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Putins langer Tisch

Wladimir Putin hockt an einem endlos langen, schmalen Tisch, der sich quer durch einen riesigen Konferenzraum erstreckt. Er sitzt am Kopfende, die Arme verschränkt, mit dem Rücken zum Betrachter. Am anderen Ende des Tisches – aufgrund der Entfernung beinahe nur noch als braune Pünktchen zu erkennen: sein Verteidigungsminister und sein Generalstabschef.

Bildwechsel. Wolodymyr Selenskyj hält einen Becher Cola in die Höhe. Er sitzt auch an einem Tisch: Klein, oval, offenbar in einem Keller. Drumherum einfache Soldaten in Militäruniform und mit Schutzwesten. Selenskyj mittendrin, gleiche Klamotten. Die Männer blicken einander an und lachen.

Es sind wohl diese beiden Bilder aus den sozialen Medien, die uns von beiden Kriegsherren – der eine Angreifer, der andere Verteidiger – am stärksten im Kopf bleiben. Wem hier die Sympathie gehört, ist klar: Selenskyj. Würden beide um Spenden für Kriegsverletzte bitten, Selenskyj würde sie bekommen.

Das würde er auch, wenn wir weder beide Persönlichkeiten noch den politischen Hintergrund kennen würden. Warum? Weil die Fotos Bände sprechen. Auf der einen Seite ein einsamer Mann, weit weg von anderen Menschen, der uns den Rücken zudreht. Auf der anderen Seite ein Mensch mitten unter Seinesgleichen, entspannt und seine Kameraden anlachend. Nicht nur Kleider machen Leute. Fotos auch!

 

Das letzte Abendmahl von Leonado da Vinci

Schon Jesus wusste: Zeige dich nahbar und menschlich.

Was heißt das für unser Online- und Social-Media-Fundraising? Die direkte Botschaft: 1. Bildet Menschen in fröhlicher Runde beim Essen ab! (Das wusste übrigens schon Jesus.) 2. Macht keine Fotos von langen, leeren Tischen – insbesondere wenn ein zwielichtiger Charakter am Kopfende sitzt.

Aber wir können aus beiden Fotos auch noch allgemeinere Schlüsse für unser Fundraising ziehen. Und zwar mit Hilfe der sogenannten Limbic Map. Basierend auf der Tatsache, dass der Mensch über 95 Prozent seiner Entscheidungen unbewusst trifft, verknüpft die Limbic Map Erkenntnisse aus Neurologie und Psychologie mit empirischer Konsumentenforschung. Sie erlaubt es, Zielgruppen anhand von drei Grundausprägungen – Dominanz, Stimulanz und Balance – nach ihrer Persönlichkeit und ihrem Werteraum zu charakterisieren. Daraus wiederum lassen sich sieben Limbic-Typen ableiten: Abenteurer, Performer, Disziplinierte, Traditionalisten, Harmonisierer, Offene und Hedonisten.

Diesen Gruppen können wir unsere Spenderinnen und Spender zuordnen. Und: Die Gruppen lassen sich – z.B. auf unseren Social-Media-Kanälen – mit unterschiedlichen Bildern ansprechen. Bringen wir beides zusammen, stellen wir fest: Die meisten Spender*innen sind Harmonisierer. Menschen mit einer hohen sozialen Orientierung, denen Geborgenheit, Familie und Natur wichtig sind. Und genau mit diesen Fotos lassen sie sich ansprechen: Bilder von Menschen, Menschen in Gruppen, die füreinander da sind. Positiv, spontan und emotional. Bilder wie das von Selenskyj.

Und Putin? Sein Foto drückt vor allem Macht und Status aus. Auch dafür gibt es eine Limbic-Persönlichkeit: die Performer. Und auch das ist eine Spendergruppe – wenn auch deutlich kleiner als die Harmonisierer. Diese Gruppe lässt sich allerdings lieber mit schlüssigen, wirkungsstarken Grafiken statt hübschen Fotos überzeugen. Wenn man ihnen also schon einen langen, großen Tisch zeigt, dann nur zusammen mit einer schönen Grafik. Darauf zu sehen: In wie viele Schulpulte für afrikanische Schüler*innen sich so ein 30-Meter-Konferenztisch wohl zerlegen lässt.

 

 


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Dr. Christian Gahrmann

Über den Kolumnisten

Dr. Christian Gahrmann ist Experte für strategisches Fundraising und passionierter Geschichtenerzähler. Nach Stationen als Fundraiser bei der Deutschen Diabetes-Stiftung, Roland Berger Strategy Consultants und der China-EU School of Law arbeitet Christian Gahrmann seit 2012 als selbstständiger Fundraising-Berater (www.christian-gahrmann.de).

Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören unter anderem die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung von Fundraising in den sozialen Medien. Er ist Gründer der größten Fundraiser-Community (www.nachhaltiges-fundraising.de) und der größten Spender-Community (www.traumspender.de) auf Facebook.

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