Mindestlohn für das Ehrenamt?

Von Rechtsanwalt Ralf Rösler

Rechtsanwalt Ralf RöslerRechtsanwalt Ralf Rösler weiß aus Erfahrung, dass das Mindestlohngesetz gerade gemeinnützigen Organisationen Kopfzerbrechen bereitet. © Ralf RöslerSeit dem 1. Januar 2015 gilt das Mindestlohngesetz (MiLoG) für alle Arbeitnehmer, auch für alle Beschäftigten in gemeinnützigen Vereinen und Verbänden. Eine wichtige Ausnahme besteht: das Gesetz regelt nicht die Vergütung von „ehrenamtlich Tätigen“ (§ 22 Absatz 3 MiLoG).

Bei einer rein ehrenamtlichen Tätigkeit, für die keinerlei Vergütung gezahlt wird, ist das eine selbstverständliche Feststellung. Der Begriff des „Ehrenamts“ wird im MiLoG allerdings nicht definiert. Erfolgt daher eine Bezahlung (Aufwandsentschädigung), ist die Abgrenzung des Ehrenamts von der Erwerbstätigkeit entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob im Einzelfall nun ein Mindestlohn zu zahlen ist oder nicht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unternimmt in seiner Broschüre „Das Mindestlohngesetz im Detail“ zunächst den Versuch einer allgemeinen Definition des Ehrenamts. Nach seiner Ansicht darf die ehrenamtliche Tätigkeit „nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz dienen, sondern nur Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls sowie den Sorgen und Nöten anderer Menschen sein“.

Zum Glück belässt es das BMAS nicht bei diesen zwar hehren, aber doch bei der Rechtsanwendung im Einzelfall wenig praktikablen Worten. Es stellt in der Broschüre klar, wann nach seiner Auffassung zumindest keine ehrenamtliche Tätigkeit mehr vorliegt.

Das ist generell bei allen Beschäftigten der Fall, die aus sozialversicherungs- oder steuerrechtlichen Gründen als Minijobber angemeldet sind. Wer keinen „echten“ Freiwilligendienst nach §32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 d EStG (etwa nach dem Bundesfreiwilligengesetz) leistet, sondern außerhalb dessen ein Praktikum oder einen Minijob als „unechten“ Freiwilligendienst, kann ebenfalls nicht ehrenamtlich tätig sein.

Wie das BMAS berichtet, wurde im Gesetzgebungsverfahren der politische Wille bekundet, dass ehrenamtliche Übungsleiter und andere ehrenamtlich tätige Mitarbeiter in Sportvereinen bei einem entsprechenden Willen, sich für das Gemeinwohl einzusetzen und keine adäquate finanzielle Gegenleistung zu erwarten, nicht vom MiLoG erfasst werden sollen, wenn diese unentgeltlich beziehungsweise gegen den Ersatz von Aufwendungen tätig werden.

Solange eine Bezahlung im Rahmen des Ehrenamts-Freibetrages (720 Euro für 2015, das heißt 60 Euro pro Monat) beziehungsweise des Übungsleiter-Freibetrages (2.400 Euro im Jahr, das heißt 200 Euro pro Monat, inklusive Ersatz nachweislich entstandener konkreter Aufwendungen wie Fahrtkosten, Kauf von Trainingsmitteln etc.) erfolgt, geht das BMAS insofern von einer „unentgeltlichen Tätigkeit“ aus. Es liegt ein Ehrenamt und damit keine Arbeitnehmereigenschaft vor.

Wer als Übungsleiter oder ehrenamtlich Tätiger mehr als die Pauschalen nach §3 Nr. 26 bzw. Nr. 26a EStG erhält, ist zwar nicht automatisch Arbeitnehmer, allerdings muss dann „eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls “ erfolgen, insbesondere muss geprüft werden, ob der ehrenamtlich Tätige im Hinblick auf seine Tätigkeit einem umfangreichen Weisungsrecht des Auftraggebers wie ein Arbeitnehmer unterliegt und wie intensiv er in den Betrieb eingebunden ist.

Wer innerhalb der Pauschalen bezahlt wird oder bei wem die Prüfung ergeben hat, dass es sich nicht um einen Arbeitnehmer handelt, ist im Sinne des MiLoG ehrenamtlich tätig.

In diesem Fall kann es nicht darauf ankommen, ob für den Ehrenamts-Freibetrag mehr als 84 Stunden beziehungsweise für den Übungsleiter-Freibetrag mehr als 282 Stunden jährlich geleistet werden, wodurch rechnerisch der Stundenlohn unter 8,50 Euro sinkt. Wenn für ehrenamtlich Tätige das MiLoG nicht gilt, finden auch die dort geregelten Dokumentationspflichten zur Zeiterfassung keine Anwendung; eine maximale Stundenzahl ist nicht zu beachten.

Die so festgestellten „Ehrenamtlichen“ dürfen für ihre Tätigkeit nicht als Minijobber angemeldet sein oder werden, denn dann wäre von Gesetzes wegen anzunehmen, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt.

Problematisch kann es auch werden, wenn Ehrenamts-Freibetrag beziehungsweise Übungsleiter-Freibetrag mit einem Minijob kombiniert werden. In diesem Fall unterfällt die Tätigkeit bei einheitlicher Handhabung insgesamt dem MiLoG, also auch der Teil, der auf Basis der Pauschalen lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei abgerechnet wird. Hierfür wäre dann ebenfalls der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen.

Ein Nebeneinander von Ehrenamt und Minijob ist nur möglich, wenn die beiden Tätigkeiten von der Art und vom Inhalt her klar voneinander abgegrenzt werden können, nicht nur rechnerisch. Wenn eine klare, vom Ehrenamt abweichende Tätigkeitsbeschreibung des Minijobs mit entsprechender Stundenzahl besteht und diese tatsächlich auch so gelebt wird, soll das MiLoG für die daneben ausgeübte ehrenamtliche Tätigkeit weiterhin nicht gelten.

Diese – rechtlich unverbindliche – Einschätzung des BMAS, dass sich bei einer Bezahlung innerhalb der steuerlich anerkannten Freibeträge und einer gemeinwohlorientierten Gesinnung die Frage nach den tatsächlich vom ehrenamtlich Tätigen geleisteten Stunden nicht stellt, ist wichtig und richtig; ob sich aber Finanzämter und Sozialversicherungsträger letztlich daran halten, wird die Praxis zeigen.

 

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