Fremde Wörter

Müllerleile Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile meint ...
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Von Dr. Christoph Müllerleile

Vielleicht bin ich altmodisch. Von meinem Alter her ganz sicher. Aber natürlich respektiere ich das anglophone Fachvokabular der Branche, besonders dann, wenn die Fachwörter in den USA oder Großbritannien entstanden und uns dazu keine deutschen Übertragungen eingefallen sind. Fundraising lässt sich zwar mit „Mittelbeschaffung für gemeinwohlorientierte Zwecke“ übersetzen, aber wer sagt das schon. Marketing wäre mit Absatzförderung eher unvollständig übersetzt. Aber für anderes gibt es durchaus deutsche Bezeichnungen, die früher gebraucht wurden als die englischen.

Mir hat es fast die Schuhe ausgezogen, als ich in einem Artikel eines renommierten Fachmagazins mit Begriffen wie Customer Lifecycle (Dauer der Kundenbeziehung), Human Touchpoints (persönliche Begegnung mit Förderern), Call-to-Action (Spendenbitte), User (Förderer), remindern (erinnern) und re-remindern (erneut erinnern) überfallen wurde. Besonders putzig finde ich die Donor Journey (Spenderhistorie), auch wenn kein Vortrag oder Artikel ohne den Begriff aus der Reisebranche auszukommen scheint. Förderer sollen auf eine Reise durch einen virtuellen Spendentunnel ohne Ausstiegsmöglichkeit geschickt werden. Oder verstehe ich da etwas falsch?

Natürlich hat jeder neue Berufszweig das Recht, sich hinter eigenen wissenschaftlichen Begriffen und undurchdringlichem Fachvokabular zu verschanzen. Solange das keiner mitbekommt, ist das ok. Leider bleibt es nicht aus, dass jemand mit diesen gestanzten Spezialitäten vor einen ahnungslosen Vorstand tritt, dessen Bereitschaft, Verständnis oder sagen wir mal auf neudeutsch institutional readiness (betriebsinterne Akzeptanz) fürs Fundraising zu gewinnen, mit jedem Touchpoint tiefer sinkt. Wenn der clevere Präsenter dann auch noch mit prospects (potenzielle Förderer), Dropoff Rate (Fördererschwund), Breakeven Point (Rentabilitätsschwelle), Return on Investment (Verhältnis von Kosten zu Ertrag) und Customer Lifetime Value (Förderertrag des Kunden über den Zeitraum der Fördertätigkeit) kommt, schrillen die Alarmglocken.

Ich habe noch gut in Erinnerung, wie ein Fernsehteam bei einem frühen Fundraising-Kongress unser Vokabular zum Erbschaftsmarketing förmlich aufsaugte, und vor einem unvorbereiteten Fernsehpublikum ausspie. Dem Ansehen unseres Berufsstandes hat das sicherlich nicht genützt. Das Publikumsurteil „Abzocker“ ist urdeutsch. Vor laufender Kamera hatte bei anderer Gelegenheit ein Fundraiser das Erbschaftsfundraising selbstironisch als „Witwenklatschen“ bezeichnet. Das allerdings hätte er lieber auf Englisch sagen sollen.
 

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@fundraising-buero.de
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