Kolumne
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von Dr. Christoph Müllerleile

Nähe schaffen trotz Distanz

Nähe schaffen ist für mich das wichtigste Erfolgsrezept beim Fundraising. Spender*innen wollen wissen, dass sie persönlich gemeint sind, dass ihr Beitrag zählt, dass die Fundraiser*innen, die um Zuwendung bitten, sich wirklich Mühe geben, ihnen so nahe zu kommen, wie sie es zulassen.

Jemandem nahe zu kommen, ohne aufdringlich zu sein, ist das Geheimnis erfolgreichen Fundraisings. Dafür ist das gute alte Mailing unverzichtbar. Der Vordenker des deutschen Dialogmarketings, Siegfried Vögele, hat auf zahllosen Seminaren vorgemacht, wie sich mit einem Stück Papier, das die Menschen greifbar vor sich haben, Nähe erzeugen lässt. Da ist die persönliche Adresse, richtig geschrieben und mit der korrekten Anrede versehen, der gut gestaltete Umschlag, der zum Öffnen veranlasst, ein schlichter Brief mit bebilderter Geschichte und einem beigefügten Zahlungsträger, der konventionell beim Kreditinstitut eingereicht werden kann, aber heute auch einen QR-Code für spontanes Handyzahlen aufweisen sollte.

Über Beilagen kann man lange streiten. Sendungen mit kleinen Aufmerksamkeiten wie Kugelschreibern, Weihnachtskarten und Adressaufklebern werden geöffnet, weil niemand gerne Geschenke wegwirft. Sie lösen aber keine dankbare Freude aus, sondern eher die Fragen, ob bei so viel Aufwand überhaupt etwas übrigbleibt oder was das Geschenk mit dem Anliegen zu tun hat. Mehrheitlich ist die Spende dann ein kleiner Deckungsbeitrag zu den Kosten und Mühen, die sich die Absender*innen gemacht haben, aber kein Grund, sich dauerhaft zu binden; der Mehrheit der Angesprochenen liefern unverlangte Geschenke eher Ausredegründe, sich gegen die erste Spende und künftige Zuwendungen zu entscheiden.

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

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Eine bessere Möglichkeit, nachhaltig Nähe zu gewinnen, bietet die ausgefeilte Gestaltung der Botschaften selbst. Erstbriefe oder Mails sind so zu verfassen, wie man sie einem guten, aber noch skeptischen Bekannten schreiben würde. Handgeschriebene Briefe oder Notizen wirken selbst dann persönlich, wenn die Schrift schlecht, aber lesbar ist. Zumindest die Begrüßung und die Unterschrift sollten so aussehen, als wären sie handschriftlich aufgetragen. Bei kleinen Auflagen sollten sie das auch tatsächlich sein.

 

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Mann unterzeichnet Brief

Durch die handschriftliche Unterschrift bekommt das Mailing eine persönliche Note.

Zu den vertrauensbildenden Maßnahmen eines Briefes gehören der Status des oder der Absenders*in, ein sympathisches Bild und die Art der Unterschrift. Wenn Verfasser*innen sich dabei keine Mühe geben, ist der Brief so gut wie im Papierkorb. Die Unterschrift darf nicht hingekritzelt, eigenbrötlerisch oder gekünstelt aussehen, sondern muss im besten Sinne zugewandt sein.

Nähe erzeugen Briefe auch, wenn sie zwischen Duz- und Siezform unterscheiden. Ein guter Duz-Freund, der gesiezt wird, weiß sogleich, dass er nicht persönlich gemeint ist, ein verschenkter Erfolgsfaktor.

Keine Nähe entsteht durch nervige Wiederholungen des Namens von Adressat*innen im selben Brief, denn so würde niemand dem*der guten Bekannten schreiben. Dieser Stil entspricht dem von Verkäufer*innen, die sich des Kundennamens bemächtigen und ihn dann sofort wieder vergessen, wenn der*die Umworbene den Laden verlassen hat.

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Dass auch digital übermittelte Botschaften Potenzial haben, Nähe zu schaffen, liegt an ihrer Aktualität, der Flexibilität bei Segmentierung, Produktion und Vertrieb, den sich ständig verbessernden technischen Möglichkeiten und der zunehmenden Akzeptanz quer durch alle Altersgruppen. Vor allem über die sozialen Medien lassen sich Appelle schnell in großer Zahl an affine Zielgruppen verbreiten und durch audiovisuelle Inhalte ergänzen. Die Responsemöglichkeiten sind vielfältig, erfordern aber wegen der schnellen Reaktionszeiten besonderen organisatorischen Aufwand, um „Likes“ in spontane Handlungen zu transformieren. Anders als papierne Werbeträger sind digitale Botschaften flüchtig und für längere Abwägungen weniger geeignet.

Um aus spontaner Zuwendungsbereitschaft dauerhafte Bindung entstehen zu lassen, bedarf es letztlich analoger Nähe. Schließlich werden die guten Werke, die durch Fundraising ermöglicht werden sollen, ausschließlich in der realen Welt getätigt.

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Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de

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