Online-Fundraising: Der Blick in die Zukunft

Von Claudia Wohlert

Neue Online-Trends, mögliche Folgen der Datenschutz-Grundverordnung oder die Verzahnung von on- und offline, das Jahr 2018 hält viele Neuerungen und Baustellen für das Online-Fundraising bereit. Im Gespräch mit Dr. Matthias Lehmann, Head of Fundraising Deutschland von VIER PFOTEN, versucht Claudia Wohlert aktuelle Entwicklungen in der sich stetig ändernden Onlinewelt zu identifizieren.

Fundraising-Echo: In der dynamischen Online-Marketingwelt ist es wichtig, auf Trends zu achten. Welche könnten das für 2018 im Online-Fundraising sein?

Matthias LehmannDr. Matthias Lehmann leitet das Fundraising von VIER PFOTEN in Deutschland.
Foto: © VIER PFOTEN/Fred Dott
Dr. Matthias Lehmann: Momentan sind im Online-Marketing, beziehungsweise im Online-Fundraising, keine neuen Trends zu sehen. Es ist vielmehr das Verfeinern von bestehenden Trends. Zum einen sind es durchdachte Donor oder Customer Journeys, die den Empfänger in den Mittelpunkt der Nachrichten stellen. Und zum anderen das deutlich bessere Segmentieren der Empfänger von Online-Botschaften – vor allem im E-Mail-Bereich. Dafür ist eine deutlich bessere Verknüpfung der verschiedenen Online-Tools – Spendenseiten, Petitionen, Formulare, E-Mail-Tool – mit den Spenderdatenbanken nötig. Speziell in der Verknüpfung von Spenderdatenbanken mit den diversen Online-Datenbanken sehe ich Verbesserungsbedarf. Unsere eingesetzten Systeme müssen viel stärker miteinander verzahnt werden, um eine persönliche Kommunikation mit Spendern und Interessenten zu ermöglichen.

Außerdem ist zu überlegen, ob wir einfache und wiederkehrende Anfragen nicht stärker automatisiert bearbeiten können. Darunter verstehe ich Dinge wie Adressänderungen, Wechsel einer E-Mail-Adresse, Frage nach einer Zuwendungsbestätigung und so weiter. Im Profitbereich wird hier sehr viel experimentiert. Das soll natürlich nicht heißen, dass wir den wertvollen persönlichen Kontakt mit Spendern beenden wollen. Aber es kann nicht schaden, mehr Zeit für wichtige Gespräche zu haben, und sich nicht endlos mit Adressänderungen aufhalten zu müssen.

Fundraising-Echo: Es wird auch Entwicklungen im Bereich Gesetzesreformen geben. Ein großes Thema 2018 ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU. Was kommt da auf den gemeinnützigen Bereich zu?
 
Dr. Matthias Lehmann: Organisationen, die bisher dem deutschen Datenschutz genau gefolgt sind, müssen sich keine großen Sorgen machen. Im deutschen Datenschutzgesetz standen bereits Dinge wie: Double-Opt-in, Datensparsamkeit oder Auskunft geben können, wenn Rückfragen kommen. Aufpassen müssen Organisationen, die sich bisher in den Grauzonen des Datenschutzes bewegt haben. Allerdings müssen sich alle Organisationen mit den neuen Dokumentationspflichten befassen.

Fundraising-Echo: Was versteht man unter Double-Opt-in?

Dr. Matthias Lehmann: Double-Opt-in bedeutet, dass ich prinzipiell davon ausgehe, dass die Menschen nichts unaufgefordert zugeschickt bekommen wollen, sondern sich aktiv für den Newsletter oder die E-Mail anmelden müssen. Geht der Unterstützer oder die Unterstützerin auf eine Spenden- beziehungsweise Petitionsseite, darf das Häkchen für die Einwilligung nicht vorab gesetzt sein. Vielmehr muss die Person es aktiv anklicken. Das ist das einfache Opt-in.

Bei Double-Opt-in klickt die Person das Häkchen an und gibt damit die Einwilligung: Ja, ich will das haben. Anschließend erhält sie eine Bestätigungs-E-Mail. Darin befindet sich ein Link, der erneut angeklickt werden muss. Erst dann ist die E-Mail im System aktiv. Das wird der Standard werden.

Fundraising-Echo: Hat die neue Datenschutz-Grundverordnung auch Einfluss auf Facebook?

Dr. Matthias Lehmann: Das ist eine spannende Frage, die ich momentan nicht einfach beantworten kann. Facebook ist in sich ein Einwillungssystem. Das heißt: Man muss sich bei Facebook aktiv anmelden, um überhaupt drin zu sein. Durch das Anmelden stimmt der User vielen Sachen zu. Es kann sein, dass es zu Nachjustierungen kommt. Wahrscheinlich wird Facebook von der DSGVO weniger betroffen sein als Systeme, die bisher im Hintergrund ohne Anmeldung gelaufen sind. Vielleicht bekommen Facebook oder Google sogar einen Wettbewerbsvorteil, weil sie Opt-in-Systeme sind. 
 
Fundraising-Echo: Für jede NPO ist ein hohes Ranking bei Google wichtig. Beobachten Sie da neuere Trends?

Dr. Matthias Lehmann: Google wird auch zukünftig nur auf technisch aktuelle Seiten verlinken. Schon jetzt werden Seiten abgestraft, die nicht mobilfähig sind. Mehr als die Hälfte aller Google-Suchanfragen auf der Welt werden von mobilen Geräten ausgeführt. Gelangen also die User auf Seiten, die nicht mobilresponsive sind, ist das Ergebnis für sie schlecht. Außerdem registriert Google, wie lange die User auf den Seiten bleiben und rumklicken. Denn nur das zeigt, dass Google relevanten Content angeboten hat.

Fundraising-Echo: Content beinhaltet auch, gute Geschichten zu erzählen. Müssen Organisationen das online verstärken?

Vier Pfoten Löwen VIER PFOTEN setzt sich für den Schutz von vernachlässigten Löwen in Zoos ein.
Foto: © VIER PFOTEN/Bogdan Baraghin
Dr. Matthias Lehmann: Im Fundraising müssen gute Geschichten erzählt werden. Für mich bedeuten letztlich gute Geschichten, dass wir als NPOs uns nicht auf unsere Prozesse fokussieren. Nehmen wir zum Beispiel eine Organisation, die gerade eine politische Kampagne fährt. Dann ist die Geschichte, die diese Organisation erzählen muss, nicht, dass sie den Politikern einen Brief schreibt oder sich mit ihnen trifft. Das interessiert keinen. Die interessante Geschichte beinhaltet das Ergebnis der Arbeit. Was ist der Outcome? Was die Vision? Welchen Missstand würde eine Organisation verändern? Wie muss das Bessere in der Welt aussehen? Wenn das an Einzelbeispielen greifbar gemacht wird, entstehen gute Geschichten. Die Tatsache, dass ich dem Bürgermeister einen Brief schicke, das ist keine Geschichte. Und das muss natürlich auch alles online passieren.

Fundraising-Echo: Bleiben wir bei den guten Online-Geschichten. Viele NPOs setzen Bewegtbilder ein. Wird es da zu Veränderungen kommen?

Dr. Matthias Lehmann: Das Bewegtbild wird wichtig bleiben. Sowohl meine Erfahrung als auch die meiner Kollegen belegen das Interesse der User an Bewegtbildern. In Zukunft sollten die NPOs aber ein Augenmerk darauf haben, dass die User nicht nur die Bewegtbilder anschauen und konsumieren. Vielmehr muss das Bewegtbild zu einer Aktion führen, zum Beispiel Spende oder Unterschrift. Außerdem wird die Zeit der Bewegtbilder kürzer werden. Waren vor zwei Jahren die Videos noch 60 oder 90 Sekunden lang, so experimentieren erste Fernsehsender mit 6 Sekunden in den Werbeblöcken.

Fundraising-Echo: Geht der Trend hin zu interaktiven Elementen in E-Mails, also weg von der Landing Page?

Dr. Matthias Lehmann: Das wird von den Profit-Marketing-Leuten als E-Mail-Trend postuliert. Aber es hat sich bisher nicht durchgesetzt, die technischen Standards sind noch nicht etabliert. Momentan sind die Investitionen zu hoch. Aber man muss beobachten, was der Profitsektor daraus macht. Vielleicht können wir es adaptieren.

Fundraising-Echo: Wie sieht es mit offline aus. Geht der Trend hin zu einer besseren Verzahnung von on- und offline?

Dr. Matthias Lehmann: Es ist eine bessere Verzahnung von on- und offline notwendig. Momentan werden die beiden Bereiche zu oft getrennt voneinander gedacht. Organisationen schicken zum Beispiel Dauerspendern ein gedrucktes Mailing, bei denen sie genau wissen, wie viel bisher gespendet wurde. Die Spendenfrage ist darauf ausgerichtet.

Da diese Daten in den Online-Systemen oft nicht vorliegen, kommunizieren wir online mit den Menschen, ohne etwas vom Spender zu wissen. Ist er Dauerspender, Pate oder Großspender. So kann es passieren, dass der Spender im gedruckten Mailing die angepasste und online plötzlich eine wahllose Spendenfrage bekommt. Ein Großspender erhält zum Beispiel online die Spendenfrage: Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit mit 15 Euro. Drei Tage vorher hatte derselbe Spender im gedruckten Mailing eine Anfrage um 150 Euro erhalten. Das darf nicht passieren.

Fundraising-Echo: Wie sieht die Zukunft der E-Mail im deutschsprachigen Raum aus?

Matthias Lehmann: Die E-Mail wird ihren Platz in der Spender-Kommunikation behalten. Auch wenn vielen Berufstätigen die E-Mail als ein nerviges Tool erscheint, ist sie im Online-Bereich eines der wenigen Elemente, das persönlich wahrgenommen wird. Man bekommt sie ins persönliche Postfach zugeschickt und hat nicht das Gefühl, dass Google, Facebook oder sonst wer direkt die Daten abgreifen. Ich glaube, dass Empfänger unserer Botschaften froh sind, wenn sie die E-Mail für sich bekommen, lesen und darauf reagieren können.
 

Dr. Matthias Lehmann ist Head of Fundraising Deutschland bei der international tätigen Tierschutzorganisation VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz. Davor war er Teamleiter Fundraising bei PETA Deutschland e.V. Dr. Lehmann ist Fundraising Manager (FA) und Mitglied des Ethikausschusses des Deutschen Fundraising Verbandes. Er referiert regelmäßig auf Fundraising-Tagungen und bei der Fundraising Akademie.
E-Mail: Matthias.Lehmann@vier-pfoten.org

 

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