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Was wir von Märchen für unser Storytelling lernen können

Weihnachtszeit ist Geschichtenzeit. Geschichten, in denen das Gute obsiegt und die Kraft der Liebe und Hoffnung die Erde zum Leuchten bringt. Geschichten wie „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens oder „Das Paket des lieben Gottes“ von Berthold Brecht.

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Und auch wir Spendenorganisationen packen unsere schönsten Geschichten aus und schreiben sie in unsere Spendenbriefe, in unsere Newsletter und auf unsere Webseiten. Geschichten, wie ein kleines Mädchen bei bitterer Kälte einem Obdachlosen den Weg zu unserer Wärmestube zeigt. Oder wie zwei kleine Jungen in Malawi bei einer Missionsschule anklopfen und um eine Decke bitten – und zwei Wochen später das erste Mal in ihrem Leben in einem Klassenzimmer sitzen. Und viele andere.

Geschichten vermitteln Aufmerksamkeit, Mitgefühl und Zugehörigkeit. Geschichten bleiben im Gedächtnis. Manche Geschichten – wie die Ur-Weihnachtsgeschichte von der Geburt Jesu Christi – erzählen wir Menschen uns über Tausende von Jahren weiter. Deswegen gibt es auch im Fundraising keine stärkere Sprache als die Sprache von Geschichten.

Die ältesten Geschichten der Menschheit aber sind keine christlichen Geschichten. Es sind die Geschichten unserer Kindheit, die Märchen. Die ersten Märchen sind über 6.000 Jahre alt. Offenbar haben sie einen besonderen Zauber, eine besondere Wirkung auf uns Menschen.

Und das hat einen Grund: Denn jedes Märchen spielt auf einer sichtbaren, bewussten Ebene, aber auch auf einer versteckten, unterbewussten Ebene. Märchen sind Ausdruck des kollektiven Unterbewussten. Sie sprechen das Unterbewusstsein der Lesenden direkt an. So beschreibt etwa das Märchen von Aschenputtel die Entdeckung der Schönheit der eigenen Seele vor dem Hintergrund einer oberflächlichen, feindlichen Umwelt. Bei den Bremer Stadtmusikanten werden durch Esel, Hund, Katze und Hahn die Wesenseigenschaften des Menschen und ihr Zusammenwirken beschrieben.

Wenn man jetzt noch weiß, dass wir Menschen unsere Entscheidungen zu 90 Prozent aus dem Unterbewusstsein fällen, dann wird die Verbindung zwischen Märchen und Fundraising klar: Je mehr Elemente eines Märchens wir in unseren Geschichten haben, desto stärker sprechen wir das Unterbewusstsein der Lesenden an und desto eher wird er oder sie sich zu einer Spende entschließen.

 

Aufführung eines Märchens auf einer Bühne

 

Was sind typische Elemente eines Märchens?

  • In Märchen stehen sich oft Gut und Böse gegenüber. Ein guter Mensch kommt in eine schwierige Situation, überwindet sie und erhält eine Belohnung. Vielfach stehen den Held*innen Freund*innen und Helfende zur Seite.
     
  • Märchen werden in einer einfachen Sprache, die auch Kinder verstehen können, erzählt. Es gibt keine Fremdworte. Dafür werden wichtige Sätze im Laufe der Geschichte wiederholt. Märchen lassen der Vorstellungskraft des Lesers bzw. der Leserin einen großen Raum.
     
  • Symbole spielen eine große Rolle in Märchen. Etwa symbolhafte Zahlen („die sieben Zwerge“), symbolhafte Figuren („der böse Wolf“) oder symbolhafte Gegenstände (goldene Kugel, Spiegel).
     
  • In Märchen passiert etwas, das wir Geschehensethik nennen: Im Laufe der Geschichte wird unser zunächst erschüttertes Gerechtigkeitsgefühl wieder in Ordnung gebracht. Und sie senden klare ethische Botschaften, zum Beispiel: Wer für andere gibt, erhält es tausendfach zurück. Wie im Märchen von den Sterntalern.

Märchen gehen tief. Tiefer als alle anderen Geschichten. Deshalb mein Tipp: Orientieren Sie sich beim Aufbau Ihrer Geschichten an Märchen. Bauen Sie eins, zwei oder drei Elemente von Märchen in Ihre Geschichten ein. Und lesen Sie selbst einmal wieder ein Märchen – aus „Tausend und einer Nacht“, von den Gebrüdern Grimm oder Hans-Christian Andersen. Die Weihnachtszeit ist genau die richtige Zeit dafür. Und es tut Ihrer eigenen Seele gut. Glauben Sie mir!

 

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Porträt Dr. Christian Gahrmann

Über den Kolumnisten

Dr. Christian Gahrmann ist Experte für strategisches Fundraising und passionierter Geschichtenerzähler. Nach Stationen als Fundraiser bei der Deutschen Diabetes Stiftung, Roland Berger Strategy Consultants und der China-EU School of Law arbeitet Christian Gahrmann seit 2012 als selbstständiger Fundraising-Berater (www.christian-gahrmann.de).

Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören unter anderem die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung von Fundraising in den sozialen Medien. Er ist Gründer der größten Fundraiser-Community (www.nachhaltiges-fundraising.de) und der größten Spender-Community (www.traumspender.de) auf Facebook.

 

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