Ohne Institutional Readiness bleiben nur noch Wunder

Dr. Christoph MüllerleileKolumnist Dr. Christoph Müllerleile meint ...
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Von Dr. Christoph Müllerleile

Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen dem Nonprofit-Sektor und dem kommerziellen Bereich der Wirtschaft wird mit dem Begriff Institutional Readiness beschrieben, in diesem Fall der Bereitschaft der Beteiligten, absatzorientierte Werbung für das eigene Produkt zu betreiben. Wobei schon der Gebrauch von „Produkt“ und „Absatz“ bei den nicht am privaten Gewinn Orientierten zu Abwehrreaktionen führt. Während für die einen außer Frage steht, dass der Leistungsaustausch fürs Geldverdienen da ist, wehrt sich der gemeinnützige Sektor dagegen, an anderen als an ideellen Maßstäben gemessen zu werden.

Das führt vor allem für uns Fundraiser zu skurrilen Erlebnissen, etwa wenn das Führungspersonal einer an Finanznot leidenden Musik-Hochschule beim ersten Beratungsgespräch mit einer professionellen Fundraiserin „fast laut schreiend“ davonläuft, wie das nicht nur unsere Schweizer Kollegin Barbara Crole erlebt hat. Dann bleibt dem Berater oder Fundraiser, der bei einer solchen Organisation anheuern will, manchmal nur der Rückzug, denn alles andere wäre Lust am eigenen Untergang.

Für Fundraiserinnen und Fundraiser ist es wichtig zu erkennen, welche Organisationen einen angemessenen Grad von Institutional Readiness aufweisen und welche man, bevor man einsteigt, mit der Forderung nach den notwendigen organisatorischen und personellen Korrekturen konfrontieren muss. Institutional Readiness erkennt man schon daran, welchen Stellenwert Fundraising in der Hierarchie einer Organisation einnimmt. Ist Fundraising Chefsache und daher Stabsstelle oder bewegt es sich am Ende der Hierarchie als Unterreferat des Rechnungswesens oder der Öffentlichkeitsarbeit als Halb- oder Viertelstelle mit Zeitvertrag.

Wichtig ist, ob Fundraising breit angelegt sein darf, das heißt offen für alle Arten der Mitteleinwerbung und möglichst frei bei der Wahl der Instrumente. Von Bedeutung ist auch, ob das Fundraising inhouse verankert ist oder überwiegend extern durchgeführt wird, und ob Fundraiserinnen und Fundraiser inhaltlich mitreden können und in den Leitungsgremien vertreten sind.

Es gilt zwar der Grundsatz, dass sich gemeinnützige Organisationen nicht durch ihre Geldgeber verbiegen lassen sollen, also dass man nicht den guten Zweck nach dem ausrichtet, was die meisten Spenden einbringt. Andererseits kommen gerade größere Zuwendungen oder Zuschüsse ohne Projekt- und Zweckbindung nur schwer herein.
Ein wichtiger Indikator für die Bereitschaft zum Fundraising ist auch der Fördereranteil unter den bezahlten Mitarbeitenden einer Organisation.

Zu den weiteren Merkmalen von Institutional Readiness gehört, ob fürs Fundraising genügend Zeit zum Erfolg bleibt, oder kurzfristig unter dem Druck drohenden Scheiterns gehandelt werden muss. Geradezu lächerlich wirkt da die Werbung zur Teilnahme an einem Fundraising-Seminar: „120 Millionen Euro in den letzten zwölf Monaten – das ist der Erfolg einer Fundraiserin, die vor einem Jahr das Fundraising-Seminar bei XXX besucht hat.“ Erfolg per Zufall. Wenn von Fundraiserinnen und Fundraiserin solche Wunder erwartet werden, können sie genausogut Lotto spielen.

Mancher Vorwurf mangelnder Institutional Readiness beruht sicherlich auch auf Kommunikationsschwierigkeiten von Fundraisern selbst. So wie mancher Mitarbeiter einer Nonprofit-Organisation den Marketing-Leuten unterstellt, dass sie keine Ahnung vom Naturschutz, der Krebsforschung, der Arbeit im Krankenhaus oder von Entwicklungshilfe haben, gibt es auch fachliche Arroganz auf der anderen Seite.

Die Geschichte von Barbara Crole ging übrigens so aus, dass die Musik-Hochschule die Notwendigkeit zum Fundraising verinnerlichte: „Die Einstellung hängt immer davon ab, wie viel Geld man hat,“ meint sie. „Die, die wenig Geld haben oder keines, müssen ihre Einstellung ändern, und sie haben dann beschlossen, ihre Einstellung zu ändern und haben gesagt, wir werden in fünf Jahren, wenn die Subventionen auslaufen, der Erste am Markt sein." Hätte sie sonst den Auftrag zurückgegeben? „Natürlich, weil ich ja keinen Erfolg gehabt hätte.“

 

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@fundraising-buero.de
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