Direct Mailing: Immer noch ein Spenderliebling

Von Claudia Wohlert

Claudia WohlertClaudia Wohlert hat recherchiert und herausgefunden: Das klassische Print-Mailing erzielt sowohl in Deutschland, Österreich und auch in der Schweiz noch immer sehr gute Ergebnisse. © Ingrid VielseckWie erreicht man heute den Spender? Diese Frage stellen sich Fundraiser täglich. Soll die neue Kampagne mit einem Video starten? Sollen E-Mails und Online-Newsletter verschickt werden? Oder schafft es das klassische Mailing auf dem Postweg, mit dem Spender in Kontakt zu treten? Bei etwa 3.000 Markenkontakten, denen ein Mitteleuropäer im Durchschnitt täglich ausgesetzt ist, will die Antwort gut überlegt sein.

Der Erfolg ist da

Die Bilanz des Helfens 2015 sagt „Ja“ zum Mailing. Bei etwa 20 Prozent der Spenden hat in Deutschland der personalisierte Spendenbrief den Anstoß gegeben. Und nicht nur in Deutschland fühlen sich nach wie vor viele Spender durch einen Brief angesprochen. Elisabeth Nyanda, Fundraising-Leiterin von Ärzte ohne Grenzen Österreich, bestätigt: „Das Mailing ist weiterhin einer unserer Haupt-Einnahmebereiche. Der Anteil an den Gesamteinnahmen lag in den letzten beiden Jahren jeweils etwas über einem Drittel. Für die nächsten fünf Jahre gehen wir davon aus, dass die Mailing-Einnahmen absolut gleich bleiben werden.“ Zu einer ähnlichen Einschätzung für die Schweiz kommt auch Barbara Crole, selbstständige Fundraising-Beraterin. „Etwa 80 Prozent der Spenden werden über das Direct Mailing generiert. Die Schweizer geben gern und das Niveau der Briefe ist sehr hoch.“ Trotz der positiven Zahlen bedeutet es für jeden Fundraiser immer wieder eine große Herausforderung, mit einem Mailing eine hohe Responsequote zu erreichen. Um Erfolg zu haben, müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden.

Bedruckte Briefumschläge sind hochwertiger

Im ersten Lesegang scannt der mögliche Spender das Mailing-Package und fragt sich: Welchen Vorteil habe ich? In dem Moment arbeitet primär seine rechte Hirnhälfte, die außer Bildern beziehungsweise bildähnlichen Elementen, einzelne Wörter, Headlines sowie Unterstreichungen erfasst. Eine Nielsen-Studie aus dem Jahr 2012 belegte, dass mit 84,5 Prozent der bedruckte Briefumschlag bei den Befragten die höchste Lesebereitschaft aufwies. Entscheidend für die positive Bewertung war, dass die Befragten diese Mailing-Variante gegenüber dem Standardbrief als hochwertiger einstuften. Gerade die jüngere Zielgruppe von 16 bis 34 Jahren präferierte diese Version. Auch in Bezug auf die Mundpropaganda spielte die Hochwertigkeit eine entscheidende Rolle. Mit steigendem Wertigkeitsempfinden wuchs die Wahrscheinlichkeit, Freunden und Bekannten von dem Mailing zu erzählen.

Ein Mailing – ein Thema

Hat der Mailing-Empfänger erst einmal den Brief geöffnet, gilt es, die nächste Hürde zu nehmen. Der Leser tritt erneut in den stummen Dialog mit dem Anschreiben: Wer schreibt mir? Positiv kann sich ein Foto des Absenders auswirken. Menschen möchten mit Menschen kommunizieren. Auch das Thema ist von zentraler Bedeutung. „In der Regel fokussiert sich jedes Mailing auf einen bestimmten Aspekt unserer Tätigkeit. Das kann zum Beispiel Mangelernährung bei Kindern, die Hilfe für Flüchtlinge oder die Ebola-Epidemie sein. Bei der Auswahl der Themen orientieren wir uns an den aktuellen Einsatz-Schwerpunkten der Organisation“, erklärt Elisabeth Nyanda.

Non-Profit-Organisationen haben Botschaften, die die Spenderinnen und Spender erreichen sollen. Eine wohldurchdachte Botschaft, in einer Sprache, die der Zielgruppe angemessen ist, informiert und emotionalisiert. Zu viele Botschaften verunsichern den Leser. Und auch der Schreibstil kann zu Irritationen führen. Befragungen der Personengruppe über 50 ergaben, dass sie merken, wenn die Briefe von jungen Menschen geschrieben wurden. Sie fühlten sich nicht richtig abgeholt. Was für die Generation 50 plus zutrifft, muss ebenso bei der Gestaltung von Texten für die jüngere Zielgruppe beachtet werden.

Das limbische System

Um die Aufmerksamkeit des Spenders für das Mailing zu behalten, sollte eine Geschichte erzählt werden. Geschichten erzählen stellt keine neue Erfindung dar, sondern gehört zu den ältesten Kulturtechniken. Emotionen, Wünsche, Motive und die emotionale Intelligenz befinden sich im limbischen System des Gehirns. Es bewertet alle aufgenommenen Informationen aufgrund der emotionalen Bedeutsamkeit. Insbesondere Geschichten, Bilder und emotionale Wörter bleiben im Gehirn haften. Je emotionaler, desto stärker wirkt es im Gedächtnis. Das Langzeitgedächtnis beinhaltet nur Informationen, Erlebnisse und Fakten, die im limbischen System einen hohen Stellenwert erreicht haben. Storytelling ist eine Kommunikationsmethode, die äußerst ansprechend auf die Arbeitsweise des Gehirns wirkt. Je abstrakter eine Botschaft ist, desto weniger Hirnbereiche werden aktiviert. Über Menschen zu schreiben statt über abstrakte Konzepte, lässt den Kinofilm im Kopf anspringen.

Storytelling nach der CASE-Methode

Für Craig Wortmann, Professor an der University of Chicago, Experte für Storytelling und prominenter Redner auf internationalen Fundraising-Kongressen, besteht eine Geschichte aus vier Elementen, die zusammengefasst das Wort Case ergeben. C steht für Character, es ist der Hauptdarsteller gemeint. A für Action beinhaltet die Dramaturgie. Was passiert in der Geschichte? S für Structure zeigt uns, dass jede Story einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende haben muss. Und schließlich E für Emotionen. Erst das Zusammenspiel dieser vier Faktoren inspiriert, schafft Verbindungen und ist erfolgsversprechend. Der Kampf um die Aufmerksamkeit des Spenders macht es notwendig, sich um die Kommunikation intensiv Gedanken zu machen.

Ein wichtiger Fundraising-Grundsatz lautet: „People give to people not to organisations“. Leid und Missstand sollten thematisiert und gleichzeitig die Würde des Menschen geachtet werden. Wer anrührt, aber eine Perspektive mitschwingen lässt, wenn die Spendenbitte erfolgt, wird seinen Spender erreichen.

 

Claudia Wohlert, freie Journalistin und Fundraising-Managerin (FA), textagentur@claudia-wohlert.com.

 

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