Kolumne
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von Dr. Christoph Müllerleile

Danken, bevor die Sonne sinkt

„Danken, bevor die Sonne sinkt“, ist eines der geflügelten Worte, die Lothar Schulz seinen Eleven bei der Fundraising-Akademie hinterlassen hat. „Es gibt nämlich keine wichtigere Verpflichtung, als Dankbarkeit zu zeigen“, predigte der römische Schriftsteller Marcus Tullius Cicero seinen Zeitgenossen.

Vielleicht haben nicht alle Fundraiser*innen bei Schulz gelernt oder Ciceros Anleitungen zum pflichtgemäßen Handeln gelesen, aber danach gehandelt haben sie trotzdem.

Ich gehöre nach Alter, Konfession, Wohnlage und Spendenverhalten zur hoffnungsträchtigsten Zielgruppe der Branche. Während der Corona-Krise hatten sich auf meinem Schreibtisch so viele Spendenbitten gehäuft, dass ich nicht anders konnte, als Zahlscheine auszufüllen, online natürlich, aber mit allen auf den Überweisungsträgern angegebenen Verwendungszwecken, damit die Kolleg*innen am anderen Ende die Daten leicht zuordnen konnten. Hinzu kamen online-generierte Anlassspenden, etwa zu Geburtstagen, Beisetzungen und zur Kollekte nach dem im Internet live übertragenen Sonntagsgottesdienst.

 

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

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Der Spendendank zu den Online-Spenden erschien sofort. Und siehe da, schon wenige Tage später hatten sich auch fast alle der brieflich werbenden Organisationen bedankt, zum Teil mit Routinebriefen und Zuwendungsbestätigung, aber auch individueller. Oxfam schrieb „Schön, dass Sie wieder dabei sind!“, was zumindest einen elektronischen Blick in mein bisheriges Spendenverhalten voraussetzt. Die Stiftung Frauenkirche Dresden lud mich zum Online-Orgelkonzert ein. Die UNO-Flüchtlingshilfe legte mir noch einmal Shahid ans Herz. Amref stellte ein dickes Danke, das wie handgeschrieben wirkt, an die Spitze des Textes. Dem Missionsprokurator von jesuitenweltweit ist beim Anblick meiner Spende „wirklich ein Stein vom Herzen gefallen“. Adveniat dankte auch im Namen der Karmelitinnen von Guatemala. Misereor attestierte mir eine Lebenseinstellung, die nicht selbstverständlich sei. Die Fundraiserin der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen entschuldigte sich, dass Dank und Spendenbescheinigung krankheitsbedingt erst einen Monat nach der Spende verschickt werden konnten.

Der Förderverein Berliner Schloss wartete mit einem ganzen Feuerwerk von Dankbezeugungen auf. So kann ich auf der Webseite sehen, welches Fassadenstein-Fünftel des riesigen Gebäudes ich mit meiner Spende finanziert habe. Demnächst erscheint mein Name zwanzig Sekunden lang in einer hin- und herwandernden Wolke aus tausenden Spendernamen im Web und auf zwei LED-Bildschirmen im Schloss, ausgewählt nach dem Zufallsprinzip. Vor Ort und im Web kann ich dem Zufall ein Schnippchen schlagen und mich gezielt blicken lassen, indem ich meinen Namen manuell eingebe. Wenn ich zwischen 100.000 und 999.000 Euro erübrigen kann, habe ich einen bleibenden Namensplatz auf Sandsteintafeln im Portal II. Und ab 1 Million bin ich „Mäzen“. Eine Einzeltafel im Haupteingang trägt dann meinen Namen oder den einer von mir in memoriam gewürdigten Person, auf Wunsch mit Relief.

 

Fassade des Berliner Schlosses

Wer dem Berliner Schloss mit einer Großspende zu altem Glanz verhilft, darf sich zum Dank auf einer Sandsteintafel verewigen lassen.

 

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Das Fundraising für das Schloss scheint sich zu lohnen, denn es fehlen nur noch 6 Millionen Euro für die Fassaden und 9 für die Ballustradenfiguren. 102 von veranschlagten 117 Millionen Euro sind eingeworben.

Dass wiederaufgebaute Hohenzollernschlösser zu Herzen gehen können, vermittelt das „Berliner Extrablatt“ der Schlossretter. In der jüngsten Ausgabe wird fast jedes Detail der schönen neuen alten Fassade gezeigt. Man kann sogar eines der vielen Original-Gipsmodelle erwerben, nach denen die Fassade gestaltet wurde.

Und natürlich bin ich zum Eröffnungstreffen der Förder*innen ins Schloss eingeladen. Der Termin steht Corona-bedingt in den Sternen, ebenso wie die Fertigstellung des Humboldt-Forums, als das das Stadtschloss wiederauferstehen wird. Die Fundraising-Geschichte des Vereins und seines in Bargteheide lebenden Geschäftsführers Wilhelm von Boddien, der mit einer Schloss-Simulation im Sommer 1993 in Berlin startete und damit das Projekt ins Rollen brachte, würde ganze Bücher füllen.

 

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Hintergrund

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de

 

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