Gerhard Wallmeyer antwortet

Von Claudia Wohlert

Heute stellt sich Gerhard Wallmeyer, Fundraising-Experte und ehemaliger Leiter des Fundraising-Bereichs bei Greenpeace, den Fragen der Redaktion vom Filantro Fundraising-Echo.

Wenn Sie 100.000 Euro frei zur Verfügung hätten, wen würden Sie unterstützen?

Gerhard WallmeyerGerhard Wallmeyer leitete mehr als 30 Jahre lang das Fundraising von Greenpeace.
Foto: © GWallmeyer
Es ist schwierig, sich auf ein oder zwei Zwecke zu konzentrieren. Viele Projekte sind wichtig. Ich könnte guten Gewissens Millionen ausgeben. Auf unzähligen Reisen in fremde Länder kam ich in Kontakt mit einer Vielzahl von Projekten und Kampagnen. Dabei erlebte ich so viel Dringendes, dass 100.000 Euro in wenigen Tagen an unterschiedliche Adressen gespendet wären. Gleichzeitig käme eine kommerzielle Investition der 100.000 Euro in Frage. Durch kluges Investment kann viel Positives für die Zukunft bewirkt werden. Allein wenn man den Begriff Good Governance ernst nimmt und ihn verwirklicht, hat man häufig viel erreicht.

Welche herausragende Fundraising-Kampagne/-Initiative hat Sie in den letzten Jahren besonders beeindruckt?

Auf dem letzten Fundraising Kongress habe ich die Laudatio auf die beste Großspendenkampagne gehalten. Die Kampagne von der Organisation nph deutschland e.V. hat mich wirklich schwer beeindruckt. Um ein Solardach auf einem Krankenhaus in Haiti zu finanzieren, hat nph deutschland gezielt Fahrer des Elektro-Luxusautos Tesla gesucht. Zehn Fahrer haben sie gefunden und die haben das Solardach finanziert. Das war gut durchdacht, clever und effektiv.

Womit sollten sich Fundraiser Ihrer Meinung nach noch intensiver beschäftigen?

Mit Psychologie und Meinungsforschung. Das kommt nach wie vor viel zu kurz. Wenn ich „bettele“, bekomme ich ein oder zwei Euro. Kann ich überzeugen, sind es 100 oder 1.000 Euro. Diese „Binsenwahrheit“ galt früher, gilt heute, gilt morgen – egal ob per Brief, Ansprache oder Social Media. Doch wie überzeuge ich? Dazu muss ich mein Gegenüber kennen, wissen wie er oder sie denkt und fühlt. Ein Fundraiser sollte in erster Linie ein Psychologe sein. Natürlich gibt es auch eine Logistik und Technik des Fundraisings. Diese müssen stimmen, funktionieren und ständig den neuen Trends und Möglichkeiten angepasst werden. Aber letztlich entscheiden der überzeugende Inhalt und der überzeugende Auftritt.

Gibt es eine Veröffentlichung, die Sie Fundraisern empfehlen würden?

Eine einzelne Veröffentlichung möchte ich an dieser Stelle nicht nennen, eher eine Methode des systematischen permanenten Lernens, das Stichwort heißt: reisen. Andere Fundraiser, Organisationen, Agenturen, Berufe und so weiter kennenlernen. Vergebe ich einen Druckauftrag, besteht die Möglichkeit, bei einem Druckereibesuch mehr Informationen über das Drucken zu erhalten. Wird ein Auftrag an eine Social Media-Agentur vergeben, habe ich die Chance, deren Strategien und Methoden zu erfahren. Und so weiter. Ich selbst habe Fundraising durch das Reisen gelernt. Zahllose Besuche bei Agenturen und Organisationen, die häufig über mehrere Tage gingen, endeten mit vielen voll beschriebenen Notizzetteln. Das meiste Wissen kann man nicht erfinden, sondern sammeln. Für sich selbst eine Systematik des Sammelns entwickeln, das ist das Entscheidende.

Welche Zukunftstrends sehen Sie?

Die Spendenanfrage wird immer individualisierter werden müssen. Das ist der Trend, egal in welchen Medien. Damit sind Massenmailings oder Massennewsletter nicht out. Aber im Nachgang müssen immer mehr individuelle Rückkanäle angeboten werden, um einen Dialog zu öffnen, in dem es um wesentlich mehr gehen kann als um eine Spende von 50 Euro. Die Auswertung einer solchen Aussendung kann nicht nur im klassischen Sinne nach ROI gerechnet werden, sondern es braucht eine längerfristige Betrachtung. Beispiel: Kunstauktionen für wohltätige Zwecke sind meistens ein Flop, wenn ich den direkten ROI betrachte. Die potenziellen Käufer glauben, sie sollen billige Kunst zu überhöhten Preisen kaufen. Ich habe einmal eine solche Auktion erlebt, die zunächst nach einem Flop aussah. Sie hat aber später Kontakte zu einer gesellschaftlichen Gruppe geöffnet, die dann viele Millionen einbrachte. Ich kann in eine Massen-Aussendung Signale schreiben, die einige Menschen zu ganz persönlichen Reaktionen anregt, die dann sehr wertvoll werden können.

Wie lautet Ihr persönliches Fundraising-Motto?

Lernen und testen. Man ist nie klug genug.
 

Gerhard Wallmeyer, geboren 1951, studierte Diplom-Pädagogik (Erwachsenenbildung und Politik). Über 30 Jahre leitete er das Fundraising von Greenpeace. In dieser Zeit gründete er zahlreiche Organisationen wie zum Beispiel die Umweltstiftung Greenpeace, die Greenpeace Media GmbH, Greenpeace energy e.G., die Arche Warder e.V. und weitere. Fast 20 Jahre war er im Vorstand von Greenpeace Russland. Er ist Gründungsmitglied des Deutschen Fundraising Verbandes und dort in der Ethik-Kommission und in der Preisjury tätig. Daneben ist er im Laufe der Jahre über den gesamten Fundraising-Globus gereist, von Ost- und Westeuropa nach Nord- und Südamerika, über Australien/Neuseeland bis nach Südostasien.

Kontakt: GWallmeyer NGO Compass, info@gwallmeyer.de, www.gwallmeyer.de,
         Tel.:  +49 40 761 017 80, Mobil: +49 171 878 11 90

 

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