StiftungsTag 2016: Wie Stiftungen gesellschaftlichen Veränderungen begegnen

Von Claudia Wohlert

Die Zeit, in der die Antriebsfeder der Menschheit geprägt war durch Sich-Vermehren und Wachsen, neigt sich dem Ende. Vielmehr beginnt eine Epoche, die nach und nach dem Wachstum ein Ende setzt und ein Schrumpfen hervorruft. Wie sich Stiftungen diesem demografischen Wandel stellen, wollten Stifter und Stiftungsvertreter auf dem Deutschen StiftungsTag 2016 in Leipzig klären.

Unter dem Motto „Älter – bunter – anders: Der demografische Wandel und Stiftungen“ hatte der Bundesverband Deutscher Stiftungen eingeladen. Und die Stifter, Geschäftsführer und Mitarbeiter kamen. Über 1.800 Teilnehmer konnte der größte europäische Stiftungskongress willkommen heißen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Prof. Dr. Michael Göring, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, sprachen zur Eröffnung.
StiftungstagAuf dem StiftungsTag in Leipzig wurde klar, dass Fundraising immer mehr in den Fokus von Stiftungen gerät. © Axel Kirchhof
Göring rief die Stiftungen dazu auf, sich bei der Problembewältigung des demografischen Wandels und seinen Folgen stärker zu beteiligen. „Seit den Babyboomern Ende der 1960er-Jahre ist jede Kindergeneration um ein Drittel kleiner als die ihrer Eltern. Der Osten durchlebt den demografischen Wandel im Eiltempo mit weniger Zeit zur Anpassung. In vielen Gemeinden hier ist der Anteil der über 64-Jährigen doppelt so hoch wie im Westen.“

Aufgabenfelder im demografischen Wandel

Dass aber für viele Stiftungen der demografische Wandel längst kein neues Thema ist und sie bereits auf vielen Feldern dieser facettenreichen Problematik tätig sind, zeigte eine vorangegangene Befragung unter den Mitgliedern des Bundesverbandes Deutsche Stiftungen. Für faire Bildungschancen setzen sich 42 Prozent ein. Im bürgerlichen Engagement finden sich 40 Prozent wieder und Integration von Zugewanderten haben sich 27 Prozent auf die Fahne geschrieben. Soziale und kulturelle Angebote in Städten (27 Prozent) und im ländlichen Raum (26 Prozent) sind ebenfalls Aufgabenbereiche, in denen Stiftungen schon tätig sind. Bei der Teilhabe und Versorgung im Alter bringen sich 22 Prozent ein. Die aktive Bürgerschaft setzt dort an, wo der demografische Wandel zwar nicht ausgeschaltet, aber immerhin einigermaßen bewältigt werden kann.

Demografischer Wandel innerhalb der Stiftung

Aber nicht nur im Engagement vieler Stiftungen sind die gesellschaftlichen Veränderungen zu beobachten. Er ist auch in der Stiftung selbst allgegenwärtig. Die Umfrage erfasste ebenfalls mögliche Folgen innerhalb der eigenen Organisation. Hier sagten 56 Prozent der Stifter, dass das Durchschnittsalter der Mitarbeiter und Engagierten gestiegen war. Weitere 55 Prozent beklagten sich, dass es Probleme bei der Nachfolge in den Gremien gibt. Und 17 Prozent befürchten sogar, zukünftig kein qualifiziertes Personal mehr zu finden.

Vermögensanlage neu überdenken

Neben der anzupassenden Personalstrategie beherrschte die Frage nach der demografiefesten Vermögensanlage den Kongress. In Zeiten von sinkendem Leitzins und möglicher Negativzinsen seitens der Banken stehen viele Stiftungen vor großen Herausforderungen. Felix Oldenburg, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, sieht in Impact Investing „ein Einfallstor für wirkungsorientierte Geldanlage. Indem Stiftungen ihre Vermögensstrategie und ihre Förderziele zusammen denken, erweitern sie ihren Handlungsspielraum und ihre mögliche Wirkung erheblich. Haben Stiftungen bisher nur die rechte Hand (Vermögensanlage) oder die linke Hand (Förderung) bedient, ist Impact Investing die Chance, durch das Zusammenspiel beider Hände mehr zu gestalten.“

Einwerben von Spenden und Zustiftungen

Aber nicht nur Impact Investing gilt als mögliche Anlageform der Zukunft. Investitionen in Pflegeimmobilien sind nach wie vor ein Thema. Des Weiteren das Vermögenspooling, bei dem sich kleine Stiftungen an eigens aufgelegten Spezialfonds großer Stiftungen zu gleichen Konditionen beteiligen können. Auch Fundraising, insbesondere die Ansprache von Großspendern und Unternehmern, gerät immer mehr in den Fokus von Stiftungen. Bereits im April vermeldete die Pressestelle des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, dass das Einwerben von Spenden und Zustiftungen bei Stiftungen viel öfter passiert als bisher angenommen. „Demnach sind bereits 43 Prozent der befragten Stiftungen im Fundraising aktiv. Weitere 16 Prozent planen, ins Fundraising einzusteigen.“ Demgegenüber stehen 40 Prozent, die keine zusätzlichen Mittel einwerben werden.

Unter den bereits fundraisenden Stiftungen sehen 56 Prozent Erbschaftsfundraising als besonders zukunftsträchtig an. In einem Jahrzehnt, in dem zirka 2,6 Billionen Euro von einer Generation auf die andere übergehen sollen, ist ihrer Meinung nach die Stiftung mit ihrer auf Dauer angelegten Arbeit eine gute Perspektive für Erblasser.

Wie auch immer die Stiftungen die gesellschaftlichen Veränderungen aktiv mitgestalten werden, Göring sieht den demografischen Wandel als „eine Generationenaufgabe für die Generationenarbeiter Stiftungen. Die Zuwanderung als Chance zu begreifen, Deutschland als Einwanderungsland mit fairen Bildungschancen für alle zu gestalten, wird zusätzlich helfen, diese Aufgabe zu meistern.“

 

Claudia Wohlert, freie Journalistin und Fundraising-Managerin (FA), www.claudia-wohlert.com,
textagentur@claudia-wohlert.com.

 

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