum Adress-Scoring und den Produkten der SAZ, wenden Sie sich an E-Mail: marketing@saz.com, Tel +49 (0) 5137 88 1444.
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