Thema „gemeinnütziges Vererben“ gewinnt auch bei Jüngeren an Bedeutung

Von Roland Schellwald

Über das Thema gemeinnütziges Vererben wird im Fundraising viel diskutiert. Es beschäftigt nicht nur die großen NGOs, auch regional tätige kleinere Hilfsorganisationen und Stiftungen wollen gern von Erbschaften profitieren. Sind die Spender diesem Thema gegenüber aufgeschlossen? Wie sollten Organisationen beim Erbschaftsmarketing vorgehen? Filantro Fundraising Echo sprach darüber mit dem Legats-Experten André Lersch.

Fundraising Echo: Herr Lersch, ist Erbschaftsmarketing tatsächlich noch ein hochsensibles Thema oder können Sie beobachten, dass die Menschen inzwischen offener damit umgehen als noch vor einigen Jahren?

Erbschaft Erbschaften bringen oft auf einen Schlag sehr hohe Summen in die Spendenkasse.
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André Lersch: Ich habe auch in der Vergangenheit nicht davon gehört, dass gemeinnützige Organisationen kritisch darauf angesprochen wurden, wenn sie das Thema gemeinnütziges Vererben in Veröffentlichungen behandelt haben. Wahrnehmbar war und ist immer noch eine gewisse Unsicherheit bei Organisationen, die sich neu mit dem Thema beschäftigen und versuchen für sich zu klären, wie sie potenzielle Erblasser und Vermächtnisgeber ansprechen möchten.

Ich glaube, dass viele Menschen den Gedanken des gemeinnützigen Vererbens nicht grundsätzlich ablehnen. Es war nur in der Vergangenheit eine kontroverser diskutierte Frage, an welchen Stellen sie auf diese Möglichkeit angesprochen werden. Die Gemeinschaftsinitiative „Mein Erbe tut Gutes“, zu der sich mehrere größere Organisationen und Stiftungen zusammengeschlossen haben, sowie die immer weitere Verbreitung findende Kampagne mehrerer Evangelischer Landeskirchen unter dem Motto „Was bleibt?“ tragen dazu bei, dass das Thema in der Öffentlichkeit breiter verankert wird. Hinzu kommt, dass auch unabhängige Verlage und Organisationen, wie beispielsweise die Stiftung Warentest, in Veröffentlichungen das Thema „Gemeinnütziges Vererben“ aufgreifen und erklären.

Fundraising Echo: Ist die Akquise von Erbschaften für NGOs wirklich so ein lukratives Geschäft? Schließlich sind damit ja auch Kosten verbunden.

André Lersch: Über eine Ausweitung der Investitionen in das Erbschaftsmarketing muss von den Organisationen sehr individuell entschieden werden. Dieser Schritt fällt denen leichter, die schon einmal oder mehrfach im Rahmen von Erbschaften und Vermächtnissen Zuwendungen erhalten haben. Aus meiner Sicht ist das Erbschaftsmarketing eine besondere Form des Großspenden-Fundraisings. Organisationen, die sich strategisch mit der Ansprache von Großspendern beschäftigen, wissen, dass sie für diese Zielgruppe in vielen Fällen wesentlich mehr Zeit und auch finanzielle Mittel aufwenden müssen. Wo die individuelle Ansprache einzelner Förderer noch nicht gepflegt wird und noch keine Erfahrungen in dieser Arbeit gemacht worden sind, sind kurzfristige Investitionen, zum Beispiel in eine Kampagne zum Erbschaftsmarketing, eher fragwürdig.

Fundraising Echo: Gibt es ein Alter, ab dem sich Spender darüber Gedanken machen, später ein Erbe für gemeinnützige Zwecke zu hinterlassen?


Andre Lersch Erbschaftsmarketing-Experte
André Lersch. Foto: © Agentur Koso
André Lersch: Es wird immer wieder betont, dass Personen im höheren Alter, frühestens ab dem fünfzigsten oder sechzigsten Lebensjahr, auf das Thema angesprochen werden können, beziehungsweise sich erst dann über die Regelung ihres Nachlasses Gedanken machen. Wir nehmen aber wahr, dass heute auch jüngere Menschen durch Vermögensübertragung von Eltern und Angehörigen schon früh mit den Fragen von Erben und Vererben konfrontiert werden. Auch bei ihnen das Thema gemeinnütziges Vererben und die damit verbundenen Werte des Teilens, der Solidarität und des Engagements zu verankern, erscheint mir zunehmend an Bedeutung zu gewinnen.

Fundraising Echo: Ist es heute noch so, dass eine Erbschaftsbroschüre eine zentrale Rolle bei der Erbschaftsakquise spielt? Oder gibt es andere Methoden, den Spendern das Thema näherzubringen?

André Lersch: Ganz sicher gibt es auch andere Möglichkeiten, den Spendern das Thema näherzubringen, eigentlich grundsätzlich in allen medialen Formen. Eine Erbschaftsbroschüre ist aus meiner Sicht hauptsächlich ein Instrument, um Personen identifizieren zu können, die auf das Thema ansprechbar sind und um zusätzliche Responsemöglichkeiten zu schaffen. Wir haben uns in der Praxisausbildung Erbschaftsmarketing der Fundraising Akademie mit den Teilnehmenden intensiv mit diesem Thema und den Inhalten dieser Broschüren beschäftigt. Ganz sicher kann es nicht darum gehen, in den Broschüren vorrangig oder nahezu ausschließlich zu erklären, wie man ein Testament aufsetzt und eine Zuwendung an eine gemeinnützige Organisation im Testament formuliert wird. Viel wichtiger ist aus unserer Sicht das Aufzeigen von gemeinsamen Werten, die die Organisationen und die Empfänger der Broschüren miteinander teilen und sich dem Wunsch zu stellen, den wohl fast alle Erblasser haben: Sie möchten mit ihrem Erbe deutlich machen, was und wer ihnen im Leben wichtig war und bleibt.

Fundraising Echo: Geht die Akquise von Erbschaften auch übers Internet oder ist die persönliche Betreuung durch nichts zu ersetzen?

André Lersch: Für die Ansprache des Themas ist aus meiner Sicht auch das Internet unerlässlich. Aber auch hier kann es nicht darum gehen, nur auf die Existenz einer Erbschaftsbroschüre hinzuweisen und vielleicht noch eine Kontaktperson in der Organisation zu benennen. Das Thema sollte in einen entsprechenden thematischen Zusammenhang gestellt werden. Es gilt zu erklären und zu klären, welches große Ziel, welche Vision die Organisation verfolgt und ob diese von den Empfängerinnen und Empfängern der Information geteilt werden. Dafür unterschiedliche Wege des Austausches anzubieten ist wichtig. In jedem Fall muss dieses Thema auch mit einem konkreten und möglichst persönlichen Gesprächsangebot verknüpft werden.

Fundraising Echo: Wie wichtig ist es für NGOs, Veranstaltungen zum Thema Erbschaft zu organisieren?

André Lersch: Die Veranstaltungen sind EIN Weg, um mit der Zielgruppe ins Gespräch zu kommen. Es gibt Organisationen, für die diese Form der Ansprache der Zielgruppe ein wichtiges Instrument ist. Hierzu gehören aus meiner Erfahrung unter anderem Organisationen, die sich mit einem bestimmten Krankheitsbild befassen, wie beispielsweise einer Krebserkrankung. Aber längst nicht für alle Organisationen ist die klassische Informationsveranstaltung, meistens gemeinsam mit einem Notar oder Rechtsanwalt, das wichtigste oder ein nutzbares Instrument für die Ansprache von potenziellen Erblassern.

Testament Viele Wege führen ins Testament des Spenders ...
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Fundraising Echo: Können Sie Beispiele für eine erfolgreiche Herangehensweise beziehungsweise ein gelungenes Konzept nennen?

André Lersch: Es gibt nicht das Beispiel für eine erfolgreiche Herangehensweise. In allen Kursen der Fundraising Akademie zu dem Thema gab es am Anfang immer den Wunsch, ein genaues Raster für den Aufbau des Erbschaftsmarketings zu entwickeln. Das ging teilweise so weit, ein einheitliches Konzept für eine Erbschaftsbroschüre zu entwickeln. Mir ist es wichtig, mit den Teilnehmenden den Rahmen abzustecken, in dem sich das Erbschaftsmarketing bewegt, welche Themen wichtig sind – und auf dieser Grundlage die Entwicklung eines individuellen Konzeptes zu ermöglichen. Hinzu kommen das Aufzeigen und die Suche nach verbindenden Werten und Erfahrungen. Dafür ist ein personales Angebot der Organisationen für die Zielgruppe der Erbschaftsspenderinnen und -spender unerlässlich. In der Fortbildung legen wir großen Wert darauf, dass die Kolleginnen und Kollegen über die Zeit der Fortbildung hinaus im Austausch bleiben. So können Erfahrungen kommuniziert und Fragen miteinander geklärt werden. Eine wichtige Voraussetzung, damit sich ein strategisches Konzept für das Erbschaftsmarketing in den Organisationen kontinuierlich weiterentwickeln kann.

Fundraising Echo: Welche Herangehensweise empfehlen Sie? Gibt es Dinge, die unbedingt zu beachten sind?

André Lersch: Es gibt Organisationen, die seit vielen Jahren großen Erfolg im Erbschaftsmarketing haben. Wir erfahren aber auch im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus diesen Organisationen, die ebenfalls an unseren Fortbildungen teilnehmen, dass sie sich neuen Herausforderungen stellen müssen. Sie erkennen die Veränderungen in den Lebensbiografien der potenziellen Testamentsspenderinnen und -spender, ihre veränderten Lebenssituationen und nicht zuletzt auch die sich verändernden Kommunikationsformen ihrer Zielgruppe.

Beispielsweise haben wir über die besondere Situation von alleinlebenden Förderern und die Frage, was gemeinnützige Organisationen ihnen anbieten können, schon mehrfach diskutiert und Ideen dazu entwickelt. Das geht bis zu der Frage, wie bei einer sich verändernden Begräbniskultur neue Gedächtnisorte für potenzielle Erblasser aussehen könnten.

André Lersch entwickelt als Leiter der Agentur KOSO Kommunikations- und Marketingkonzepte für Dienstleistungsunternehmen und Sozialorganisationen. Er verfügt über umfassende berufliche Praxiserfahrung durch langjährige Tätigkeit als Leiter einer Verlagsgesellschaft, einer mehrjährigen Referententätigkeit im sozialen Management und einem pädagogischen Studium.

 

Fortbildung „Erbschaftsmarketing (FA)“ bei der Fundraising Akademie

Die Initiative für gemeinnütziges Vererben bietet bei der Fundraising-Akademie ein Qualifizierungsprogramm für Fundraisingverantwortliche an.

Die Fortbildung umfasst drei Kurseinheiten in Frankfurt:

Mi. 25.04. - Fr. 27.04.2018
Mi. 20.06. - Fr. 22.06.2018
Mi. 05.09. - Fr. 07.09.2018

Für weitere Infos zur Fortbildung klicken Sie bitte hier.

Anmelden können Sie sich bei Petra Buschkämper per E-Mail pbuschkaemper@fundraisingakademie.de oder unter der Fax-Nr.: +49(0)69 580 98–271.

 

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