Fundraising wird immer digitaler

Von Maik Meid

Maik MeidMaik Meid beschreibt neue Wege in der Kommunikation mit Spendern. © Maik MeidDie Websites vieler gemeinnütziger Organisationen sind technisch, strukturell und inhaltlich veraltet und der Einsatz von Sozialen Medien wird vielfach eher als Gefahr denn als Chance gesehen. Hohe Daten­schutz­hürden erschweren eine Weiter­entwicklung in der digitalen Sphäre. Doch einige große Organisationen gehen bereits neue Wege in der Spender­kommunikation, andere akquirieren verstärkt oder ausschließlich online.

Unterwegs im Neuland

Im Jahr 2013 waren nach Angaben einer ARD-ZDF Online-Studie 77,2 Prozent der Deutschen regelmäßig online. Das bedeutet, dass diese Personen sich regelmäßig unter Nutzung verschiedener Endgeräte im Internet bewegen und dort unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten liegt Deutschland damit lediglich im Mittelfeld.

Die genannten 77 Prozent sind ein Querschnitt durch alle Bevölkerungsschichten. Menschen im Alter zwischen 14 und 40 sind bereits seit Jahren zu nahezu 100 Prozent regelmäßig online. Die Nutzung digitaler Kommunikation als auch der Vorteile und die Hinterfragung der Nachteile ist somit keine Frage des Alters, sondern vielmehr die der inneren Haltung einer Person oder einer Organisation.

Veränderungen in der Vergangenheit

Veränderungen in der Kommunikation prägten Menschen und die jeweilige Gesellschaft schon immer. Vor ca. 5000 Jahren entwickelten sich die ersten Keilschriften. Menschen konnten erstmals nachhaltige Botschaften hinterlassen. Im Mittelalter wurde durch Johannes Gutenberg der Buchdruck entwickelt, was letztlich die Reformationsbewegung in Deutschland beflügelte und gesellschaftlich als revolutionär bezeichnet werden kann.

Die kabelgebundene Telegrafie als Vorgänger der Telefonie und der Möglichkeit der einfachen und kostengünstigen Kommunikation zwischen Menschen und die Erfindung des Computers waren Voraussetzungen für die Entwicklung des Internets. In den ersten Jahren wurde das Internet lediglich dafür genutzt, Inhalte zu publizieren und diese von Nutzern abrufen zu lassen. Über E-Mails entstanden neue Kommunikationswege, welche die klassischen Briefe fast bedeutungslos werden ließen und die geschäftliche Kommunikation auf ein Vielfaches beschleunigte. Erste Chat-Systeme erlaubten die direkte und zeitgleiche textbasierte Kommunikation zwischen mehreren Nutzern. Erste kommerzielle digitale Angebote entstanden.

Durch die weitere Entwicklung der Internettechnologie entstand um die Jahrtausendwende herum die Möglichkeit, durch einfache Interaktionen im Netz als Nutzer selbst zum Protagonisten und Publizisten zu werden. Soziale Netzwerke entstanden und sprangen auf die gesellschaftliche Entwicklung auf. Menschen begannen zu publizieren, weil sie es konnten und dies durch die Senkung von Barrieren attraktiv wurde.

Digitaler Wandel der Zukunft

Inzwischen wird das Netz immer „schlauer“ und erkennt, welche Informationen Nutzerinnen und Nutzer zu welcher Zeit und an welchem Ort benötigen. Mit einem Smartphone oder anderen handlichen und mobilen Endgeräten kann nun jede Information an jedem beliebigen Ort der Welt in Sekundenschnelle recherchiert und auch verifiziert werden.

Es ist davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit sämtliche Dinge aus dem Bereich des alltäglichen Nutzens und Bedarfs durch das Internet ansteuerbar sein werden. Die „smarte Gesellschaft“ wird Realität; mit allen positiven wie negativen Faktoren. Die Herausforderungen für gemeinnützige Organisationen werden sein, neue und langfristige interessenten- und spenderbindende Muster zu erkennen und diese individuell für sich positiv in die eigene Arbeit einzubauen und zu nutzen.

Zurzeit können fünf Veränderungen definiert werden, die die Gesellschaft in absehbarer Zeit massiv beeinflussen werden.

„Social“: Immer mehr Kommunikationsinhalte erhalten einen „Social“-Charakter und werden öffentlich – teils bewusst und aktiv gewollt, teils unbewusst. Die Herausforderung für gemeinnützige Organisationen wird sein, trotz der Vielfalt von Kommunikation Teil der Lebenswelt eines Spenders zu werden oder zu bleiben. Wenn die vermittelten Inhalte für ihn tatsächlich von Bedeutung sind, können sie im Idealfall zu einer langfristigen Bindung führen.

Internet der Dinge: Jedes technische Gerät wird in absehbarer Zeit an das Datennetz angeschlossen sein. Diese Geräte werden miteinander kommunizieren und eigenständig notwendige Handlungen erkennen und sie auslösen. Beispielsweise werden miteinander kommunizierende Verkehrsmittel (Auto, Fahrrad, Bus) Verkehrsströme erkennen und neu steuern können. Spendenbehältnisse könnten mitteilen, wenn sie gefüllt sind und geleert werden müssen. Bisherige Medien (zum Beispiel Plakate) könnten in Dialog mit den Betrachtern treten und auf individuelle Relevanzen eingehen. Von Spendern unterstützte Projekte in anderen Ländern könnten völlig neu in die Kommunikation eingebunden werden. Es werden sich völlig neue Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen bieten.

Cloud: Das redundante Speichern von Daten auf lokalen Festplatten war schon immer aus ökonomischen Gründen zu hinterfragen. Die Auslagerung von Daten und Informationen an zentrale Speicherorte, die rund um die Uhr und an jedem Ort zur Verfügung stehen, ist bereits jetzt in vielen privaten und beruflichen Zusammenhängen Alltag. Fundraising-Software wird bereits jetzt häufig nicht mehr in den eigenen Räumlichkeiten betrieben. Kollaboratives Arbeiten ermöglicht die Zusammenarbeit von internationalen Teams via Internet. Datenroutinen werden sich weiter beschleunigen und die Arbeit innerhalb datenintensiver Organisationen vereinfachen.

Big Data: Die oben beschriebenen Veränderungen produzieren unfassbar große Massen an Informationen und Datensätzen. Auswertung und Verknüpfung dieser Daten werden für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Vorteile bringen, bieten aber auch Risiken im Bereich des Missbrauchs. Spenderanalysen können differenzierter betrachtet werden, gleichzeitig werden diese auch aufwändiger.

Mobile: Der klassische Bürocomputer stirbt aus. Bereits 2013 wurden weltweit mehr Tabletcomputer als Notebooks verkauft. Informationen sind nur noch relevant, wenn sie für die mobile Nutzung aufbereitet sind. Lokale und geografisch basierte Informationen werden entscheidend auf das Verhalten eines Bürgers, Konsumenten oder Spenders einwirken. Jedes im Einsatz befindliche Smartphone beschleunigt diesen Trend noch. Im Allgemeinen kann dies pauschal die interne wie externe Kommunikation einer Organisation vereinfachen, wenn Mitarbeitende unter der Nutzung gleicher Systeme stets auf dem Laufenden gehalten werden.

Bedeutung für das Fundraising

Wie bei allen anderen gesellschaftlichen Bereichen auch, werden die oben genannten Entwicklungen an gemeinnützigen Organisationen nicht vorbeigehen und sie intensiv prägen. Viele werden von der Geschwindigkeit und Intensität überrascht sein. Wer diese Entwicklung verschläft, wird in den kommenden Jahren existenzielle Probleme bekommen.

Es ist davon auszugehen, dass sich gerade traditionell verwurzelte und hierarchisch geprägte Organisationen mit dieser Entwicklung schwertun werden. Der britische Fundraiser Daryll Upsall beschreibt diese Entwicklung unter der Aufforderung „Innovate or die!“, die deutsche Kommunikationsberaterin Dr. Kerstin Hoffmann mit „Web or die“.

Aber gerade in dieser Phase liegen die entscheidenden Chancen für gemeinnützige Organisationen, wenn diese die kommenden Entwicklungen als positive Herausforderungen sehen. Die Strukturen des sozialen Internets machen es möglich, um ein Vielfaches schneller und direkter in Spenderkontakt zu treten und neue potenzielle Interessenten und Spendergruppen zu eröffnen.

Folgende Aspekte gilt es in Zukunft im Fundraising zu berücksichtigen

  • Trend-Scouting: Kommunikationstrends und neue sowie bestehende Anbieter digitaler Dienstleistungen müssen beobachtet und dadurch Veränderungen rechtzeitig erkannt werden. Neue digitale Trends müssen auf Relevanz überprüft werden können.
     
  • Der Spender wird die Politik einer Organisation durch seine „digitale Macht“ massiv beeinflussen können, indem er sie bewertet und multiplizieren kann. „Die Macht wechselt vom Anbieter zum Kunden.“ Organisationen können dahingehend beeinflussen, indem sie durch Planung und Flexibilität relevante Inhalte schaffen und Kommunikationswege für den „Kunden“ schaffen.
     
  • Berufsbilder werden sich verändern. Digitale Kenntnisse und Medienkompetenz sind keine Einzelqualifikationen von Mitarbeitenden mehr. Digitale Kompetenz gehört zu den grundsätzlich notwendigen Fähigkeiten eines jeden Mitarbeiters, insbesondere des Fundraisers. Regelmäßige und einschlägige Fort- und Weiterbildungen sollten Teil der Organisationsplanung sein.
     
  • Das Berufsbild des Fundraisers wird sich verändern. Während das Berufsbild des Online-Fundraisers oder des Community-Managers teilweise noch als exotisch wahrgenommen wird, wird sich in absehbarer Zeit jeder Fundraiser mit den Strukturen von Online-Spendenmöglichkeiten, Sozialen Netzwerken, digitalem Community Aufbau und Online-Werbung beschäftigen müssen.
     
  • Digitale Aktivität und Reputation einer Organisation und auch des Fundraisers wird messbar und dadurch vergleichbar.
     
  • Organigramme in Organisationen müssen komplett neu gedacht werden. Im digitalen Zeitalter sind hierarchische und starre Strukturen kaum noch überlebensfähig. Silodenken und Abteilungshoheiten sowie Wissensinseln sollten überdacht werden. Ziel sollte die Einführung dezentraler Entscheidungsbefugnisse sein, nicht nur für den Fall der möglichen Krisenintervention.
     
  • Es stellen sich erweiterte Anforderungen an Fähigkeiten von Fundraisingsoftware sowie deren Verknüpfung zu anderen Datenbanken und Softwareprodukten und Internetdienstleistungen, beispielsweise im Bereich der lokalen oder regionalen Lokalisierung von Spenderinnen und Spendern über die eingesetzten Smartphones und mobilen Endgeräte.
     
  • Der klassische Journalismus verändert sich und wird eine weiterhin stark abnehmende Bedeutung als strategischer Medienpartner bekommen. Der Aufbau von Blogger Relations und der Kontakt zu digitalen Multiplikatoren erhält höhere Bedeutung.
     
  • Keine Fundraising-Kampagne kann ohne eine auf die Organisation angepasste Content-Strategie an den Start gehen.
     
  • Aktives und strategisches Themen- und Medien-Monitoring wird in Zukunft zur täglichen Routine gehören, um den Spenden- und Unterstützermarkt beobachten und ihn verstehen zu können.

Fazit

Digitaler Wandel ist eine, wenn nicht die entscheidende gesellschaftliche Veränderung unserer Zeit. Veränderungen bringen stets Unsicherheit und Ungewissheit mit sich. Aber gerade zu Beginn dieser Veränderungen bergen diese Entwicklungen ein hohes Potenzial an Chancen und Möglichkeiten. Ganz im Sinne des klassischen Fundraisings gilt es, unter Einsatz von sinnvollen Maßnahmen und Veränderungen die dort lagernden Schätze zu heben und für sich zu nutzen. Diese Prozesse benötigen eine Menge Energie, deren Investitionen sich jedoch lohnen und für die zukünftige Arbeit Grundvoraussetzungen sein werden.

 

Maik Meid, Jg. 1976, ist Fundraising-Manager (FA) und freiberuflicher Berater für Fundraising, Digitale Kommunikation und Media Monitoring mit dem Schwerpunkt Nonprofit und Sozialwirtschaft. Er ist Dozent (unter anderem an der Fundraising Akademie), Lehrbeauftragter und Referent sowie Mitgründer und Gesellschafter der caretelligence Media Monitoring GmbH. Regelmäßig bloggt er auf fundraisingnetz.de, sozialmarketing.de und nonprofitmedia.de über aktuelle Themen.

 

Publikation: