Wenn der Gründer geht

Von Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph MüllerleileDr. Christoph Müllerleile © Dr. Christoph Müllerleile

Rupert Neudecks Tod erinnert uns daran, wie wichtig eine Leitfigur für NGOs ist. Cap Anamur? Grünhelme? Gründungen des charismatischen Journalisten, der ein Macher, kein Fundraiser sein wollte, aber natürlich Mittel für seine Kampagnen akquirierte, wo er nur konnte. Der 77-Jährige hatte die Leitung der Grünhelme zwar in jüngere Hände gegeben. Aber die Lücke, die er hinterlässt, ist schwer zu schließen. Schon als er bei Cap Anamur aufhörte, zeigte sich, wie schwer die Nachfolger mit dem Erbe des allzeit präsenten Patrons umgehen konnten.

Eine Untersuchung, wie Organisationen mit ihren Gründern, Vordenkern, Leitfiguren, Aushängeschildern umgehen, würde dicke Bücher füllen und doch immer wieder ergänzt werden müssen. Da viele Gründer nicht loslassen wollen, bedeutet ihr Ableben manchmal auch die Rettung ihres Lebenswerks. Kluge Fundraiser nutzen das positive Image, das Gründer aufgebaut haben, und setzen die Berufung auf die verstorbene Persönlichkeit als Verstärker ein.

Bei der Nutzung des Images kommt es allerdings darauf an, wie sich die Gründer im Laufe ihres Lebens entwickelt haben. Solche Menschen blieben und bleiben selten ohne Anfechtungen, zu Lebzeiten und nach ihrem Tod. Sie sind wie alle herausragenden Persönlichkeiten Neid, Zweifeln bis hin zu übler Nachrede ausgesetzt, gegen die sie sich nicht mehr zur Wehr setzen können. Ehemalige Mitarbeiter rächen sich, Konkurrenten streuen Neidbotschaften aus, Journalisten finden verdreckte Küchen im Kinderheim, die hehren Motive der Wohltäter werden in Zweifel gezogen. Enthüllungsbücher erscheinen mit Titeln, die „die ganze Wahrheit über …“ versprechen. Auch die 1997 verstorbene albanische Nonne Mutter Teresa, die vom Papst im September heiliggesprochen wird, dürfte aus diesem Anlass wieder mit Zitaten aus Enthüllungsbüchern attackiert werden.

Allerdings festigen Anfechtungen gegen herausragende Gründerpersönlichkeiten deren große Anhängerschar, und spätestens hier schlägt die Stunde des Fundraisings: Bindungen stärken und weiterentwickeln, neue Förderer finden, aber auch: Zweifel beseitigen, Verleumdungen durch Klarheit und Wahrheit ausräumen, nichts beschönigen, aber eine Art Gründermythos schaffen, der das Werk in die Zukunft trägt. Und durchaus auch: Konkurrenz verhindern, Trittbrettfahrern, die sich das Erbe einverleiben wollen, zuvorkommen.

Da Organisationen zu Lebzeiten nur selten den Namen ihres Gründers tragen, gibt es die Möglichkeit, posthum neben dem Hauptwerk Fördervereine, Stiftungen und Sonderfonds mit dem Gründernamen zu schaffen, mit denen für spezielle Anliegen gesammelt wird oder die eine Art zweiten Kanal für die Spendenakquise des Hauptwerks öffnen. Das ist besonders wirksam, wenn der Förderverein oder die -stiftung nicht konkurrierend, sondern komplementär zum Gründungswerk auftreten. Der Förderverein SOS-Kinderdörfer weltweit – Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e.V. sammelt in Deutschland Spenden für Kinderhilfsprojekte in aller Welt, während der ältere der von Hermann Gmeiner gegründeten Vereine, SOS-Kinderdorf e.V., Kinderdörfer in Deutschland baut und unterhält. Beide gehören zu den einnahmestärksten deutschen Spenden sammelnden Organisationen.

Parallel zur Deutschen Krebshilfe, die selbst ein gemeinnütziger Verein ist, der erfolgreich Spenden und Erbschaften akquiriert, entstand als Förderverein der Mildred-Scheel-Kreis, der mit dem Betrieb der Dr. Mildred Scheel Akademie für Forschung und Bildung gGmbH eine eigene Aufgabe gefunden hat. Als weitere Parallelgründung der Krebshilfe soll die Dr. Mildred Scheel Stiftung für Krebsforschung die Krebsbekämpfung vorwiegend durch Langzeitförderung wissenschaftlicher, kliniknaher Krebsforschungsprojekte vorantreiben.

Ein weiteres Beispiel für die Vermarktung des Gründernamens ist das Kolpingwerk. Von dem Priester Adolph Kolping im Rheinland als katholischer Gesellenverein gegründet, trägt es heute überall seinen Namen. In vielen Orten im In- und Ausland gibt es Kolpingschulen, -heime und -hotels. Straßen sind nach ihm benannt.

Die v. Bodelschwingh’schen Stiftungen Bethel, die zu den erfolgreichsten Spenden sammelnden NGOs in Deutschland zählen, tragen den Namen ihres langjährigen Leiters, ebenso Straßen und Schulen, und sind ein Beispiel dafür, dass nicht nur Gründer Namensgeber werden können.

Überaus erfolgreich im Sammeln von Zuwendungen aller Art war der 2008 gestorbene mexikanische Pater Marcial Maciel, um den sich ein sektenartiger Personenkult gebildet hatte. Trotzdem werden der Orden Legionäre Christi und die Laienorganisation Regnum Christi, die er gründete, seinen Namen kaum verwenden können. Der äußerst umtriebige und im Vatikan gut vernetzte Ordensmann hatte trotz strengen Zölibats mehrere Kinder und wurde des sexuellen Missbrauch von Minderjährigen überführt.

 

Dr. Christoph Müllerleile ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: info@fundraising-buero.de

 

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