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Fundraising vor Risiken schützen

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Es könnte sein, dass Fundraising-Einnahmen für den Rest des Jahres und auch im kommenden Jahr geringer ausfallen als erwartet. Das kann Auswirkungen auf die Finanzierung von Projekten und Personal haben, vor allem bei Organisationen, die stark von freiwilligen Zuwendungen abhängig sind. Um die Lage richtig einzuschätzen und auch den aufsichtführenden Gremien reinen Wein einzuschenken, sollte jede NGO einmal im Jahr, am besten rechtzeitig vor Beginn des neuen Geschäftsjahres, einen Risikobericht erstellen, der sich auf alle Bereiche der Tätigkeit der Körperschaft bezieht.

Wenn es nicht zu einem Risikobericht für die ganze Organisation reicht, sollte zumindest der Bereich Fundraising und Kommunikation das bewährte Instrument nutzen und seine Befunde und Prognosen Vorstand und Aufsichtsgremien vorlegen.

Ich lese gerade den Bericht einer professionell geführten Organisation, der Risiken aufzeigt, ihre Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet und Maßnahmen zur Schadensbegrenzung vorschlägt. Der das Fundraising betreffende Teil des Berichts beginnt mit dem Liquiditätsrisiko, das durch Ausbleiben erwarteter Zuwendungen entstehen könnte. Hier sorgen Rücklagen dafür, dass Zahlungsverpflichtungen rechtzeitig erfüllt und auch das Personal pünktlich entlohnt werden kann. Nicht beeinflussen kann die Organisation die globale Finanzentwicklung. Verhindert werden kann auch nicht, dass sich das Renommee der Finanzinstitute, mit denen die Organisation zusammenarbeitet, durch Verstrickungen in Finanzskandale verschlechtert. Aber erwähnt werden muss die Möglichkeit im Risikobericht samt ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit trotzdem.

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

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Zu den Risiken gehört auch die anhaltende Niedrigzinssituation, die sich bei kapitalfinanzierten Stiftungen und bei der Anlage der Rücklagen als Nullsummenspiel oder Verlustgeschäft erweisen kann. Dem gegenüber stehen angesichts steigender Inflation höhere Ausgaben für Fundraising-Maßnahmen und Projektfinanzierung.

Immer aktueller wird das Risiko einer Unterwanderung der Datensicherungssysteme von Organisationen, vor allem wenn es sich um NGOs handelt, die politischen Einfluss haben. Im Raum steht immer ein möglicher Verlust der Gemeinnützigkeit, der schon durch unwesentliche steuerrechtliche, auch lohnsteuerrechtliche, Verstöße und eine falsche Beurteilung von Geschäftsvorfällen zustande kommen kann. Auch arbeitsrechtliche Fehler beim Abschluss von Personalverträgen können sich auf die Praxis der Steuerbegünstigung auswirken. Riskant sind Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union, die nicht nur durch eigene Unkenntnis und Unachtsamkeit, sondern auch durch mangelnde Aufsicht von Dienstleistern entstehen können.

Zu Verlusten können Erkrankungen und Erschöpfung überlasteten Personals, begleitet von sinkender Motivation, führen.

Am relevantesten für das Fundraising sind Einnahmeschwankungen durch externe Einflüsse. Die großen Einnahmebringer wie die Flutkatastrophe entlang der Rhein-Nebenflüsse und die Beseitigung der Flüchtlingsnot im Ukraine-Krieg entziehen möglicherweise anderen wichtigen Zwecken die Grundlage. Riesige Überschwemmungen wie die aktuelle in Pakistan und Hungersnöte überall in der Welt geraten zu Nebenschauplätzen und führen zu verteilter Hilfe und einer Anpassung von Hilfeleistungen. So beruft sich manche Organisation auf Hilfen im Ahrtal und in der Ukraine, die in der weltweiten Hilfe für sie eher Nebenschauplätze sind, nur um an Spenden- und Zuschussmittel zu kommen. Die öffentliche Wahrnehmung von Notständen ist sehr volatil. Wenn die Organisation den Mediengewohnheiten ihrer Klientel nicht folgt, brechen Einnahmen weg.

Zu den Risiken gehören Ineffizienz im Fundraising mangels funktionierender Strategien, durch institutionelle Ignoranz oder falschen Werbemitteleinsatz. Ein hohes Risiko besteht auch durch mediale Skandalisierung bestimmter Vorgänge innerhalb der Organisation, die zu nachhaltigem Schaden führen kann. Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den für Fundraising und für Kommunikation Zuständigen gefragt, denn Skandale werden in erster Linie durch Medien ausgelöst und aufrechterhalten. Hilfreich sind Compliance-Richtlinien und Krisenpläne.

Ein Risiko stellt auch die verspätete Umsetzung von Spenderintentionen dar. Gerade am Beispiel der Flutspenden an Ahr und Wupper lässt sich das verdeutlichen. Wenn von Schäden Betroffene im Flutgebiet in den Medien kundtun, dass sie von den gemeldeten Spendenmillionen noch nichts gesehen haben, wirkt sich das auf die Spendenbereitschaft aus. Besonders empfindlich sind hier Großspender, die aus ihrem Berufsleben eine rasche Umsetzung ihrer Direktiven gewöhnt sind.

Risiken gibt es beim Sponsoring. Angesichts der noch unklaren Kostenentwicklung bei Unternehmen und der Auswirkungen auf die Ertragslage könnte die Bereitschaft zum Sponsoring gemeinnütziger Einrichtungen und Tätigkeiten sinken.

Kritisch ist das Auftreten neuer Marktteilnehmer im gleichen Segment, die öffentlichkeitswirksamer werben als die etablierte Konkurrenz. Nicht zu unterschätzen sind auch Risiken aus erneuten Restriktionen im Gesundheitsbereich. Das kann direkte Kontakte zu Förderern bei Veranstaltungen und an Infoständen verhindern. Außerdem drohen Ausfälle im Personalbereich, auch bei Dienstleistern.

Auch der Ausfall von wichtigen Dienstleistern muss ins Kalkül einbezogen werden. Wenn Auftragsunternehmen Insolvenz anmelden oder durch Personal- und Materialengpässe nicht liefern können, entstehen Risiken.

Diese eher allgemeine Liste kann durch individuellen Zuschnitt beliebig ergänzt werden. Wichtig ist, dass Eintrittswahrscheinlichkeit und potenzieller Schaden realistisch bewertet werden und die vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen glaubwürdig sind.

 

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Über den Kolumnisten

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de

 

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