Kolumne
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Fundraising für Waffen?

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Nach ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest in Turin kündigte die ukrainische Band Kalush Orchestra eine Europa-Tournee an. „Und bei jeder Veranstaltung werden wir Gelder für den Bedarf der Armee und für Wohltätigkeit sammeln,“ sagte Sänger Oleh Psiuk nach der Rückkehr in Lwiw. Außerdem solle die ESC-Siegestrophäe versteigert werden. „Wir möchten die Statuette verkaufen, um Gelder für die Ukraine zu sammeln,“ kündigte der Frontman an. Fundraising für den Krieg.

Gute Zwecke sind immer relativ und dem Zeitgeist angepasst. Wenn ich Studierenden bei Seminaren erzählte, dass zu bestimmten Zeiten die Ausstattung der deutschen Kriegsflotte als guter Zweck galt und die Sammlung dafür erhebliche Summen einbrachte, schüttelten manche ungläubig den Kopf. Fundraising für Kriege, auch zum Kauf von Waffen, gab es in der Vergangenheit eher selten. Denn die Kosten von bewaffneten Auseinandersetzungen sprengten zu allen Zeiten alles, was durch freiwillige Gaben hätte zusammengetragen werden können. Die meisten Mittel für Kriegshandlungen kamen durch Zwangsrekrutierung, Sondersteuern, Raub und Plünderungen herein. Auch gab es immer Freiwillige, die Leben und Gesundheit in die Waagschale warfen, um reich zu werden und/oder weil sie sich einer in ihren Augen gerechten Sache verpflichtet fühlten.

Um freiwillige Spenden für Waffen einzuwerben, bedurfte es starker Impulse und eines immensen gesellschaftlichen Drucks. Eine solche Gelegenheit bot sich bei der Befreiung Europas von der napoleonischen Herrschaft nach dessen Russland-Niederlage.

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

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„Gold gab ich für Eisen“ war die Parole für Sammlungen bei der Bevölkerung in Preußen und den verbündeten Staaten in den Befreiungskriegen von 1813, die in die sogenannte Völkerschlacht bei Leipzig und dann in den endgültigen Sieg in Waterloo 1815 mündeten. Überall spendeten patriotisch Gesinnte Schmuck und Gold für die Ausrüstung der Heere und bekamen dafür Ringe und Medaillen aus Eisen, die sie auch bei festlichen Anlässen trugen. Bloßgestellt waren alle, die ihren Familienschmuck nicht hergeben wollten.

Die Kriegsspendenaktion wurde im Ersten Weltkrieg wiederholt und generierte erneut beträchtliche Summen für die Aufrüstung. Sie wurde flankiert von eigentümlichen Sammelaktionen wie den Kriegsnagelungen, deren Erlös den Veteranen des Krieges helfen und den Nichtkombattanten das Gefühl aktiver Kriegsbeteiligung geben sollten.

Kriegsunterstützend war auch das Winterhilfswerk unter dem NS-Regime im Zweiten Weltkrieg. Häufige Sammlungen, die wegen ihres gesellschaftlichen Zwangs Erpressungen gleichkamen, dienten der NS-Volkswohlfahrt und anderen sozialen Organisationen zur Versorgung der Armen, beugten Unruhen an der Heimatfront vor und wirkten entpolitisierend und disziplinierend.

Und was hat das alles mit der Ukraine zu tun? Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat überall riesige Hilfsbereitschaft ausgelöst. 6,5 Millionen Flüchtlinge sind untergebracht und je nach Kriegsverlauf noch mehr. Die Finanzämter haben bis Jahresende grünes Licht gegeben für eine großzügige steuerliche Anerkennung der Ukrainehilfe selbst von Organisationen, in deren Satzungen nichts dergleichen steht. Und kein Aufschrei ging durch die Friedensszene ob der Absicht, im befreundeten Ausland Geld für den Bedarf der ukrainischen Armee zu sammeln. Vorbei die Zeit, in der sich ein vom Kommunismus befreites Russland ähnlicher Sympathien und hoher Spendenbereitschaft erfreuen durfte. Und kaum dreißig Jahre her.

 

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Über den Kolumnisten

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de

 

 

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