Der Anbieter
Fragen zum Adresshandel an Bastian Stahlke – Geschäftsführer SAZ Services AG

FE: „Derzeit wird in den Medien und von Datenschützern wieder vermehrt über das Thema „Adresshandel“ diskutiert. Wie erleben Sie diese Diskussion?
    
Bastian Stahlke: „Als leider wenig sachlich und inhaltlich selten korrekt. Fast könnte man denken, das Sommerloch in den Medien ist früh dran in diesem Jahr. Vor allem wird dem Konsumenten suggeriert, dass seine Daten einfach jederzeit gekauft oder verkauft werden können und jeder damit machen kann, was er will. Das ist natürlich nicht so.“

FE: „In den Berichten klingt es so, als ob Adress-Eigner Adressen verkaufen würden. Entspricht das der gängigen Praxis?“

BS: „Nein, ganz und gar nicht. Die verantwortungsvolle Praxis im Umgang mit Adressen hat sich seit Jahrzehnten nicht geändert. Ganz im Gegenteil: Die Auflagen und somit der Schutz der Daten sind sogar noch gestiegen.
Zunächst einmal ist es so, dass eine Zusammenstellung von Adressen in den seltensten Fällen gekauft, sondern für werbliche Zwecke zur einmaligen Nutzung – beispielsweise für ein Werbemailing – angemietet wird. Während die Organisation, die die Adressen anmietet, den Inhalt und den Versandtermin des Mailings bestimmt, wird alles andere von ihr fremden Dritten abgewickelt. Der Werbetreibende bekommt vor Versand der Kampagne keine einzige der angemieteten Adressen. Er erhält lediglich die Daten der Personen, die auf die Aussendung reagiert haben. Im Regelfall also die Spenderadressen. Das ist übrigens in Deutschland auch erst seit 2009 so geregelt.“

Fortsetzung

Larissa M. Probst – Geschäftsführerin Deutscher Fundraising Verband e.V.
Eine starke Zivilgesellschaft lebt von Kommunikation und Neuspender*innen.

Eine starke Zivilgesellschaft und ihre Organisationen sind auf Spenden und Neuspender*innen angewiesen. Insbesondere vor dem Hintergrund der demographischen und sozialen Entwicklungen in Deutschland sind die Information und Begeisterung von neuen Menschen für die wichtigen Themen und Leistungen der Organisationen extrem wichtig. Die personalisierte Kontaktaufnahme per Brief ist eine der wichtigsten Säulen der Kommunikation und Ressourcengewinnung für die Zivilgesellschaft. Zugleich ist der gelungene, personalisierte Spendenbrief besonders effektiv, effizient und damit entsprechend ressourcenschonend. Die DS-GVO erkennt ausdrücklich das berechtigte Interesse an der Verarbeitung zu Zwecken der Direktwerbung, darunter auch die sogenannte Offenlegung durch Übermittlung. Gemeinnützige, spendensammelnde Organisationen nutzen hauptsächlich sogenannte Listen, bei denen grundsätzlich eine Einwilligung der Betroffenen vorliegt, als auch die Adressen von „Adressverlagen“, die durch eigene Tätigkeit Adressen von Verbraucherinnen und Verbrauchern sammeln und diese interessierten Vereinen, Stiftungen usw. zur Verfügung stellen. Aus Sicht des Deutschen Fundraising Verbandes und des Datenschutzbeauftragten Dirk Wolf liegt bei einem Spendenbrief ein „berechtigtes Interesse“ gem. Art. 6 Abs. 1 lit f. DS-GVO vor. Art. 21 Abs. 2 DS-GVO gibt allen Betroffenen ausdrücklich das Recht, „jederzeit Widerspruch gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten zum Zwecke derartiger Werbung einzulegen“. Wichtig ist die Nennung der Adressquelle, so dass transparent wird, von wem die Adresse stammt sowie eine unkomplizierte Widerspruchsmöglichkeit. Der verantwortungsvolle Umgang mit Daten ist im Sinne der Zivilgesellschaft und der Verbraucher*innen und ist geübte Praxis bei den Organisationen.

Eine Mehrheit der Datenschutzkonferenz (das Gremium der unabhängigen deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder) gehe davon aus, dass Adressen zu sammeln und zu verkaufen nicht mit einem „berechtigten Interesse“ gem. Art. 6 Abs. 1 lit f. DS-GVO zu begründen sei. Diese Meldung der Süddeutschen Zeitung (SZ) und des NDR schreckt Organisationen der Zivilgesellschaft auf.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/adresshandel-datenschutz-briefkasten-werbung-1.5577356 

Patrick Tapp – Präsident Deutscher Dialogmarketing Verband e.V.

Sie haben sicherlich schon auf https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/adresshandel-101.html https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/adresshandel-datenschutz-briefkasten-werbung-1.5577356 die Beiträge zum Thema Adresshandel gelesen. Wir gehen davon aus, dass weitere Meldungen in anderen Medien erfolgen, da uns weitere Anfragen erreicht haben. Um die Medienberichterstattung und den eigentlichen Sachverhalt richtig einzuordnen, wie folgt:

Der DDV, ebenso die in den Beiträgen namentlich genannten Mitglieder, wurden in der vergangene Woche im Vorfeld des Beitrages dazu befragt und wir haben diese Anfragen dementsprechend auch intern im AK Datenschutz des DDV diskutiert.

Fakt ist und in dieser Form haben wir die Anfragen dann auch inhaltlich beantwortet, dass die Datenschutzaufsichtsbehörden durchaus eine eigene Rechtsansicht vertreten können, diese aber keine rechtsetzende Wirkung hat und von daher auch politisch motiviert betrachtet werden muss. Das bemängelte Anwendungsdefizit der DS-GVO entspricht natürlich nicht der Realität, sondern ganz im Gegenteil, die DS-GVO wird vollkommen korrekt umgesetzt.

Es entspricht natürlich ebenfalls nicht der Tatsache, dass das "berechtigte Interesse" eine rechtlich kaum tragfähige kreative Eigenschöpfung der Adressbranche sei. Ganz im Gegenteil, die Adressbranche stützt sich exakt auf bestehendes Recht: Die DS-GVO stellt ausdrücklich klar, dass die Durchführung von Direktwerbung als berechtigtes Interesse betrachtet werden kann (Erwägungsgrund 47), das bei der in Art. 6 Abs.1 Satz 1 lit. f) DS-GVO beschriebenen Interessensabwägung herangezogen werden kann.

Fortsetzung

DDV Factsheet: Aktuelle Position zum Adresshandel – Übersicht zum Sachstand

Jüngste sehr unausgewogene Veröffentlichungen zum Thema haben die Diskussion um die Zulässigkeit des Adresshandels aufgeworfen. Der DDV hat hierüber am 4. Mai 2022 in einer ausführlichen Mitgliederinfo informiert.

Position des DDV
Eine offizielle Verlautbarung der Datenschutzkonferenz (DSK), in der die Aufsichtsbehörden in Deutschland vertreten sind, über die angebliche Unzulässigkeit von Adresshandel gibt es nicht. Vielmehr hat die DSK in ihrer jüngsten Orientierungshilfe zur Direktwerbung vom Februar 2022 darauf hingewiesen, dass zum Adresshandel noch eine Einigung herbeigeführt werden soll. Zum Lettershop-Verfahren gibt es ebenfalls keine Positionierung der DSK.

Die Situation bislang:
Seit dem Wirksamwerden der DS-GVO vor etwa vier Jahren hat nach Kenntnis des DDV allein der Datenschutzbeauftragte in Baden-Württemberg gegenüber unseren Mitgliedern die Ansicht vertreten, dass Adresshandel grundsätzlich rechtswidrig sei. Dem Datenschutzbeauftragten in Baden-Württemberg haben die Unternehmen in der Regel geantwortet, dass sie anderer Ansicht sind, was ohne weitere Folgen geblieben ist.

Fortsetzung

Matthias Daberstiel – Herausgeber Fundraising-Magazin
Ohne gezielte Spendenbitte per Brief: keine Spende

Über 21 Prozent, also etwa 1,22 Milliarden Euro Spendengelder im Jahr, werden durch Spendenbriefe angestoßen. Die Datenschützer möchten das „berechtigte Interesse“ für den Adresshandel kippen. Das betrifft auch Spendenbriefe.

Wenn der gemeinnützige Sektor keine Menschen mehr gezielt anschreiben darf, fällt die gesamte Neuspenderwerbung weg und damit werden viele Organisationen Angebote verkleinern oder sogar ganz schließen müssen. Wen das betrifft? Tafeln, Kinder- und Jugendorganisationen, Entwicklungszusammenarbeit, Kulturinstitutionen, Denkmalschutz, Kliniken. Sie alle verschicken Spendenbriefe. Gerade zielgerichtete adressierte Werbung spart Ressourcen und ist nachhaltiger als das Gießkannenprinzip, was es früher gegeben hat. Portoerhöhungen, Mehrwertsteuer auf Porto und andere Veränderungen der letzten Jahre haben die Kosten bereits jetzt enorm steigen lassen. Jetzt kommen Papierpreise hinzu, die um 25 Prozent und mehr steigen. Wirtschaftlichkeit ist das Gebot der Stunde in allen gemeinnützigen Organisationen, die sich um Spenden bemühen. Aber ohne gezielte Spendenbitte per Brief: keine Spenden. Die Konsequenz, die DS-GVO hier zu verschärfen, wäre dramatisch. Aber schön, dass Verbraucherschutz und Datenschutz schon seit Jahren gesicherte staatliche Finanzierungen haben.

Und noch ein Wort zum vollgestopften Briefkasten, liebe Fotoredaktion der Süddeutschen: Adressierte Werbung, um die es hier geht, sind keine Prospekte, die im Briefkästen verteilt werden.