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von Dr. Christian Gahrmann

Europäische Corona-Umfrage unter Fundraiser*innen: meine 3 Take-Aways

Umfragen, die den Vergleich zwischen unterschiedlichen Ländern erlauben, sind immer besonders erhellend. Das zeigt auch die Umfrage der European Fundraising Association zu den Auswirkungen von Covid-19 auf Spendenorganisationen im vergangenen Jahr *, deren Ergebnisse jetzt vorliegen. Drei Punkte sind mir besonders ins Auge gefallen.

  • Erstens, eine große Mehrheit der Fundraiser*innen in Europa will folgende drei Konsequenzen aus der Corona-Pandemie ziehen: 70 Prozent der Befragten planen, das digitale Fundraising ihrer Organisation auszubauen, 60 Prozent wollen die Zahl ihrer Fundraising-Kanäle weiter diversifizieren und 40 Prozent erkennen, dass sie in Zukunft der Pflege der Beziehung zu ihren bestehenden Spendern ein größeres Augenmerk geben sollten. Auch mir scheinen das die wesentlichen Erkenntnisse zu sein, die wir Fundraiser*innen aus der Pandemie und ihren Auswirkungen ziehen sollten. Was seit 1995 und der Eröffnung einer neuen Welt durch t-online und AOL in einem stetigen Wachstum verlief, hat in der Corona-Pandemie einen riesigen Teilchenbeschleuniger gefunden. Auch in unserer älteren Haupt-Zielgruppe wird es nach Corona kaum noch jemanden geben, der nicht digital kommuniziert und digital angesprochen werden kann. Außerdem: Eine Diversifikation der Kanäle bedeutet a) mehr Sicherheit und b) eine Verstärkung der Botschaft beim Empfänger. Und bei der Beziehungspflege zeigen alle Gespräche mit Kolleg*innen: Je enger die Spender*innen vor (und natürlich während) Corona betreut wurden, desto besser kommt die Organisation durch die Krise.
     
  • Zweitens, in allen Ländern war es für Fundraiser*innen die größte Herausforderung, trotz Corona genügend Spenden zu sammeln. Nur die Deutschen hatten andere Probleme … nämlich erst einmal die digitalen Fähigkeiten zu verbessern (58 Prozent). Eine Erkenntnis, die reichlich spät kommt! Corona zeigt auch der letzten Spendenorganisation: Am digitalen Fundraising kommt sie nicht mehr vorbei. Keine Organisation kann es sich mehr erlauben, auf bequeme Online-Zahlungssysteme zu verzichten, in ihrer Datenbank die E-Mail-Adressen ihrer Spender*innen zu vernachlässigen und Facebook & Co. „so nebenbei“ zu machen. Corona macht klar: Es ist Zeit zu investieren – und zwar in die wichtigste Ressource jeder Organisation: die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter*innen.
     
  • Drittens, die für deutsche Organisationen so wichtigen Spendenbriefe werden offenbar nur noch in Deutschland und Italien genutzt (70 Prozent gegenüber 40 Prozent im europäischen Durchschnitt). In Frankreich sind sie völlig aus der Mode (20 Prozent). Das überrascht! Was für uns in Deutschland wie selbstverständlich noch immer meist die tragende Säule unserer Fundraising-Bemühungen ist, spielt in vielen anderen europäischen Ländern nur (noch) eine untergeordnete Rolle. Das heißt nicht, dass wir in Deutschland etwas grundlegend falsch machen. Kulturen – auch Spenden-Kulturen – sind von Land zu Land unterschiedlich. Und viele unserer Spender*innen lieben es, einen sorgfältig gestalteten und warmherzig geschriebenen Brief in der Hand zu halten. Aber es zeigt doch: Der Spendenbrief ist nicht ersatzlos. Viele Nonprofit-Organisationen unserer europäischen Nachbarn machen auch ohne ihn erfolgreiches Fundraising – und das dürfte dann im Wesentlichen digital verlaufen.

Eine Frage zum Schluss: Kennen Sie das chinesische Wort für Krise? Es heißt Weiji. Dabei heißt „Wei“ Gefahr und „ji“ die Chance. Die alten Chinesen konnten von Corona noch nichts wissen. Aber sie hatten ein Gespür dafür, wie wichtig es ist, eine Krise auch als Chance zu verstehen.

*An der Online-Umfrage nahmen insgesamt 797 Nonprofit-Organisationen aus 26 europäischen Ländern – insbesondere aus Großbritannien, Deutschland, Italien, Niederlande, Spanien und Frankreich – teil. Die Umfrage fand von Juli 2020 bis Ende Oktober 2020 statt.

 


 

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Dr. Christian Gahrmann

Dr. Christian Gahrmann ist Experte für strategisches Fundraising und passionierter Geschichtenerzähler. Nach Stationen als Fundraiser bei der Deutschen Diabetes-Stiftung, Roland Berger Strategy Consultants und der China-EU School of Law arbeitet Christian Gahrmann seit 2012 als selbständiger Fundraising-Berater (www.christian-gahrmann.de). Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehört u. a. die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung von Fundraising in den sozialen Medien. Er ist Gründer der größten Fundraiser-Community (www.nachhaltiges-fundraising-de) und der größten Spender-Community (www.traumspender.de) auf Facebook.

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