Menschengruppe
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Im Interview mit Christian Noack

Rentablere Houselist-Mailings durch E-Mail-Versand?

Das Gespräch führte Ralph Davids


Fundraising Echo: Nach wie vor ist der Spendenbrief für viele Organisationen der wichtigste Weg zur Generierung von Spenden. Warum und wann sollte ich bewusst darauf verzichten, einen Spender postalisch anzuschreiben?

Christian Noack: Die Erfahrung zeigt, der durchschnittliche Spender spendet rund drei Mal pro Jahr. Viele NGOs verschicken aber monatlich ein Mailing an ihre Houselist. Rein rechnerisch erhält ein Spender in diesem Fall also neun Mailings „zu viel“. Die Kunst besteht nun darin, die postalischen Briefe, auf die der Spender wahrscheinlich nicht reagieren wird, durch eine E-Mail zu ersetzen.

Warum wird dann nicht gleich auf einen Kontakt verzichtet, auch eine E-Mail kostet schließlich Zeit und damit Geld?

Erfolgreiches Fundraising zeichnet sich durch den regelmäßigen Dialog aus. Verschwindet eine NGO zu lange aus dem Sichtfeld der Spender, droht sie auch aus dessen Relevant Set zu verschwinden. Wir haben untersucht, wie sich das Spendenverhalten verändert, wenn ein Spender über einen längeren Zeitraum keinen Kontakt zu einer NGO hat. Kurz gesagt: Mit zunehmender Dauer gehen die Responses zurück. Hier kommt die E-Mail ins Spiel. Sie bietet eine kostengünstige Möglichkeit, diesen Kontakt zu halten.

Christian Noack

Christian Noack, Geschäftsführer der SAZ Services GmbH

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Wenn es vor allem um den wiederkehrenden Kontakt geht, reicht es dann nicht, wenn Spender regelmäßig einen Newsletter erhalten? Worin unterscheiden sich Newsletter und Houselist-E-Mail überhaupt?

Der Unterschied zwischen einem Newsletter und einer Spenden-E-Mail besteht zumeist in der Themenbreite. Ein Newsletter bietet in der Regel einen guten Überblick über die aktuellen Aktivitäten der NGO und hat daher einen informativen, redaktionellen Charakter. Eine Spenden-E-Mail hingegen befasst sich üblicherweise mit einem (Haupt-)Thema, für das konkret und explizit um eine Spende gebeten wird.

Für die Kommunikation und die Spenderbindung ist ein Newsletter ein gutes Medium. Aber in den meisten Fällen sind nicht alle Spender auch gleichzeitig Abonnenten des Newsletters einer NGO. Da gilt es schon alleine diese Lücke zu schließen. Bei den Spendern, die auch gleichzeitig Abonnenten des Newsletters sind, lohnt sich aber auf jeden Fall die Abwägung, ob ein Newsletter oder eine Spenden-E-Mail die postalische Lücke schließen soll. Insbesondere wenn beide in kurzem Abstand verschickt werden.

Achten Sie immer darauf den Spender digital nicht zu überfordern. Wir empfehlen im Zweifelsfall den Newsletter zu verschicken. Dieser unterliegt meist einer gewissen Regelmäßigkeit mit der der Empfänger rechnet. Eine Spenden-E-Mail vermissen nur wenige Empfänger.

Sie haben die Diskrepanz zwischen der Anzahl erhaltener postalischer Mailings und der Anzahl der getätigten Spenden hingewiesen. Es ergibt also Sinn, die Anzahl der postalischen Mailings zu reduzieren. Da stellt sich die Gretchen-Frage: Woher wissen Sie, ob ein Spender reagieren wird oder nicht?

Die Frage ist nicht, ob ein Spender reagiert, sondern wie wahrscheinlich es ist, dass ein Spender reagiert. Dazu hat SAZ ein Scoring-Modell entwickelt, in das möglichst viele Parameter einlaufen, die einen Rückschluss auf die aktuelle Spendenwahrscheinlichkeit erlauben. Das sind neben den Kampagnen-Themen auch Spenden-Muster, die Höhe der letzten Spende im Vergleich zu den übrigen Spenden, soziodemografische Angaben bis hin zu Informationen aus der Individualkorrespondenz, die wir über ein sogenanntes Text Mining filtern. Die eigentliche Kunst bei der Erstellung des Modells besteht darin, die einzelnen Parameter in Bezug auf deren Auswirkung auf die Spendenbereitschaft zu gewichten.


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Textmining
Textmining
Textmining

Kurz erklärt: Text Mining
Text Mining umfasst verschiedene Algorithmen, die für die Analyse unstrukturierter oder nur schwach strukturierter Textdaten eingesetzt werden. Es verbindet Ansätze aus Linguistik und Statistik. Die Idee hinter Text Mining ist es, aus den unstrukturierten oder nur schwach strukturierten Textdaten die Kerninformationen zu extrahieren und so eine schnellere Textverarbeitung zu ermöglichen. Text Mining findet in den unterschiedlichsten Bereichen Anwendung. Dazu zählen: Marketing, Social Media, Risikomanagement oder Spam-Filterung.


Anhand der Daten ermittelt unser Modell einen Wert, der angibt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Spender auf das Mailing reagiert. Der Durchschnittswert ist dabei immer 1. Adressen mit einem Score größer als 1 haben also eine erhöhte, Adressen mit einem Score kleiner als 1 eine verminderte Wahrscheinlichkeit. So können unsere Kunden ganz individuell festlegen, ab wann sie ein postalisches Mailing durch eine E-Mail ersetzen wollen. Der entsprechende Wert ist selbstverständlich variabel und kann von Kampagne zu Kampagne variiert werden.

Sie sprechen vom Scoring-Modell. Lässt sich das in der Praxis auch verifizieren?

Ja, das geht sehr exakt. Und das Beste daran ist, dass das sogar schon vor dem ersten praktischen Einsatz geht. Denn wir entwickeln das Modell ja ganz konkret auf den Erfahrungswerten im Vorfeld durchgeführter Kampagnen. Im Anschluss nehmen wir ebenfalls bereits gelaufene Kampagnen, die aber nicht in die Modellberechnung eingelaufen sind und prüfen, wie sich die Responses verhalten hätten, wenn wir hier schon das Scoring-Modell angewendet hätten.

Wenn also ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Personen wirklich nicht gespendet hat, bei denen wir das vorhergesagt hätten, passt das Modell. Wir drehen so lange an den Parametern, bis die Prognose möglichst exakt ist.

Nun hat aber nicht jede Organisation von jedem Spender auch die E-Mail-Adresse. Können E-Mail-Adressen wie andere Adressen auch gemietet werden?

Im Prinzip können Sie E-Mail-Adressen auch kaufen oder mieten. Nur wird Ihnen das in diesem Fall nichts nützen. Denn in der Regel ist es so: Sie haben die postalische Adresse und der Adress-Eigner meist nur die E-Mail-Adresse. Da bekommen Sie einen Abgleich unmöglich hin. Und auch wenn der Anbieter zu den E-Mail-Adressen eine postalische Adresse hätte, scheuen sich die meisten NGOs verständlicherweise ihre gesamten Adressen für den Abgleich herauszugeben.

Ich kann daher nur jeder NGO raten, über die eigenen Kanäle so viele E-Mail-Adressen der Spender zu sammeln wie möglich. Im Hinblick auf das demnächst zu erwartende Inkrafttreten der E-Privacy-Verordnung im Idealfall gleich mit einem rechtlich einwandfreien Opt-In.

Sie schneiden da ein wichtiges Thema an: Brauche ich ein Opt-In, wenn ich meine aktiven Spender mit einer E-Mail anschreiben möchte?

Auch nach Einführung der Datenschutz-Grundverordnung unterliegen E-Mails, sowie die Kommunikation per Telefon, nach wie vor dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Und hier kommt es darauf an, ob die Kommunikation das Ziel verfolgt, Waren und/oder Dienstleistungen zu verkaufen. Nur dann ist ein Opt-In notwendig. Da Spenden aber nicht hierunter fallen, gehen die meisten Experten davon aus, dass NGOs noch eine Sonderrolle besitzen und für den Versand von E-Mails kein Opt-In benötigen.

Mit Inkrafttreten der E-Privacy-Verordnung kann sich die Rechtslage aber ganz anders darstellen. Derzeit kann davon ausgegangen werden, dass auch NGOs nur bei einem vorhandenen und belegbaren Opt-In telefonieren oder E-Mails verschicken dürfen. Jede NGO ist also gut beraten, sich schon jetzt um die entsprechenden Zustimmungen zu kümmern.

Zurück zum Thema Houselist-Mailing. Sie sagten, dass eine E-Mail nur dann verschickt wird, wenn der Spender voraussichtlich nicht spenden wird. Ist es dennoch sinnvoll, eine Spendenmöglichkeit in die E-Mail zu integrieren?

Auf jeden Fall! Aber nicht nur, um Spenden zu generieren. Jede Interaktion und jeder Klick generieren weitere Informationen, die in unser Scoring einfließen und dieses noch präziser machen. Sie können eine E-Mail beispielsweise nutzen, um Themeninteressen sichtbarer zu machen. Und wenn jemand auf eine Spenden-E-Mail spendet, ist das auch eine wichtige Information. Denn dann ist offensichtlich ein Spender zu viel aus dem postalischen Verteiler genommen worden, was im Nachhinein dabei hilft, das Scoring-Modell zu optimieren.

Und wie rentabel ist eine solche Houselist-E-Mail?

Es ist nicht das Ziel der E-Mail rentabel zu sein, sondern die Rentabilität des postalischen Mailings zu steigern. Je nach Umfang der vorhandenen E-Mail-Adressliste kann die Response des postalischen Mailings im mittleren einstelligen Bereich gesteigert werden. Das ist aus unserer Sicht ein sehr guter Grund, sich mit dem Thema zu befassen.

Bei Fragen oder Anregungen zu unserem Newsletter wenden Sie sich gerne an E-Mail: fundraising-echo@saz.com.

 

Zur Person
Christian Noack ist zusammen mit Georg Brinkmann langjähriger Geschäftsführer der SAZ Services GmbH und zuständig für die Schwerpunkte IT und Business Intelligence

 

 

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