Kolumne
Kolumne
Kolumne

von Dr. Christoph Müllerleile

Sparsam gendern

Ich sitze gerade an der Korrektur des institutionellen Schutzkonzepts einer kirchennahen Vereinigung. Der Text ist voller Sternchen und neutraler Formulierungen. Ich muss noch die letzten Reste des generischen Maskulinums eliminieren.

Das Korrekturprogramm hilft dabei überhaupt nicht. Es sind immer noch zu viele man statt man*frau drin, zu viele der statt der*die, zu viele Mitarbeiter statt Mitarbeitende oder Mitarbeiter*innen. Kleiner Nachteil der Aktion: Keine*r wird den Text zu Ende lesen. Die meisten werden ihn genervt beiseitelegen.

Ich habe allmählich Routine, seit ich vor ein paar Jahren auf Anordnung einer Institutsleitung Lehrmaterial eines universitären Fundraisingkurses umgendern musste. Dass meine Bemühungen nicht ausreichen, allen Ausprägungen und Anforderungen gerecht zu werden, weiß ich spätestens seit einem Blick auf die Facebook-Seite „Nachhaltiges Fundraising“. Es ist ja wahr, die vielen Sternchen, Unterstriche, Doppelpunkte, Binnen-Is, Schrägstriche machen einen Text mehr und mehr unlesbar. Denn jede Abkürzung muss von den Lesenden oder Vorlesenden im Kopf in den Volltext übertragen werden: z. B., bzw., usw, d. h., o.ä., ebd., DFRV, mehrstellige Ziffern oder eben Sternchen. Fernsehmoderator*innen behelfen sich mit einem kleinen Stopp in der Aussprache. Aber das ist Trainingssache.

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

0

Ich fürchte, dass sich unsere Fundraising-Umgangssprache allmählich von der unserer Förder*innen abkoppelt. Die Moderator*innen von „Nachhaltiges Fundraising“ wollen das Problem der holprigen Übertragung geschlechtergerechter Formulierungen ins Deutsche probeweise durch eine Sprachendung lösen, die sich ein österreichischer Aktionskünstler ausgedacht hat, nämlich jedes Substantiv, das weibliche und männliche Endungen hat, mit einem neutralen Artikel zu versehen und dem Wortstamm des generischen Maskulinums ein y, im Plural ein ys anzuhängen. Allerdings nur dann, wenn das Geschlecht unklar oder für den Zusammenhang, in dem das Wort steht, unwesentlich ist.

So bekommen wir dann das Fundraisy, das Spendy, das Fördery, das Schenky oder deren Plural. Das Mitglied darf wohl Mitglied bleiben, da es schon neutral ist, was uns vor grammatikalisch falschen Mitglieder*innen bewahrt. Auch das Baby und das Kind haben so lange Glück, bis sein*ihr Geschlecht gefragt ist.

Nun ist es aber so, dass sich in den Fundraisingbriefen, die ich täglich auf den Tisch bekomme, kaum Unterstriche, Doppelpunkte, Sternchen, Binnen-Is, Schrägstriche und schon gar keine Y-Endungen befinden. Marketys sind als Spracherzieher*innen nicht gefragt, wenn es um zielgruppenangepasste Sprache geht. Die Alltagssprache ist nämlich sehr einfach, lebt von Betonungen und begleitenden Gesten, benutzt Konjunktiv und Imperfekt nur sporadisch, verschluckt Endungen und macht selten Halt vor der Gerechtigkeit unter den Geschlechtern. Zu den Gebenden gehören auch Menschen, die Deutsch erst lernen mussten oder müssen und ihr Leben lang mit der korrekten Grammatik kämpfen.

Fundraiser*innen dürfen sich nicht allzu weit vom Alltagsgebrauch der Sprache entfernen, wenn sie inner- und außerhalb der Institutionen erfolgreich sein wollen. Es darf keinem Großspendenden wie Schuppen von den Augen fallen, wenn er oder sie zufällig an einem Strategieseminar von Fundraisenden teilnimmt und hört, mit welch verschwurbelter Fachsprache über ihn oder sie geredet wird. Es dürfte ihn oder sie schon schockieren, einer target group als prospect zugeordnet und auf eine donor journey geschickt zu werden. Vielleicht sind die englischen Begriffe bei uns so beliebt, weil sie nicht gegendert werden müssen und bei denen eine Übertragung ins Deutsche einer Offenbarung gleichkäme.

Aber wenn sie dann noch als Großspendys und Erblassys angesprochen würden, wäre es vorbei mit der Großzügigkeit.

 

0

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de

 

0