Kolumne
Kolumne
Kolumne

Nach der Spendenflut: Wohin mit dem Geld?

Die Sammlung für die Flutopfer in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Juli und August dieses Jahres dürfte zu den erfolgreichsten Spendenkampagnen der Nachkriegszeit zählen. Bis Anfang August gingen laut DZI 358 Millionen Euro bei Spenden sammelnden Organisationen und Behörden ein. Allein 244 Millionen gingen an die Aktion Deutschland hilft (ADH), 86 Millionen an das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe, zwei Zweckbündnisse, die vor allem dadurch entstanden sind, dass die großen Fernsehanstalten Wert auf Bündelung legten. Mithilfe der Medien bleibt der Werbeaufwand der beiden Spendenplattformen gering.

Nun ist Spenden sammeln das eine, das Geld sinnvoll ausgeben das andere und in diesem Fall viel Schwierigere. Denn hier treten gemeinnützige Organisationen in den direkten Wettbewerb mit dem Staat, der über Bund und Länder 30 Milliarden Euro bereitstellen will. Hinzu kommen Versicherungsgelder, Sachspenden, die Zeitspenden tausender von Helferinnen und Helfern und stille Forderungsverzichte von Unternehmen, die bezahltes Personal für Hilfe in den Katastrophengebieten freistellten.

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

0

Aus der Spendenwerbung von ADH und Bündnis geht hervor, dass sie nicht mit eigenen Kräften vor Ort helfen, sondern durch die angeschlossenen Hilfsorganisationen. Das heißt, dass die eingesammelten Gelder von beiden großen Bündnissen nach internen Schlüsseln weiter verteilt werden und die Hilfsorganisationen damit nach ihren eigenen Regeln verfahren. Soforthilfe vor Ort wird aus den Rücklagen der Organisationen finanziert. Die Geldsammlungen füllen die verausgabten Rücklagen auf und gestatten dauerhafte Hilfeleistung.

Zu unterscheiden ist zwischen sofortiger, mittelfristiger und langfristiger Hilfe. Die Soforthilfe zehrt ein großes Spendenaufkommen bei Weitem nicht auf. Je länger die Organisationen mit der Ausschüttung der Mittel an die Betroffenen warten oder warten müssen, desto unsichtbarer wird der Spendenanteil, desto weniger unterscheidbar wird er von den Leistungen, die über Versicherungen, Bund, Land und Kommunen, aus eigenen Mitteln der Betroffenen und über Darlehen von Banken kommen.

Auch wird es für die beiden Bündnisse schwer, die Frage zu beantworten, wie viel von den Spenden den Betroffenen wirklich zugeflossen sind. Denn die Empfängerorganisationen bestehen aus mehr oder weniger selbstständigen Teileinheiten und veranstalten parallel zu den Bündnissen eigene Spendenaktionen. Zudem fließen ihnen staatliche Hilfsgelder in beträchtlicher Menge zu. Durch den Finanzierungsmix entstehen Transparenzprobleme, die bald in den öffentlichen Diskurs gehen könnten, das heißt in sozialen Medien und in kritischen Fernsehsendungen diskutiert werden dürften.

Nicht erst seit der Bekanntgabe der DZI-Zahlen gibt es kritische Medienbeiträge, in denen Flutopfer fragen, wo denn die ganzen Millionen bleiben. Die Ungeduld ist verständlich angesichts des bevorstehenden Winters, der grassierenden Pandemie, des Mangels an Baumaterial und Handwerkerkapazitäten und der dadurch verursachten Verteuerung. Die Politik hat sich unter dem Eindruck von Wahlkämpfen und der Suche nach Schuldigen selbst in Zugzwang gebracht.

In Katastrophenhilfe kennen sich die deutschen Hilfsorganisationen aus, wobei ein Unterschied zwischen Einsätzen im Ausland und im Inland gemacht werden muss. Im Ausland ist die Not nach Katastrophen oft so groß, dass sich die Hilfe auf einzelne Gebiete konzentrieren muss. Von dort kommen Erfolgsmeldungen, die zu weiteren Spenden führen. Dass nicht jedem oder jeder geholfen werden kann, leuchtet den fernen Förderern ein.

Im Inland werden andere Fragen gestellt. Hier melden sich die Betroffenen direkt bei den Hilfsorganisationen und in der Öffentlichkeit und mahnen Zusagen an. Erfolgsmeldungen sind direkt überprüfbar.

Nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe. Auch wenn niemand hofft, dass die Jahrhundertfluten und Waldbrände zunehmen, wird es sie wahrscheinlich häufiger geben. Umso wichtiger ist es, dass die Hilfsorganisationen mit künftigen Spendenfluten nicht nur rechnen, sondern auch geordnet umgehen werden, um das Vertrauen der Förderinnen und Förderer in das ganze Spendenwesen allgemein nicht zu verspielen.

 

0

Über den Kolumnisten

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de

 

0