Nachlassmanagement (Teil 1)

Was Erblasser bei einem Testament zugunsten einer Stiftung beachten müssen

Von Karin Kohler

 
Karin KohlerKarin KohlerIn einer zweiteiligen Serie zum Thema Nachlassmanagement erklärt Karin Kohler, was Erblasser und Stiftungen beachten müssen, wenn Stiftungen in einem Testament begünstigt werden. Im ersten Teil geht es um die Perspektive des Erblassers. Der Artikel in der nächsten Ausgabe wird sich damit befassen, was eine Stiftung berücksichtigen muss, die mit einer Erbschaft bedacht worden ist.
 
In Deutschland wird in den nächsten zehn Jahren ein Viertel des gesamten Privatvermögens vererbt. Dabei haben lediglich 25 Prozent der Deutschen ein Testament erstellt und nur drei Prozent alle wesentlichen Anforderungen berücksichtigt, um eine reibungslose Umsetzung des letzten Willens sicherzustellen. Diese Situation ist eigentlich nicht nachvollziehbar und sollte all jene zum Handeln animieren, die noch nichts getan haben.
 
Unterschiede zwischen Alleinerben, Miterben und Vermächtnis­nehmern
 
Was gilt es genau zu berücksichtigen, wenn ein Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung eine gemeinnützige Stiftung zum Erben, Miterben oder Vermächtnisnehmer einsetzen will?
 
Allein die Möglichkeit, zwischen Alleinerben, Miterben oder Vermächtnisnehmern zu unterscheiden, zeigt bereits auf, dass sich der potentielle Stifter gut beraten lassen sollte, wie die Begünstigung im Testament konkret erfolgen soll. Ein Miterbe ist Teil einer Erbengemeinschaft, während der Alleinerbe entweder eine natürliche Person oder eine juristische Person sein kann. Ein Vermächtnisnehmer ist nicht Erbe. Er hat Anspruch auf Herausgabe eines fest definierten Teils des Nachlassvermögens, z. B. einen Gegenstand oder einen bestimmten Geldbetrag.
 
Klare Regelungen können Streit vermeiden
 
Wer soll was, wann und wie bekommen? Etwa 75 Prozent der vermögenden Erbfälle mit einem Nachlassvolumen von über einer viertel Million Euro enden im Streit miteinander. Nur klare und unmissverständliche Regelungen können im Erbfall Streit unter den (oft nur vermeintlichen) Erben vermeiden. Es sollte möglichst keine Erbengemeinschaft entstehen, die sich kompliziert und langwierig auseinandersetzen muss.
 
Häufig geht es bei der Regelung des Nachlasses auch um das Erhalten eines Lebenswerkes. Sollen die Erben alles verkaufen dürfen und die dadurch entstehende Liquidität verteilen können, oder möchte der Erblasser, dass seine über Generationen existierende Firma oder der Immobilienbesitz in Gänze erhalten bleibt? Ein solcher Wunsch, der aus Sicht des Erblassers zunächst nachvollziehbar erscheint, kann für die Erben auf Dauer zur Belastung werden oder kann nicht mehr zeitgemäß sein. Manchmal ist es notwendig, hier im Interesse des zu erhaltenen Unternehmens zu denken. Hier kann neben der Errichtung einer Familiengesellschaft auch das Einbringen der Vermögenswerte in eine Familienstiftung sinnvoll sein.
 
Einen gemeinnützigen Zweck bedenken
 
Im Folgenden wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten es gibt, sein Nachlassvermögen einem gemeinnützigen Zweck zukommen zu lassen:
 

  • Gründung einer rechtsfähigen Stiftung
     
    Eine rechtsfähige Stiftung kann zu Lebzeiten oder von Todes wegen gegründet werden. Gründet der Stifter bereits zu Lebzeiten, so ist es lediglich notwendig, die entsprechende Stiftung im Testament mit Name und Sitz zu benennen und zum Alleinerben oder zum Vermächtnisnehmer mit einem bestimmten Vermögen einzusetzen.
     
    Soll die Stiftung erst mit dem Tode des Erblassers Rechtskraft erlangen, so kann diese als zu gründende rechtsfähige Stiftung im Testament benannt werden. Dabei ist zu beachten, dass der Name, Sitz, Zweck, Organ und Gemeinnützigkeit konkret dargestellt sein müssen. Schließlich ist der letztwilligen Verfügung, unabhängig davon, ob handschriftlich oder öffentlich (notariell) erstellt, die künftige Satzung der Stiftung als Anlage beizufügen.
     
    Bei einer Stiftung von Todes wegen ist es unerlässlich, eine juristische oder natürliche Person zu bestimmen, die die Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig bei der Stiftungsaufsicht des künftigen Sitzes der Stiftung durchführt. Dies ist in der Regel der Testamentsvollstrecker. Bei der Gründung von Todes wegen sollte der Erblasser im Blick behalten, ob genügend Nachlassvermögen verbleibt, um die Stiftung ausreichend und dauerhaft zu dotieren. Auch bei der Einsetzung von festen Beträgen ist auf Plausibilität mit dem Gesamtnachlassvermögen zu achten.
     
  • Gründung einer Treuhandstiftung
     
    Die Treuhandstiftung oder nichtrechtsfähige Stiftung kann im Testament nicht als Erbe oder Vermächtnisnehmer benannt werden. Stattdessen ist der Treuhänder oder Träger der nichtrechtsfähigen Stiftung zu benennen und ihm aufzuerlegen, das Nachlassvermögen in die Treuhandstiftung einzubringen. Die Treuhandstiftung selbst entsteht durch einen Stiftungsvertrag oder eine Treuhandvereinbarung zwischen Stifter und Träger bzw. Treuhänder (in der Regel eine gemeinnützige Stiftung), der bereits zu Lebzeiten abgeschlossen wird. Dazu kommt die Stiftungssatzung. Die Satzung der nichtrechtsfähigen Stiftung muss Bestandteil des Testaments werden. Der Vorgang sieht bei der Treuhandstiftung kompliziert aus, vielleicht besteht auch eine psychologische Schwelle, in seiner letztwilligen Verfügung aus rechtlichen Gründen eine „andere“ Stiftung als Empfänger zu benennen, wenn man eigentlich eine „eigene Stiftung“ benennen will. Hier bedarf es Vertrauen und ausführlicher Gespräche im Vorfeld sowohl mit dem künftigen Träger als auch eventuell weiterer im Testament bedachter Personen.
     
    Bei beiden Stiftungsarten ist es sinnvoll, diese bereits zu Lebzeiten zu gründen und zu dotieren und sie mit dem Tod dann zusätzlich mit Vermögen auszustatten: Der Stifter erlebt und gestaltet seine Stiftung aktiv mit und kann sie dadurch selbst noch prägen. Der Stifterwille manifestiert sich durch die Arbeit des Stifters. Er hat Freude an „seiner“ Stiftung und kann die Welt beruhigt verlassen in dem Wissen, dass die Stiftung bereits „läuft“.
     
  • Zustiftung oder Spende
     
    Wünscht der Stifter keine eigene Stiftung, kann er eine bereits bestehende Stiftung im Wege der Zustiftung zum Erben oder Vermächtnisnehmer einsetzen. Hat er sich für eine bestimmte Stiftung entschieden, so benennt er in seinem Testament die Stiftung mit Name, Sitz und Adresse und dem Zusatz, dass das Nachlassvermögen dem Stiftungskapital als Zustiftung zufließen soll. Hierfür kann mit der entsprechenden Stiftung auch eine Zustiftungsvereinbarung oder sogar ein Erbvertrag abgeschlossen werden. In der Mehrheit der Fälle weiß jedoch die begünstigte Stiftung nichts von der Begünstigung. Die Spende an eine Stiftung unterscheidet sich von der Zustiftung dadurch, dass sie nicht dem Stiftungskapital zuwächst und demnach nicht dauerhaft erhalten bleibt. Wird die Zustiftung in der letztwilligen Verfügung nicht explizit erwähnt, so steht es der begünstigten Stiftung frei, das Nachlassvermögen sofort für anstehende Projekte der Stiftung passend zum Stiftungszweck einzusetzen. Der „Ewigkeitsgedanke“ wird nur mit der Zustiftung erfüllt.

 
Zentrale Fragen bei der Nachlassplanung
 
Bei der Nachlassplanung sind stets zwei Sphären zu berücksichtigen: die individuelle Situation des Erblassers und die gesetzlichen Rahmenbedingungen.
 
Bei der individuellen Situation des Erblassers ergeben sich u. a. folgende Fragen:
 

  • Wenn er verheiratet ist: In welchem Güterstand lebt er oder sie?
  • Was steht im Ehevertrag?
  • Gibt es direkte Nachkommen?
  • Wer ist pflichtteilsberechtigt und wer soll Erbe werden?
  • Wie ist das Vermögen strukturiert? Hier ist eine Privatbilanz über das gesamte Vermögen sinnvoll.
  • Gibt es steuerlich privilegiertes Vermögen, z. B. Vermögen, das dem Zugewinnausgleich unterliegt?
  • Kommt Abwicklungstestamentsvollstreckung oder Dauertestamentsvollstreckung in Frage? Bei der sog. Abwicklungstestamentsvollstreckung kümmert sich der Testamentsvollstrecker um die Abwicklung des Nachlasses. Hierzu gehört die Auszahlung der Vermächtnisse, die Aufteilung des Nachlasses, die letzte Steuererklärung und die Erbschaftsteuererklärung, die Korrespondenz, Sorge um Immobilien, Umsetzung der Wünsche des Erblassers gemäß Testament. Eine Dauertestamentsvollstreckung dauert maximal 30 Jahre. Sie hat zum Inhalt, dass der Testamentsvollstrecker das Nachlassvermögen verwaltet und den Erben nur jeweils monatlich einen bestimmten Geldbetrag ausbezahlt, z. B. bis sie ihre Ausbildung beendet haben oder ähnliche Bedingungen eingetreten sind.
  • Wurde über Schenkungen nachgedacht, um steuerliche Freibeträge gezielt zu nutzen oder die nächste Generation bei der Übernahme des Vermögens zu begleiten?
  • Ist ein vorhandenes Testament noch aktuell?

 
Ist geplant, eine gemeinnützige Stiftung zu begünstigen, so ist vorher zu prüfen, ob pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge vorhanden sind und diese noch ausreichend bedacht sind bzw. im Wege eines Pflichtteilsverzichtsvertrags bereits zu Lebzeiten abgefunden werden können. Ehegatten können ein gemeinschaftliches Testament errichten und die Stiftung als Schlusserben einsetzen. Hier ist zugleich zu verfügen, ob der überlebende Ehegatte das Testament noch ändern darf oder nicht.
 
Auf der rechtlichen Seite wäre u. a. Folgendes zu beachten: Wie sieht die gesetzliche Erbfolge aus; was passiert, wenn nichts vereinbart ist? Wie wirkt sich dies erbschaftssteuerlich aus?
 
Schon im erweiterten Familienkreis reduzieren sich beispielsweise die Freibeträge im Erbschaftsfall deutlich. Zum Vergleich: Während der Freibetrag für Kinder im Erbfall derzeit bei 400.000 Euro liegt, steht Geschwistern, Nichten oder Neffen nur ein deutlich reduzierter Betrag von 20.000 Euro zur Verfügung. Die gemeinnützige Stiftung hingegen ist von der Erbschaftsteuer befreit. Sinnvolle Nachschlagmöglichkeiten zu rechtlichen Fragen sind z. B. die Webseiten www.erbrecht.de (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge) und www.erbfall.de (Deutsche Gesellschaft für Erbrechtskunde).
 
Fazit
 
Jeder Erblasser, der einer gemeinnützigen Stiftung von Todes wegen Vermögen zukommen lassen will, braucht ein individuell passendes Konzept. Zunächst sollte eine Privatbilanz aufgestellt werden. Welche Vermögenswerte gehören zum späteren Nachlass, soll alles an die Stiftung gehen oder nur ein Teil? Diese Gespräche kann der Erblasser z. B. gemeinsam mit einem ausgebildeten Estate Planner (Nachfolgeplaner) führen. Die Vorstellung, dass durch das Nachlassvermögen letztlich etwas nachhaltig Gemeinnütziges bewirkt wird, kann Erblassern ein Gefühl der Zufriedenheit geben und die Gedanken rund um das Testament erleichtern. Welche der Stiftungsformen zu welchem Stifter am besten passt, hängt neben dem Zweck auch von der Höhe des Vermögens ab. Bevor mit kleinem Vermögen aufwendig selbständige Stiftungen gegründet werden, ist einer Zustiftung an eine bestehende Stiftung Vorrang zu geben. Es bedarf Mut und Weitsicht, dieses Thema anzugehen und umzusetzen, ist jedoch für viele Menschen sinngebend.

 

Karin Kohler ist Rechtsanwältin und betreut bei der Weberbank Berlin institutionelle Kunden. Sie hat 14 Jahre Erfahrung als Beraterin von Stiftern und Stiftungen im Bereich Nachlassplanung, Gründung, Vermögensanlage, Mittelvergabe und Stiftungsmanagement. Ehrenamtlich engagiert sie sich u.a. im Vorstand der Weberbank-Stiftung, der Stiftung Zukunft Berlin und bei der Berliner Stiftungswoche gGmbH. karin.kohler@weberbank.de www.weberbank.de

 

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