Fundraiser bleiben Medienleuten suspekt

Von Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph Müllerleile © Dr. Christoph Müllerleile

 

Es gibt Berufsgruppen und Tätigkeiten, bei denen packt Journalisten gerne die Empörung. Dazu gehört das Fundraising, verkörpert durch Fundraiserinnen und Fundraiser. Alles was in den Bereich Werbung, Marketing und PR gehört, ist per se der Verführung und Täuschung verdächtig. Schließlich werden Kunden ja zu etwas bewegt, das sie ursprünglich nicht vorhatten. Wenn Käufer sich nur für die Produkte entscheiden würden, die sie sich in den Kopf gesetzt haben, bedürfte es umlenkender Werbemaßnahmen oder der Vermarktung von Alternativen nicht. Wenn man die Menschen brav für das spenden ließe, was sie schon kennen, bedürfte es vielleicht einer kleinen Erinnerung, dass mal wieder Spendensonntag ist oder man nun mit achtzig auch ans Testament denken könnte. Ein professionell ausgestattetes Fundraising wäre zu viel des Guten.

Nun gibt es viele gute Zwecke, an die so leicht niemand denkt, neue Ideen, die gefördert werden wollen, Notlagen, die noch unbekannt sind. Ähnlich wie bei kommerziellen Produkten müssen sie bekannt gemacht und direkt vermarktet werden. Dabei muss es sauber, ehrlich, offen und transparent zugehen. Wie schmerzlich Verbrauchertäuschung besonders in den USA geahndet wird, erleben wir gerade jetzt an prominenten Beispielen. Wählertäuschung kann durch Stimmenentzug bestraft werden. Aber Vertrauensmissbrauch im Fundraising hat, solange es sich nicht um Straftatbestände handelt, oft nur einen wirksamen Ahnder, nämlich die Massenmedien. Dank ihrer starken Verbreitung und hohen Glaubwürdigkeit sind sie Anwalt der kleinen Leute, vor allem wenn es um moralische Fragen geht. Dabei werden gerne Vorurteile bedient. Und wenn es ein Musterland gibt, wo das geradezu schablonenhaft geschieht, dann Großbritannien.

„Umgebracht von ihrer Großzügigkeit“, titelte die „Sun“, „Der skrupellose Wohltätigkeitssektor hat Blut an seinen Händen“, schimpfte das Boulevardblatt „Express“ im Mai vergangenen Jahres nach dem Selbstmord einer 92-Jährigen in Bristol, die 76 Jahre lang ehrenamtlich Spenden sammelte und dem Ansturm von Bettelbriefen und -anrufen, die sie selbst erhielt, angeblich nicht mehr gewachsen war. Im „Express“ liest sich das dann so: „Nach 92 Jahren war ihr unermüdlicher Geist gebrochen und Tod der einzige Ausweg aus der Folter hunderter Briefe und Anrufe, die sie um immer mehr Geld für gute Zwecke anbettelten ... Eine wundervolle alte Dame mit einem Herz aus Gold war von Parasiten in den Tod gejagt worden, die ihr Geld mit der Ausbeutung der Alten und Schwachen machen, indem sie sie überreden, auch noch ihr Letztes mit ihnen zu teilen. Diese Schande werden sie nie mehr los. ... Am Ende hätte Olive selbst Hilfe gebraucht. Aber da war keine Spendenorganisation, die ihr an dem schrecklichen Tag zu Seite stand, als sie in den Tod sprang.“

Etwas gemäßigter berichteten Independent, Daily Mail und andere, trotzdem war es ein Schlag für das Fundraising. Olive Cook bekam angeblich im Durchschnitt 260 Briefe pro Woche und hatte zuletzt Lastschriften bei 27 Organisationen. Nur die Lokalzeitung in Bristol und die Angehörigen nannten die ausschlaggebenden Gründe des Selbstmords: Krankheit, Depression und Schlafprobleme.

Der Fall landete vor dem Unterhaus-Ausschuss für öffentliche Verwaltung, wo die großen Charitys und der Fundraising-Fachverband einen schweren Stand hatten. Ihnen wurde entgegengehalten, sie wollten über dem Gesetz stehen. Eine Charity redete sich mit den von ihr beauftragten Agenturen heraus. Schärfere staatliche Regeln gegen unerwünschte Post sind jetzt in Arbeit.

Ähnliches kann durchaus auch in Deutschland passieren, und die Schlagzeilen wären ähnlich gnadenlos. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen der Medien-Berichterstattung über das Spenden an sich und das Fundraising, denn das Spenden für gute Zwecke findet täglich auf vielen Kanälen und Seiten statt, und Spenden werden ja auch von den Medien selbst gerne gesammelt.

Wenn es aber um professionelles Fundraising geht, herrscht journalistisches Unverständnis bis Ablehnung. Was wir bei vielen Mitmenschen bis in die NGO-Vorstände hinein erleben, setzt sich hier fort. Professionelle Vermarktung guter Zwecke bleibt suspekt. Ein Medium, das in diese Kerbe haut, hat stets ein verständiges Publikum.

Ich glaube nicht, dass sich dieses Vorurteil in Deutschland je überwinden lässt. Nicht durch Bücher, aufklärende Gespräche, Bitten um Wohlwollen. Mönch Tetzel scheint immer noch am Werk. Darauf sollten Fundraiserinnen und Fundraiser sich einstellen. Es ist nicht ratsam, mit einem fachlich unvorbereiteten Publikum über Methoden und Instrumente des Marketings zu reden und Verständnis zu erwarten. Im Vordergrund steht immer, was eine NPO tut, nicht wie sie die Ressourcen dafür beschafft.

Wenn allerdings Falsches übers Fundraising in den Medien steht, muss sofort reagiert werden, noch bevor der Betroffenheitskanon des sich selbst zitierenden Journalismus anläuft. Wenn sich die neue PR-Taskforce des Fundraising-Verbands darüber Gedanken macht, liegt sie richtig.

 

Dr. Christoph Müllerleile ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: info@fundraising-buero.de

 

Publikation: