Die Kommunikation mit Kunden hat sich verändert. Die mit Spendern auch?

Andreas Förster, Autor des Buches „Kundenkommunikation“ im Interview

Andreas FörsterAndreas FörsterFundraising Echo: Herr Förster, ist es im digitalen Zeitalter schwieriger geworden, zu kommunizieren? Was war der Anlass für Ihr Buch Kundenkommunikation 3.0?
 
Andreas Förster: Die Bandbreite der Möglichkeiten, mit Kunden zu kommunizieren, ist heute größer denn je. Das macht es für Unternehmen schwieriger einen konsistenten Auftritt mit relevanten Inhalten sicher zu stellen. Es wird immer wichtiger, alle Kanäle in eine übergreifende Multi-Channel-Strategie zu integrieren, die konsequent den Kunden mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellt. Drei Probleme, die ich in der Projektpraxis erlebte, veranlassten mich, dieses Buch zu schreiben: Die Unkultur des Nichtbeantwortens von Anfragen, der kommunikative Dauerbeschuss mit Informationen und die Tatsache, dass Dialogpartnern zu wenig zugehört wird.
 
Fundraising Echo: Sie haben drei Dekaden der Kommunikation mit Kunden im Internetzeitalter identifiziert; wir befinden uns nach Ihrer Analyse in der 3. Dekade und haben es mit gut informierten Kunden zu tun. Muss man da anders kommunizieren?
 
Förster: Die 3. Dekade, das Web 3.0, bietet Möglichkeiten wie nie zuvor, Kundenwünsche in den Mittelpunkt zu stellen. In dieser Dekade heißt es, die benutzerfreundliche, flexible, intuitive Kundenkommunikation 3.0 zu realisieren, um sich damit seinen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Denn ob Kunden oder Spender, wir Menschen sind heute durch das Internet, Foren und Blogs besser informiert denn je. Das semantische Web 3.0 ist in der Lage, die von Menschen gewonnen Informationen zusammenzutragen und zu verstehen. Die Schriftsprache wird im Internet dazu mit eindeutigen Metadaten (Beschreibungen) in ihrer Semantik (Bedeutung) erweitert. Der Content wird von Maschinen interpretiert und kann miteinander in Beziehung gesetzt werden. Damit entsteht ein „intelligentes“ Web, das man befähigt, selbstständig Informationen logisch zu verknüpfen und Daten zu verarbeiten. Das Internet führt dann seinen Benutzer wie einen Scout oder Berater zu den für ihn relevanten Informationen. Suchmaschinen könnten überflüssig werden.
 
Fundraising Echo: Sie empfehlen, „Kunden ernst zu nehmen“ – gilt das nicht zu allen Zeiten? Oder sind die Ansprüche und Erwartungen von Kunden andere geworden?
 
Förster: Jeder weiß es, doch wenige tun es: Der Aufbau einer Beziehung zum Kunden ist die Grundlage für erfolgreiche Kundendialoge. Produkte und Dienstleistungen sind das Mittel, dem Kunden einen Wert zu verschaffen. Die Ansprüche der Kunden haben sich durch das Internet extrem verändert. Jeder erwartet heute selbstverständlich, dass er zum Zeitpunkt eines entstehenden Bedürfnisses blitzschnell die passende Information bekommt. Findet er diese nicht sofort bei seinen bisherigen Informationsgebern, wandert er ab. Die Interaktion mit den Erfahrungen und Empfindungen des Kunden müssen daher im Vordergrund stehen – ohne Wenn und Aber! Die große Chance, die sich bietet: Wer seine Kunden (auch Spender) kennt, seine Lebenswelt und seine Bedürfnisse, weiß, wie man sie durch gezielte Worte im Dialog gewinnen kann. Kunden entwickeln und pflegen eine Vielzahl unterschiedlicher Erwartungen.
 
Fundraising Echo: Würden Sie sagen, dass Ihre Thesen für Kunden gleichermaßen auch auf Spender zutreffen?
 
Förster: Ja. Genauso wie Kunden sind auch Spender Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Erwartungen, die sich an typischen Lebenswelten orientieren. Die Muster der Wahrnehmung, die Beurteilung, was für sie relevant oder irrelevant ist und die daraus resultierende Entscheidung, so oder so zu handeln (kaufen/spenden, ja/nein) sind vergleichbar.
 
Fundraising Echo: Was empfehlen Sie Nonprofit-Organisationen im Hinblick auf ihre Kommunikation mit Spendern?
 
Förster: Gerade für NPOs ist es wichtig, ihre Botschaften an Spender transparent und prägnant darzustellen, denn Vertrauen ist die Grundvoraussetzung, Spender zum Spenden zu motivieren. Der Nutzen, den eine Spende bringt (z.B. den Bau einer Schule in Afrika, Nahrung für Hungernde) muss im Vordergrund stehen. Und damit beginnt die große Herausforderung: den Nutzen typgerecht für unterschiedlichste Spendertypen zu „übersetzen“. Ich spreche daher in meinem Buch von „Customer Translation“.
 
Fundraising Echo: Sie plädieren in Ihrem Buch für eine integrierte Kommunikation und schildern die Arroganz durch Nicht-Antworten oder allerhand sprachliche Verirrungen. Sie setzen beim Leitbild an und wollen die Lücke zwischen Wort und Tat mittels Kommunikation schließen. Gelingt das? Was haben Sie für Erfahrungen gemacht?
 
Förster: Der integrierte Ansatz verfolgt das Ziel, aus der Vielfalt der eingesetzten Werkzeuge ein in sich geschlossenes Kommunikationssystem zu erstellen. Es beinhaltet alle möglichen Kommunikationsstellen und Kanäle in einem Unternehmen. Image entsteht durch das Bild, das eine Person, eine Milieugruppe oder eine ganze Gesellschaft ihren Mitmenschen bzw. einem Unternehmen gegenüber gewinnt. Ein positives Image beruht auf Erkenntnis. Wer seinen Kunden zuhört, versteht sie besser und kann die Lebenswelten und Sprachwelten seiner Kunden nutzen. Aus meiner Erfahrung heraus beeinflusst dies das Fremdbild, also die Wahrnehmung von außen seitens der Spender, auf Dauer positiv.
 
Fundraising Echo: In manchen Branchen hat man den Eindruck, dass Verkäufer sich mit ihren eigenen Produkten nicht mehr auskennen. Sehen Sie das nur als kommunikatives Problem oder hat es nicht System? (z.B. bei Versicherungen?)
 
Förster: Wer dies als „System“ nutzt, schneidet sich auf lange Sicht ins eigene Fleisch. Zu komplexe Informationen mindern Akzeptanz und Verständnis sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Kunden/Spendern. Darüber hinaus kämpfen immer mehr Mitarbeiter mit dem Problem der Informationsflut. Die Komplexität der Informationen nimmt kontinuierlich zu. Die Folge: Dem Unternehmen fehlt jegliche Transparenz über Art, Umfang, Qualität und Aktualität der Informationen. Wichtige Informationen werden als solche nicht erkannt und somit übersehen. Die Reaktionsfähigkeit der Mitarbeiter hat stark abgenommen. Den Unternehmen fehlt ein geregelter Informationsprozess mit definierten Standards für Inhalte und zielgruppengerechte Kommunikation. Und was ich hier mit Blick auf Unternehmen skizziere, sehe ich genauso in Spendenorganisationen, die einst natürlich gewachsen sind, heute in Silos der Zuständigkeiten agieren und deren linke Hände nicht mehr wissen, was die rechten Hände tun.
 
Fundraising Echo: Es ist immer wieder festzustellen, dass es für Unternehmen (und NPOs) eine Herausforderung darstellt, wenn Kunden verschiedene Kommunikationskanäle wählen, also per Brief, Telefon oder E-Mail kommunizieren. Ist das nur eine technische Frage oder woran hapert es?
 
Förster: Sie sprechen hier „Multi-Channel“ an, das Mehrkanalsystem. Es ist noch komplizierter: Die Rede ist von den „Omni-Channel“-Usern. Diese nutzen gleich mehrere Informationskanäle. So holen sie zum Beispiel in der Fußgängerzone an einem Greenpeace-Stand spontan per Facebook die Meinung ihrer Freunde ein oder lesen online einen Testbericht, holen sich Infos aus neutralen Quellen, bevor Sie sich für eine Spende oder Unterschrift am Infostand entscheiden.
 
NPOs stellen Inhalte auf vielfältige Weise bereit, um mit ihren Zielgruppen in Kontakt zu kommen. Doch welche Kanäle bevorzugen diese? An welchen Orten holt sich der Interessent die Information? Zu Hause auf dem Sofa im Flyer oder mit seinem iPad? Oder im Büro am Desktop? Und wie ticken diese „Omni-Channel“-Nutzer? Ich habe dazu Steckbriefe im Buch erstellt, über die „Omni-Channel“-Perfectionists, -Traditionalists, -Impulsives und -Feelers. Wenn man deren Verhaltensmuster kennt, lassen sich typgerechte Kommunikationskanäle entwickeln.
 
Fundraising Echo: Herr Förster, Sie sind Sprachexperte und haben viele gute Tipps für eine allgemein verständliche Sprache. Ihrem Buch stellen Sie ein ganzes Glossar verwendeter Termini voran. Dabei handelt es sich überwiegend um Anglizismen. Warum? Ist das dem Marketing geschuldet oder lässt es sich im Deutschen nicht ausdrücken?
 
Förster: Es ist dem „Marketing“ geschuldet – ebenfalls ein Anglizismus. Marketing kommt aus dem Angelsächsischen. Hier sind Anglizismen in den deutschsprachigen Raum übernommen worden. In den meisten Fällen rate ich vom inflationären Gebrauch von Anglizismen ab. Im Marketing hat das Verwenden von Anglizismen mehrere Gründe. Im Verhältnis zu rund 250.000 Wörtern der Allgemeinsprache und etwa 85.000 Fremdwörtern (vorwiegend aus dem Griechischen oder Lateinischen) ist die Anzahl der Anglizismen gering: Man schätzt etwa 6.500 aktive Anglizismen. Begriffe, die sich im Deutschen eingebürgert haben, wie Controlling, Marketing, Factoring, Computer, Hard- und Software, Start-up-Unternehmen etc. sollte man auch weiterhin benutzen – wie auch „Non-Profit“. Eine Unsitte ist, mit Fremdwörtern zu prahlen oder durch Fachchinesisch sein Spezialwissen unter Beweis stellen zu wollen. Ausnahmen bestätigen diese Regel: Wie klänge auch: „Großunternehmensgestaltung“ oder „Kundenübersetzungsverwaltung“? Verwenden Sie nur Fach- und Fremdwörter, die der angeschriebenen Zielgruppe geläufig sind. Es ist ein besonderes Merkmal vieler Fachsprachen, dass sie in zunehmendem Maße von der englischen Sprache beeinflusst sind. Achten Sie darauf, dass Sie nur solche Ausdrücke verwenden, von denen Sie sicher sein können, dass sie von den Lesern auch verstanden werden. Erläutern Sie Fachwörter, von denen Sie annehmen, dass die angesprochenen Leser sie nicht verstehen.
 
Fundraising Echo: Kommen wir nochmal zur Kommunikation mit Spendern: Welche drei Empfehlungen oder Wünsche würden Sie Spendenorganisationen gerne mit auf den Weg geben?
 
Förster: Am wichtigsten ist, dass das, was NPOs kommunizieren, authentisch, ehrlich und aufrichtig ist. Denn der Vertrauensverlust gegenüber einer Spendenorganisation ist nur schwer wieder gutzumachen. Das heißt: Markenwerte und Leitbilder müssen täglich nach innen und außen vorgelebt werden und der Sprache muss ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Die Inhalte müssen ausdrucksstark und für den Spender verständlich und relevant sein. Konkrete Wörter mit Emotionsgehalt werden ebenso wie Bilder intuitiv gespeichert. Je besser es einer NPO gelingt, sich im Gehirn seiner Spender mit einer im wahrsten Sinne des Wortes „markanten“ Zeichen-, Bild- und Wortsprache zu verankern, umso stärker wird sie bei einer Spendenentscheidung beachtet.

Das Interview mit Andreas Förster führte Selma Reese.

 

Andreas Förster ist seit 2011 Corporate Wording®-Juniorpartner. Er ist Autor im Verlag Frankfurter Allgemeine Buch, Co-Autor mehrerer Fachbücher und Nachschlagewerke sowie Mit-Initiator der „CW Virtual Academy“. Seine Erfahrungen als Mitglied der Digital-Native-Generation fließen in die Entwicklung von Blended Learning Studienprogrammen für Hoch-/Business School-Absolventen ein. Förster befasst sich mit den Themen Kommunikation 3.0, Customer Translation Management©, Engineering, Content-Management sowie mit neuen Kommunikationsmodellen und gibt dieses Wissen in Projekten und Seminaren weiter.

 

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