Fundraising-Beraterin und Capital-Campaign-Expertin Marita Haibach antwortet

Wenn Sie 100.000 Euro frei zur Verfügung hätten, wen würden Sie unterstützen?

Marita Haibach Marita Haibach meint: Prospect Research (Spenderrecherchen) muss im Fundraising einen höheren Stellenwert erhalten. © WagenpfeilIch würde in Las Tunas in Kuba, der Heimatstadt meines Mannes, eine Gruppe von Frauen aufbauen und dabei unterstützen, ein Gründerinnen- und Unternehmerinnenzentrum nach dem Vorbild des Vereins Frauenbetriebe in Frankfurt/Main (heute „Jumpp“) zu schaffen. Die Möglichkeiten, sich als Kleinunternehmer/-in selbstständig zu machen, sind in Kuba rechtlich erweitert worden. De facto fehlt es aber meist sowohl an Startkapital als auch an Erfahrung, was Selbstständigmachen in der Praxis bedeutet. Unternehmerische Kompetenz, Marketing, Erstellung von Business-Plänen und Anderes mehr war bislang in dem bürokratisch-autoritären Staat nicht gefragt. Meist sind es eher Männer, die Unternehmen gründen, denn der Familienalltag hängt stark an den Frauen. Dieser ist aufgrund der schwierigen Versorgungslage und auch weil technische Geräte wie Waschmaschinen & Co. fehlen, stark vereinnahmend. Dabei sind Frauen, wie wir aus Deutschland und vielen anderen Ländern wissen, erfolgreiche Selbstständige, wenn man sie dazu ermutigt, ihnen das notwendige Know-how vermittelt und sie darin unterstützt, Familie und Beruf in Einklang zu bringen.

Welche herausragende Fundraising-Kampagne/-Initiative hat Sie in den letzten Jahren besonders beeindruckt?

Mir hat die Capital Campaign für den Erweiterungsbau des Städel Museums in Frankfurt am Main besonders imponiert. Dabei wurden 27 Millionen Euro an privaten Fördermitteln eingeworben. Im deutschsprachigen Raum gibt es bislang lediglich einzelne Beispiele für erfolgreiche Capital Campaigns mit Finanzzielen in mehrstelliger Millionenhöhe. Ein entscheidender Erfolgsfaktor war das systematische Großspenden-Fundraising. Alle Fäden liefen bei dem Fundraising-Team zusammen. Zusätzlich brachte sich die Führung, allen voran Max Hollein, der Museumsdirektor, und ehrenamtlich Sylvia von Metzler, Vorsitzende des Städelschen Museumsvereins, sehr aktiv ein. Gut geplante und gemanagte Capital Campaigns wirken identitätsstiftend, schaffen Fokussierung und Motivation für das Fundraising. Sie bringen Spendenbeträge in oft erstaunlichen Größenordnungen zusammen. Die Potenziale auf der Fördererseite sind auch hierzulande vorhanden. Es ist an der Zeit, dass auch andere Beispiele folgen.

Womit sollten sich Fundraiser Ihrer Meinung nach noch intensiver beschäftigen?

Prospect Research gehört zwar zum Alltag vieler Großspenden-Fundraiser/-innen. Meist wird aber diese wichtige Aufgabe nebenbei erledigt. Spenderrecherchen sind eine wesentliche Voraussetzung für die maßgeschneiderte Beziehungsgestaltung im Großspenden-Fundraising, ebenso wie Förderbitten. Mitarbeiter/-innen, die sich regelmäßig und systematisch den Spenderrecherchen widmen, sind die große Ausnahme. Um eine signifikante Steigerung der Zahl und des Volumens von hohen Spendenbeträgen zu erreichen, ist es an der Zeit, dass Prospect Research einen höheren Stellenwert erhält. In Großbritannien gewann das systematisch-strategische Großspenden-Fundraising an Fahrt, als spendensammelnde Organisationen seit Ende der 1980er Jahre stetig Prospect Research-Stellen einrichteten.

Welche Zukunftstrends sehen Sie?

Die Einwerbung höherer Spendenbeträge wird künftig eine noch größere Rolle spielen. Dem steht allerdings gegenüber, dass die Bereitschaft in eine größere Zahl an Personalstellen für das Großspenden-Fundraising zu investieren, nach wie vor zu gering ist. Das Thema, dass Input und Output beim Fundraising in einem engen Zusammenhang stehen, hat sich hierzulande inzwischen zwar größere Anerkennung verschafft, dennoch sind befristete Stellen und eine zu geringe Personalausstattung vielerorts nach wie vor die Normalität.

Die Geschwindigkeit der Entwicklung neuer Tools, möglichst digital, ist atemberaubend, auch im Fundraising. Vieles hat sein Gutes, eröffnet neue Wege und Potenziale. Gleichzeitig aber überfordert dies viele Organisationen und auch deren Fundraiser/-innen. Dem steht gegenüber, dass beispielsweise bei der Einwerbung von hohen Spendenbeträgen Geduld und langer Atem notwendig sind. Es ist dringend notwendig, dass schnelle Reaktion und langfristig angelegtes Handeln im Fundraising wieder in eine realistischere und zugleich sinnvolle Balance kommt.

Gibt es eine Veröffentlichung, die Sie Fundraisern empfehlen würden?

In dem 2016 erschienenen Werk „Fundraising – Principles and Practice“ kombiniert Michael J. Worth, Professor of Nonprofit Management an der George Washington University in Washington, D.C., einen fundierten wissenschaftlichen Überblick mit praktischen Anwendungsbeispielen. Es ist beispielsweise spannend zu erfahren, wer welche Fachbegriffe ursprünglich kreiert hat und wie diese sich weiterentwickelt haben.

Wie lautet Ihr persönliches Fundraising-Motto?

Spenderinnen und Spender sind keine Objekte oder wandelnde Geldscheine, sondern Menschen wie Du und ich. Fundraising ist kein Selbstzweck. Ziel ist es, Menschen dafür zu begeistern, Philanthropie aktiv zu leben und sich für die Vision einer besseren Welt zu engagieren.

 

Dr. Marita Haibach ist seit 1991 als Fundraising-Beraterin, Autorin und Coach tätig. Sie ist Mitinitiatorin des Major Giving Institute, das seit 2013 eine Weiterbildung zur Qualifizierung von Großspenden-Fundraiser/-innen anbietet. Marita Haibach war entscheidend am Aufbau des Deutschen Fundraising Verbands und der European Fundraising Association beteiligt, gehört zu den Mitinitiatorinnen der Fundraising Akademie, der Stiftung Filia und des PECUNIA Erbinnen-Netzwerkes. Für ihr Engagement wurde sie 2009 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und 2010 mit dem Deutschen Fundraising-Preis ausgezeichnet.
 
Kontakt: mh@marita-haibach.de, www.marita-haibach.de, www.major-giving-institute.org

 

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