Steuerbegünstigung ist kein Kriterium fürs Fundraising

Von Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph Müllerleile © Dr. Christoph Müllerleile

 

Wissenschaftler mit Definitionsmacht haben das Kriterium „steuerbegünstigt“ als Kriterium für Gemeinwohlorientierung ins Fundraising gebracht. Das ist falsch. Fundraising darf nicht über staatliche Privilegien definiert werden. Fundraising ist eine Kulturtechnik, die es ermöglicht, Mittel für am Gemeinwohl orientierte Zwecke zu beschaffen. Steuerbegünstigung ist die staatliche Anerkennung von Leistungen, die nach dem Ermessen parlamentarischer Mehrheiten, der Exekutive und der Judikative dem Gemeinwohl dienen.

Wer Körperschafts- und Gewerbesteuer sparen, bei der Umsatzsteuer erhebliche Reduzierungen genießen, Zuwendungen durch staatlichen Abgabenverzicht attraktiver machen, staatliche und private Subventionen genießen, günstigere Bezugsquellen nutzen, verbilligte Leistungen in Anspruch nehmen und privilegierenden Spitzenverbänden beitreten darf, hat erhebliche Kostenersparnisse und Wettbewerbsvorteile.

Dass all das durch einen einfachen Finanzamtsbescheid zunichte gemacht werden kann, musste der Attac Trägerverein e.V. in Frankfurt am Main erfahren. Nach der regelhaften Prüfung der Steuerjahre 2010 bis 2012 stellte das zuständige Finanzamt Frankfurt III dem Verein am 14. April 2014 über diese Jahre Bescheide zur Körperschaftssteuer aus, was einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit gleichkam. Gleichzeitig behauptete das Finanzamt, die – bisher nicht beanstandete – Satzung genüge nicht den Voraussetzungen der Abgabenordnung (AO), also der Gesetzesgrundlage.

Das Finanzamt weigerte sich auch, Freistellungsbescheide für die Folgejahre 2014 und 2015 auszustellen. Attac musste umfangreiche Belege für seine Bildungsarbeit und Ausgaben zu namentlich benannten politischen Themen einreichen. Alles ließ sich klar den satzungsmäßigen Aufgaben des Vereins zuordnen. Das Finanzamt konstruierte daraus jedoch einen Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot des Paragrafen 56 der Abgabenordnung. Der Verein verfolge neben den gemeinnützigen Aktivitäten politische Ziele und mache Attac dadurch zum „politischen Verein“.
Politische Vereine werden wie Parteien behandelt und müssen sich nach dem Parteiengesetz um Mandate zumindest in einem Landtag bemühen, wenn sie die Steuerprivilegien von Parteien genießen wollen. Sonst werden sie steuerlich wie Profitunternehmen behandelt.

Offenbar handelte das Frankfurter Finanzamt mit ministeriellem Einverständnis, denn der Referatsleiter Körperschaften beim Hessischen Finanzministerium übernahm bei einem entscheidenden Gespräch von Attac mit dem Frankfurter Finanzamt die Gesprächsführung.

Der Hessische Finanzgerichtshof machte dem Spuk ein Ende und urteilte am 10. November dieses Jahres, das politische Engagement von Attac stehe der Gemeinnützigkeit nicht entgegen. Die Vorgänge sind im Einzelnen auf der Webseite www.attac.de dokumentiert.

Mit Attac dürften mindestens sechzig zivilgesellschaftliche Vereine und Stiftungen in Deutschland aufgeatmet haben. Sie gehören der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ an und drängen den Gesetzgeber, Rechtssicherheit zu schaffen. Der Verlust der Freistellung wäre für sie mit Nachbesteuerung und Konkursgefahr verbunden. Der Gesetzgeber will verhindern, dass sich eigennützige Lobbygruppen der Industrie als gemeinnützige Vereine tarnen und Steuerprivilegien genießen.

Mein Anliegen ist es aber schlicht, bei der wissenschaftlichen Definition von Fundraising Steuerbegünstigung nicht zum Merkmal zu machen. Es gibt viele Initiativen, die gemeinwohlorientiert sind, gleichwohl aber eine Steuerbegünstigung gar nicht anstreben, weil sie nur temporär tätig sind oder einem Zweck dienen, der von der Abgabenordnung nicht eindeutig erfasst ist, oder sich die erforderliche Organisationsbildung als Verein, Stiftung oder GmbH ersparen wollen. Trotzdem ist deren Mittelbeschaffung Fundraising. Was denn sonst?

Geradezu dramatisch wird es, wenn man bei Organisationen in autoritären Staaten die Zubilligung ihrer Gemeinwohlorientierung von staatlicher Anerkennung abhängig machen wollte. Das Steuerrecht ist eine der großen staatlichen Keulen, die gegen Unliebsame geschwungen werden, sei es durch penible Steuerprüfungen oder gleich durch Einstufung als verfassungsfeindliche Vereinigung.

 

Dr. Christoph Müllerleile ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: info@fundraising-buero.de

 

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