Buchtipps
Buchtipps
Buchtipps

BUCHTIPP:

„Working Class – Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können“

(Nominiert für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2021)

0

Schon im vergangenen Jahr erschienen, ist Julia Friedrichs‘ Buch aktueller denn je. Die sozialen Verwerfungen in unserer Gesellschaft, die in der Pandemie sichtbarer wurden, treten durch die Folgen des Kriegs in der Ukraine noch deutlicher hervor: Immer mehr Menschen in Deutschland können kaum von ihrer Arbeit leben ­– obwohl sie einen Vollzeitjob haben. Der reiche Teil der Bevölkerung dagegen hält an einem Großteil des Vermögens fest und hat Mittel und Wege, diesen Reichtum schnell und einfach zu vervielfachen. Rund 50 Prozent der Menschen in Deutschland haben dagegen kein nennenswertes Vermögen und sind damit nicht gegen Eventualitäten des Lebens gewappnet.

„Ihr werdet es einmal schlechter haben!“
Die Journalistin spricht mit Politikern, Experten, Wissenschaftlern. Und sie taucht ein in die Alltagswelt der Menschen, die jeden Tag putzen, unterrichten, ins Büro gehen, um ihr Überleben zu sichern, und deren Einkommen trotzdem nicht ausreicht, um zufrieden und selbstbestimmt leben zu können. Sich Wohlstand aus eigener Kraft zu erarbeiten, ist in Deutschland schwieriger geworden. Friedrichs legt dar, dass von den nach 1980 Geborenen nur noch die Hälfte mehr als ihre Eltern verdiene. Sie fürchten, im Alter arm zu sein.

Friedrichs aufrüttelndes Buch ist eine faktenreiche Gesellschaftsanalyse, die zeigt, dass die Ursachen für diese Entwicklung der sozialen Ungleichheiten, der Kluft zwischen Kapital und Arbeit, aber auch der wirtschaftlichen Unwucht zwischen den Generationen, in einer Zeit schon lange vor der Pandemie liegen.

Wo sind die Reichen, wenn man sie mal braucht?
Die Zahlen belegen, dass sich seit Anfang der 1990er Jahre die Vermögen der Reichsten verdoppelt haben. Es waren gute Jahre für Menschen mit Kapital. Um die gravierenden wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für die Gesellschaft abzumildern, wäre jetzt eine gute Zeit, etwas abzugeben. Es gab in der Corona-Krise zwar einzelne Beispiele der Krisen-Charity. Eine Initiative wie „The giving pledge“ in den Staaten, deren superreiche Mitglieder sich verpflichten, zu Lebzeiten einen Großteil ihres Vermögens abzugeben, ist in Deutschland aber nicht in Sicht. Friedrichs fragt sich: Wann steht man einer Gesellschaft zur Seite, wenn nicht jetzt?

Das trifft auch Fundraiser*innen
Die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich trifft auch gemeinnützige Organisationen. Schon jetzt ist zu beobachten, dass sich das jährliche Spendenvolumen aus einem immer kleineren Topf speist. Der gemeinnützige Sektor muss sich also darauf einstellen, seine Bemühungen um Spendengelder auf einen zunehmend kleiner werdenden Spenderkreis zu konzentrieren oder auch niedrigschwellige Angebote zu schaffen. 

Julia Friedrichs arbeitet als Autorin von Reportagen und Dokumentationen für die ARD, das ZDF und die Zeit. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grimme-Preis.

 


Julia Friedrichs
Working Class – Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können
Berlin Verlag; 320 Seiten
ISBN:
 978-3-8270-1426-9
22,00 € (D) / CHF 25.50 (CH)

 

 

Buchcover Working Class
0