Kolumne
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Storytelling für die Nachwelt

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Man möge es mir verzeihen. Aber es gibt Storys, die mich als Älteren besonders berühren, vor allem, weil ich im Laufe meines Fundraiser-Lebens zahlreiche Kolleginnen und Kollegen erlebt habe, deren Storys es verdienen, in Erinnerung zu bleiben, nicht nur einfach als Geschichten, sondern auch zur Nachahmung und zur Erinnerung an besondere Verdienste.

Eine Geschichte hat mich in diesen Tagen besonders berührt. Auf der Website des Deutschen Fundraising Verbands steht der Nachruf auf Michael Achzet, der am 11. Februar im Alter von 60 Jahren an Krebs starb. Er wird betrauert als lieber Kollege, Chef und geschätzter Dienstleister. Der Nachruf ist von Fundraiserinnen und Fundraisern ganz unterschiedlicher Herkunft unterzeichnet, die durch Achzets Schule gegangen sind oder mit ihm freundschaftlich verbunden waren und in der Szene einen Namen haben. Die Würdigung ist ein Kunstwerk aus Bewunderung, sanftem Spott und Dank. „Diese unglaubliche Mixtur aus Schwäbisch und Hochdeutsch. In dieser speziellen Perfektion hast nur du das hinbekommen. Und manchmal haben wir dich sogar verstanden,“ schreibt der unbekannte Autor.

Achzet habe sich dem Fundraising seit Mitte der Neunzigerjahre hingegeben und eine unbedingte Leidenschaft für große und außergewöhnliche Spendenkampagnen entwickelt. Auch als die Zeit dafür bei den meisten Organisationen noch lange nicht reif war. „Think big war dein Dreh- und Angelpunkt, dein Motor, dein Glaube. Hier hast du unter anderem für das Deutsche Rote Kreuz, den WWF und viele andere besonders im ‚Mäiling-Gschäft‘ viel initiiert, angeschoben und umgesetzt.“ Ohne dieses Vorangehen wäre das Mailing nicht eine der wichtigsten Einnahmequellen von NGOs geblieben, meint der Laudator. Gewürdigt wird auch die „unglaubliche Lebendigkeit und Zuversicht“, die oft auf berufliches und privates neues Terrain geführt habe. „Und wie so oft, lieber Michael, warst du schon weg, bevor wir es so richtig mitbekommen haben, konntest es wieder einmal nicht abwarten: schneller, höher, besser, weiter. Wo immer du auch jetzt bist, du wunderbares Schlitzohr, warte nicht, geh voran, mach was draus. So wie immer. Wir kommen dann nach. Später.“ Ich habe nie etwas Besseres über die Eigenschaften, die ein rastloser Fundraiser braucht, gelesen.

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile

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Vielleicht gibt es eines Tages eine echte Biografie über ihn. So wie über andere Fundraiser, die einen großen Namen haben und Freunde fanden, die sie würdigten, und wenn es niemand anders gab, der das so gut konnte wie sie selbst, dann haben sie selbst geschrieben. Hier eine Auswahl in beliebiger Reihenfolge:

  • Anton Sterzl: Menschenkinder-Gotteskinder. Arnold Poll, ein Leben für Gott und die Welt. Norderstedt 2004.
  • Rupert Neudeck: Man muss etwas riskieren; Menschlichkeit ohne Kompromiss. München 2015.
  • Auf den Spuren von Ernst Jakob Christoffel. Ein Lebensbild mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Nachgezeichnet von Sabine Thüne. Bensheim 2000.
  • Klaus Prochazka: Gegen den Strom. A. Schwartz – der widerspenstige Heilige. Ettlingen 2006.
  • Günter Krenn: Die Welt ist Bühne – Karlheinz Böhm: die Biographie. Berlin 2018.
  • Ruth Pfau: Die Schönheit des Helfens: Ärztin, Nonne, Powerfrau - ein verrücktes Leben. Freiburg 2018.
  • Werenfried van Straaten: Sie nennen mich Speckpater. Recklinghausen 1989.

Und es warten noch viele darauf, biografisch gewürdigt zu werden, zum Beispiel in einem Sammelband oder in Einzelbiografien: Heinz Fischer (1921-2012), Nestor des deutschen Direktmarketings, zusammen mit seiner Frau Regine Träger des Deutschen Fundraising-Preises 2011, Professor Siegfried Vögele (1931-2014), Erfinder der Dialogmethode, die den Übergang vom persönlichen Gespräch zum personalisierten Massenmailing erleichterte, Klaus Schober (1937-2013), der das Adressmarketing groß machte, Bruno Fäh (1925-2001), Träger des ersten Fundraising-Preises 1999 und Gründer des Schweizer Fundraising Verbands, Klaus M. Dieterich (1943-2001), feinfühliger Fundraising-Pionier aus der Schule von Klaus Schober, Toni Elischer (gestorben 2016), genialer Erklärer des Fundraisings aus Großbritannien, Pfarrer Paul Gräb (1921-2019), Träger des Fundraising-Preises 2001, Kunstsammler und -Mäzen aus Bad Säckingen.

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Über den Kolumnisten
Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@t-online.de

 

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