Birgit Kern antwortet

Fundraising-Echo: Wenn Sie 100.000 Euro frei zur Verfügung hätten, wen würden Sie unterstützen?

Birgit KernBirgit Kern ist Expertin für Fundraising bei Brot für die Welt.
Foto: © Hermann Bredehorst
Birgit Kern: Ich würde die Hälfte erst einmal meiner eigenen Organisation, also Brot für die Welt – Diakonie Katastrophenhilfe, spenden. Für die andere Hälfte würde ich mir Organisationen aussuchen, die „sperrige“ Zwecke verfolgen, für die nur wenige spenden wollen. Sprich, Obdachlosenhilfe, Straßenkinder und Altenpflege.

Fundraising-Echo: Welche herausragende Fundraising-Kampagne/-Initiative hat Sie in den vergangenen Jahren besonders beeindruckt?

Birgit Kern: Die mutigen KollegInnen, die das Telefon auch beim Erbschaftsmarketing eingesetzt haben. Und dass sie es ganz offen mit allen FundraiserInnen, die etwas davon wissen wollten, geteilt haben. Hut ab.

Fundraising-Echo: Womit sollten sich Fundraiser Ihrer Meinung nach noch intensiver beschäftigen?

Birgit Kern: Nach 26 Jahren im Beruf sehe ich, dass sich an manchen Dingen erschreckend wenig getan hat. Fundraising ist immer noch zu oft irgendwo angesiedelt und wird von irgendwem gemacht, statt professionell und an der Geschäftsführung/dem Vorstand angebunden zu sein. Themen wie das Erbschaftsmarketing sind nicht bekannt, sind immer noch „unheimlich“ und werden deshalb nicht bearbeitet. Die Bezeichnung „FundraiserIn“ ist auch nach all den Jahren im Land, in der Bevölkerung, nicht bekannt. Ich muss immer erklären, was ich mache. Da ist noch viel zu tun.

Und daneben sollten sich FundraiserInnen vor allen Dingen mit ihren Zahlen beschäftigen. Sauber erhoben lügen die nicht. Und, sie sollten sich gründlich mit ihrer Zielgruppe auseinandersetzen und nicht mit sich selbst, ihren Geschmäckern oder denen ihrer Vorgesetzten. Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Übrigens eine der härtesten Aufgaben in unserem Geschäft.

Fundraising-Echo: Gibt es eine Veröffentlichung, die Sie Fundraisern empfehlen würden?

Birgit Kern: Immer und immer wieder: „Asking Properly: The Art of Creative Fundraising“ von George Smith. Für mich eine Bibel mit Hunderten von weisen Aussagen, auch zum Thema der eigenen Einstellung. Mit britischem Humor geschrieben, leicht verständlich, da ist alles drin.

Fundraising-Echo: Welche Zukunftstrends sehen Sie?

Birgit Kern: Die großen Organisationen sind neben den regionalen Initiativen die, die überleben werden. So sagt man. Und die großen brauchen FundraiserInnen, die eine breite Basis haben, dann aber SpezialistInnen geworden sind. DatenbankmanagerInnen, ZielgruppenmanagerInnen, also Fachleuten, die aus den Datenbanken wahre Schatztruhen für das strategische Fundraising machen, wird die Zukunft gehören. Marketing-Automation wird auch vor unserem Business nicht haltmachen. Da bin ich sehr gespannt drauf. Und natürlich wird im Bereich Online noch eine ganze Menge passieren. Aber, wenn alle über Online reden, wird ein Brief zur rechten Zeit wahre Wunder vollbringen. Der Mix wird es bringen.

Fundraising-Echo: Wie lautet Ihr persönliches Fundraising-Motto?

Birgit Kern: Da habe ich zwei. Zuerst Bertold Brecht aus dem Lied von der belebenden Wirkung des Geldes:
„Ach, sie gehen in die Irre, die da glauben, dass am Geld nichts liegt.
Aus der Fruchtbarkeit wird Dürre, wenn der gute Strom versiegt.“

Das zweite ist von Ken Burnett:
„You don’t get what you don’t ask for.“
 

Birgit Kern ist seit 26 Jahren Fundraiserin. Die Volljuristin war bei der Umweltstiftung WWF stellvertretende Abteilungsleiterin und verantwortete das Erbschaftsmarketing, die Großspender und das Bußgeld. Bei der Gesellschaft für Sozialmarketing war sie Bereichsleiterin für Erbschafts- und Großspendermarketing mit Hauptkunden Generalsekretariat Deutsches Rotes Kreuz. Bei der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung verantwortete sie den Bereich Fundraising und Treuhandstiftungen. Seit 2010 verantwortet sie das Referat Spenderkommunikation bei Brot für die Welt – Diakonie Katastrophenhilfe.
Tel.: 030/65211 1187, E-Mail: birgit.kern@brot-fuer-die-welt.de
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