„Wer auf dem Spendenmarkt Erfolg haben will, muss sich mit Prozess-Effizienz beschäftigen“

Von Claudia Wohlert

Der Wettbewerbsdruck auf dem deutschen Spendenmarkt steigt von Jahr zu Jahr. Auch wenn aktuelle Zahlen der Einkommenssteuerstatistik für das Jahr 2012 mit 7,18 Milliarden weit mehr Spenden ausweist als die Bilanz des Helfens, so liegt die Anzahl der Spender lediglich bei 35,8 Prozent. Um diese Menschen zu erreichen, integrieren immer mehr gemeinnützige Organisationen professionelle Managementmaßnahmen in ihren Alltag. Die Optimierung der bestehenden Geschäftsprozesse und ihre flexible Anpassung an laufende Veränderungen könnten dabei helfen, erfolgreicher zu werden. Cornelia Blömer, Organisationsberaterin für NPOs, klärt im Gespräch mit Claudia Wohlert, was das A und O des Erfolgs ist.

Cornelia Blömer  Cornelia Blömer © Ute SchirmackFundraising-Echo: Sie beschäftigen sich mit dem Geschäftsprozessmanagement bei NPOs. Könnten Sie den Begriff kurz erklären?

Cornelia Blömer: Unter Geschäftsprozessen verstehe ich die einzelnen Arbeitsschritte, die in der jeweiligen NPO anfallen. Nehmen wir zum Beispiel die Verarbeitung von Spenden. Zuerst untergliedere ich den Vorgang in die einzelnen Arbeitsschritte. Es geht dabei um Prozesse und Teilprozesse. Wie viele Abteilungen innerhalb der Organisation sind daran beteiligt? Welche Menschen arbeiten daran? Welche Form von Softwareunterstützung ist notwendig? Und vieles mehr. Zusätzlich geht es um das Management dieser Prozesse. Man schaut sich die Arbeitsabläufe genau an und versucht, sie optimal zu strukturieren. Häufig sind die Arbeitsabläufe so, weil sie schon immer so waren. Längere Zeit hat sich niemand mehr Gedanken darüber gemacht, warum das eigentlich so ist und ob es optimal so ist. Zum Beispiel: Identifizieren sich die Beteiligten im Fundraising oder in der Spendenverwaltung damit, wie sie es machen? Oder gibt es Kollegen, die Ideen haben, wie es anders laufen könnte, dies aber nicht anbringen, weil sie nie dazu befragt wurden? Das alles gehört zum Geschäftsprozessmanagement.

Fundraising-Echo: Welche Rolle spielt Geschäftsprozess-Management in der heutigen NPO-Praxis?

Cornelia Blömer: In dem Moment, wo eine Organisation professionell arbeiten möchte, setzt sie auch Spendenmittel für ihre Tätigkeit ein. Aus meiner Sicht ist sie dann verpflichtet, effizient diese Spendenmittel einzusetzen. Außerdem ist sie gegenüber ihren Mitarbeitern verpflichtet, die Prozesse so zu gestalten, dass diese gut damit arbeiten können. Hinzu kommt: Will eine NPO auf dem wachsenden Spendenmarkt Erfolg haben, muss sie sich mit der Effizienz ihrer Prozesse beschäftigen. Im weiteren Fall kann es auch sein, dass sie dem Spender gegenüber transparent sein muss, wie ihre Arbeitsabläufe sind.

Fundraising-Echo: Ist die Organisationsgröße maßgeblich dabei?

Cornelia Blömer: Das würde ich so nicht sagen. In einer Ein-Personen-Organisation muss ich mir über Prozesse natürlich wenig Gedanken machen. Aber sobald mehrere Menschen gemeinsam an Dingen arbeiten, kann es Sinn machen. Allerspätestens dann, wenn man das Gefühl hat, es läuft nicht rund.

Fundraising-Echo: Könnten Sie die Schritte eines solchen Prozesses bei der Einführung eines Fundraising-Tools kurz beschreiben?

Cornelia Blömer: Ich habe gemeinsam mit Thomas Becker von der Don Bosco Mission für die Einführung von Kinderpatenschaften einen solchen Prozess durchdekliniert. Kinderpatenschaften sind ein sehr spezielles Instrument, wo es viele Teilprozesse und Beteiligte gibt. Ein Prozess ist die Kommunikation mit den Projekten, in denen die Kinder leben. Die Kinder werden zunächst ausgewählt, es müssen Dossiers erstellt, entsprechende Einwilligungen eingeholt werden. Die Kinder werden in die Datenbank in Deutschland eingepflegt, es gibt Patenwerbung und dann kommen potenzielle Interessenten. Die melden sich auf den unterschiedlichsten Wegen, Brief, Post, Telefon, E-Mail und andere. Diese Menschen bekommen entsprechende Vorschläge. Gleichzeitig muss die Organisation wissen, welche Kinder sie schon jemandem vorgeschlagen hat. Das vorgeschlagene Kind wird reserviert, bis der Interessent sich entscheidet und eine Patenschaft abschließt. Anschließend beginnt der Prozess, der mit Geld zu tun hat. Es wird ein Vertrag geschlossen, unter Umständen ein Lastschrifteinzugsverfahren eingeleitet. Das Geld wird verbucht. Dann kommen die Fundraising-relevanten Prozesse dazu: zum Beispiel Spendenwerbung, Erfolgsdokumentation, Reports gegenüber dem Vorstand, Dokumentenvorlagen, Schnittstellenfunktion. Es ist mit sehr vielen Prozessen verbunden, die möglichst effizient ablaufen sollten.

Fundraising-Echo: Prozessmanagement passiert abteilungsübergreifend. Welchen Stellenwert hat dabei die Zusammenarbeit?

Cornelia Blömer: Aus meiner Erfahrung ist die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit das A und O des Erfolgs. Im Fundraising arbeiten häufig unterschiedliche Abteilungen an den gleichen Projekten. Und dabei haben sie nicht selten vollkommen unterschiedliche Sichtweisen auf diese Dinge, was ihnen nicht unbedingt bewusst ist. Der Erfolg eines Geschäftsprozessmanagements bringt oft die Tatsache mit sich, dass sich erstmals alle Beteiligten eines Prozesses an einen Tisch setzen.

Fundraising-Echo: Wer führt den Prozess maßgeblich?

Cornelia Blömer: Das muss im Einzelfall geklärt werden und ist Teil des Geschäftsmanagementprozesses. Gemeinsam wird bestimmt, wer welche Rolle hat. Darüber muss immer Klarheit herrschen.

Fundraising-Echo: Wie sieht der Ablauf innerhalb der Organisation aus, wenn Sie den Prozess begleiten?

Cornelia Blömer: Zunächst gibt es ein oder zwei Vorgespräche, abhängig vom Umfang des potenziellen Auftrags. Nach diesen Gesprächen folgt ein Auftakt-Workshop, an dem alle an einen Tisch kommen und sich mindestens einen Tag über die Kernprozesse, Strukturen, Aufgaben, Verantwortlichkeiten unterhalten. Im Rahmen dieses Auftakt-Workshops vergibt man klare Verantwortlichkeiten für die Prozessanalyse und das Geschäftsprozessmanagement. Danach kann man den weiteren Fortgang nicht mehr verallgemeinern. Das hängt individuell von der Organisation ab, was beauftragt wird und was die Organisation selbst gestalten kann und wobei sie Unterstützung benötigt.  

Fundraising-Echo: Berücksichtigt man das veränderte Spenderverhalten und die gesellschaftlichen Herausforderung wie zum Beispiel demografische Entwicklung, Flüchtlinge, Klimawandel, wird es dadurch für die Zukunft der NPOs notwendig sein, sich schneller an veränderte Geschäftsprozesse anzupassen?  

Cornelia Blömer: Was ich grundsätzlich unterschreiben würde, ist, dass die Veränderungen heutzutage sehr, sehr schnell geschehen. Da ich viel am Thema Software-Integration und Unterstützung von Prozessen durch Software arbeite, stelle ich fest, dass sich die Fundraising-Welt gerade in dem Bereich zunehmend schneller dreht. Immer mehr Prozesse aus dem Online-Bereich kommen dazu. Online-Fundraiser kreieren vielfältige Geschäftsprozesse ständig neu. Spender werden im Web, bei Social Media oder per E-Mail mit userspezifischem Content angesprochen. Diese Prozesse müssen irgendwo abgebildet werden. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die NPOs und die Software-Anbieter kaum hinterherkommen. Ein praktisches Beispiel sind die Instant Payments, die bald auf uns zukommen werden. Meines Wissens hat sich kaum einer darüber Gedanken gemacht, ähnlich wie bei SEPA, wie das in der Organisation abgebildet wird.

Fundraising-Echo: Können Sie kurz erklären, was Instant Payments sind?

Cornelia Blömer: Es ist eine neue Zahlungsweise, bei der Zahlungen in wenigen Sekunden zum Beispiel über das Handy übermittelt werden. Das bedeutet, dass die NPO in dem Moment der Zahlung bereits über das Geld verfügen kann. Bei anderen Zahlungsweisen dauert es in der Regel mindestens einen Tag, bis das Geld auf dem Konto der NPO ist. Wenn man Instant Payments einsetzt, dann wird annähernd in Echtzeit die Ausführung der Zahlung dem Zahler bestätigt. Gleichzeitig ist die Gutschrift beim Zahlungsempfänger, in diesem Fall der Organisation, da.

Fundraising-Echo: Hängt zukünftiges erfolgreiches Spendensammeln vom optimalen Geschäftsprozessmanagement ab?

Cornelia Blömer: Ich würde es nicht so dramatisieren wollen, glaube aber, dass man mit Geschäftsprozessmanagement erfolgreicher werden kann.

 

Cornelia Blömer ist Organisationsberaterin für NPOs mit Schwerpunkt Marketing und Fundraising. Sie beschäftigt sich vor allem mit Strategie, Prozessoptimierung und der dazugehörigen Software-Unterstützung und verfügt über langjährige NPO-Erfahrung. Seit 2014 ist sie außerdem im Vorstand des Deutschen Fundraising Verbandes aktiv.

 

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