Kolumne
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von Dr. Christoph Müllerleile

Fundraising in Corona-Zeiten:

Jetzt erst recht!

Ganz gleich wie lange die gegenwärtige Corona-Krise dauert: Es wird irgendwann ein Zurück zur Normalität geben. Die Menschen und ihre Grundbedürfnisse Frieden, Freiheit, Wohlstand, Glück, Liebe, Gesundheit werden sich dann nicht geändert haben. Allenfalls die Prioritäten. Und die Anliegen, für die wir uns einsetzen, sind noch da.

Ich gehöre nicht zu denen, die das Fundraising zum großen Weltverbesserer hochstilisieren. Fundraiser und Fundraiserinnen sind Ermöglicher von Entwicklungen, die andere vorgeben; sie beschaffen die Ressourcen, damit andere eine Chance haben, gute Absichten in konkrete Ergebnisse umzuwandeln. 

In der Corona-Krise bedeutet das zunächst einmal, bestehende Fundraising-Strukturen allen Widrigkeiten zum Trotz zu erhalten und auszubauen.

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

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Also:

  • Kein Abbau der personellen, sachlichen und monetären Ressourcen für die Mittelbeschaffung in den Organisationen.
     
  • Stabile Auftragsbeziehungen zwischen Organisationen und Dienstleistern, keine Ausnützung von Auftragsnot, kein Wechsel vom Guten zum Billigen.
     
  • Hilfe bei der professionellen Antragstellung für Zuwendungen der öffentlichen Hand und nichtstaatlicher Institutionen. In den USA ist das Grantwriting eine gefragte Profession. In Deutschland wissen Geschäftsführer von NGOs, wie sie einen Routineantrag an Verwaltungen und Behörden formulieren müssen, um Zuschüsse zu bekommen, die ihnen gesetzlich zustehen. Aber eigentlich müssten in jeder Organisation auch Antragsschreiber sitzen, die nichts anderes tun, als Anträge für die vielen Sondertöpfe von Stiftungen, Soziallotterien, Fonds, EU, Bund, Land und Gemeinden zu schreiben. Stattdessen bleiben Gelder liegen, werden nicht zeitgerecht abgerufen oder landen in den falschen Händen.
     
  • Kein Themenwechsel, allenfalls eine vorsichtige Anpassung von Inhalten. Wer seine satzungsgemäßen Aufgaben und seine Unterstützer und Unterstützerinnen beim Denkmalschutz hat, muss nicht zum Vorkämpfer gegen COVID-19 mutieren, schon gar nicht, wenn das nicht in der Satzung steht. Wer sich der Verbesserung der sozialen Lage in Entwicklungsländern verschrieben hat, kann natürlich einen Schwerpunkt auf die Aufklärung gegen virenbedingte Gesundheitsgefahren legen, Ärzteorganisationen können Teams zur direkten Hilfe gegen COVID-19 vor Ort schicken.
     
  • Kein Stopp bei Aus- und Weiterbildung. Die Fundraising Akademie ist ein stabiles Zentrum für anerkannte Bildungsmaßnahmen. Förderlotse Schmotz bildet Experten und Expertinnen fürs Antragswesen aus. Die Kongresse, Seminare und Fachtagungen sollten von zahlenden Teilnehmern und Teilnehmerinnen förmlich überlaufen werden. Webinare haben als zeitsparende Billigvarianten Konjunktur, sind aber kein Ersatz für persönlichen Austausch, genauso wenig wie Skype und Zoom den persönlich erteilten Unterricht an Schulen ersetzen können.
     
  • Stärkung der Verbände. Ob Deutscher Fundraising Verband, Swissfundraising oder Fundraising Verband Austria – alle haben dem Fundraising und dem Berufsstand der Fundraiser und Fundraiserinnen den Nährboden gegeben, auf dem heute alle Fundraisingblüten blühen. Sie leben von Mitglieds- und Kongressbeiträgen. Sollten die diesjährigen Kongresse wegen Corona ganz ausfallen müssen, entstünden finanzielle Lücken, die solidarisch aufgefüllt werden müssten, ehe die Verbände in Existenznot gerieten. Wie wäre es zum Beispiel mit einer freiwilligen Sonderumlage aller Mitglieder oder dem Verzicht auf Rückzahlung von Kongressgebühren? Auch ist es jetzt an Nichtmitgliedern und Ausgetretenen, sich eine Mitgliedschaft oder einen Wiedereintritt zu überlegen.

 

Social Distancing

Gerade in Zeiten des Social Distancing müssen NGOs und Fundraiser zusammenhalten.

 

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  • Stärkung innovativer Netzwerke. Der sachbezogene Erfahrungsaustausch auf sozialmarketing.de, auf Podcasts und in vielen Facebook-, Instagram- und Twitterforen generiert einen riesigen Wissensschatz, der in anderen Branchen wahrscheinlich zu ständigen Abmahnungen wegen Weitergabe von Betriebsgeheimnissen führen würde. Auch die wachsende Zahl von wissenschaftlichen und anleitenden Büchern und Zeitschriftenbeiträgen zum Fundraising zeigt, dass Fundraising ein eigenständiger Berufsbereich ist.
     
  • Konzentration auf das Wesentliche. Nicht jeder neue Trend muss mitgemacht, nicht jedes neue Instrument des Fundraisings mitprobiert werden. Wer jetzt erst einmal auf die Stakeholder, auf persönliche Kontakte, Telefonate, Briefe und persönlich gehaltene E-Mails setzt, macht nichts falsch.
     
  • Erbschaften fördern. In Zeiten stürzender Aktienkurse, platzender Immobilienblasen, galoppierender Geldentwertung, bedrohter Gesundheit, gefährdeten Weltfriedens ist es geboten, das Bemühen um Erbschaften, Vermächtnisse und Schenkungen zu intensivieren.
     
  • Dauerzuwendungen fördern. Stellen Sie um auf Fördermitgliedschaften und Dauerspenden per Lastschrifteneinzug. Ich bin Vorsitzender eines gemeinnützigen Musikschulvereins mit zweitausend zahlenden Schülern und Schülerinnen. Gezahlt wird stets per Bankeinzug. Trotz Unterrichtsausfalls haben wir die Lastschriften nicht gestoppt, weil sonst sechzig selbstständigen Musiklehrern die Einnahmen wegbrechen und unsere Rücklagen für eine Kompensation nicht ausreichen würden. Alle sind informiert. Wir hoffen, dass wir zum Jahresende nur wenige Rückforderungen für ausgefallenen Unterricht bekommen werden.

 

Dass Einnahmen trotz aller guten Ratschläge in diesem Jahr wegbrechen werden, ist wahrscheinlich. Einer Zeit der wilden Globalisierung, des ruhelosen Herumreisens, des grenzenlosen Verbrauchs der Umwelt, des ungläubigen Erstarrens vor irren Potentaten folgt eine Periode der Rückbesinnung auf die eigene Familie, auf das eigene Wohl, auf das geliebte Umfeld. Aber wo auch immer die Reise hingeht, Fundraising begleitet sie.

 

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Hintergrund

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de

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