Eine Million Dollar in 49 Minuten? 11,8 Millionen in fünf Tagen? Läuft!

Von Deniz Selek

CrowdfundingIn den USA ist Crowdfunding weit verbreitet, aber auch hierzulande wächst die Bedeutung dieser Finanzierungsform, besonders im sozialen Bereich. © Fotolia.comDas sind Zahlen, die jeden Fundraiser vor Entzücken juchzen ließen, natürlich. Leider geht es in diesem Fall nicht um Spenden für einen guten Zweck, noch nicht, sondern um die Produktion der Smartwatch Pebble Time, aber die Aktion dahinter ist genial. Im Februar kamen innerhalb von Stunden auf der amerikanischen Crowdfunding Plattform Kickstarter schwindelerregende Summen zusammen, nach nur fünf Tagen waren es tatsächlich 11,8 Millionen Dollar, und die Finanzierungsrunde geht noch bis Ende März. Das Projekt sorgt weltweit für Aufsehen und hebt die Geschwindigkeit, die Leichtigkeit und die immensen Kräfte des Crowdfunding auf ein völlig neues Niveau. Mit Begeisterung ist alles möglich!

Dass auch soziales Engagement eine ähnlich rasante Dynamik entwickeln kann, hat kürzlich ein junger Amerikaner bewiesen, der für James Robertson, einen Arbeiter aus Detroit, fünftausend Dollar sammeln wollte, um ihm ein Auto zu kaufen. Bislang musste der 56-Jährige jeden Tag 37 Kilometer zu Fuß zur Arbeit und zurück gehen, weil er sich kein Auto leisten konnte. Rund 350.000 Dollar sind nun daraus geworden und das Auto bekam Robertson als großzügiges Extra von einem Händler geschenkt.

Crowdfunding findet auch in Deutschland viele Freunde

Zugegeben, die spektakulärsten Crowdfunding-Projekte finden derzeit noch in den USA statt, doch der Erfolg macht auch in Deutschland Schule. In der Filmbranche beispielsweise wird schon länger durch Mischformen von Crowdfunding und Crowdinvesting Kapital für Filmproduktionen gesammelt. „Stromberg“ ist mit einer Million Euro Budget so ein Projekt. Auch wenn auf deutschen Internet-Plattformen noch nicht so große Summen umgesetzt werden wie in den USA, bleibt die Prognose sehr vielversprechend, denn im Schnitt verdoppeln sich die Beträge jedes Vierteljahr. Und jedes zweite Crowdfunding-Projekt wird erfolgreich finanziert. Diese erhalten durchschnittlich 110 Prozent des erforderlichen Kapitals, und sind damit sogar überfinanziert.

Noch ist die Gruppe der Unterstützer im Vergleich recht überschaubar und die meist gezahlten Beträge zwischen 80-90 Euro lassen Luft nach oben. Auch der zu leistende Aufwand ist beachtlich, denn Unterstützer haben hohe Erwartungen. Sie verlangen regelmäßige Informationen zum Projektfortschritt, Transparenz und lebhafte Öffentlichkeitsarbeit. Doch die Chancen, die sich hier auch für andere Bereiche auftun, sind schlicht großartig.

Bei YouTube fließt die Spende per „Support Button“

YouTube (https://support.google.com/youtube/answer/6052077?hl=de) macht uns das an einem weiteren Beispiel vor. In den USA, Australien, Japan und Mexiko können Fans ihre Lieblingskünstler direkt unterstützen. Ein Klick auf den „Support-Button“ und die Spende fließt. Je nach Wunsch und Budget, schnell und unbürokratisch. Die Transaktionsgebühren liegen mit 5% auch in einem moderaten Bereich. Fan Funding heißt das Prinzip, das es derzeit noch nicht in Deutschland gibt, aber YouTube arbeitet daran, es bald für viele weitere Länder nutzbar zu machen. Ein wichtiger und zukunftsweisender Schritt, der es vielen gemeinnützigen Organisationen erleichtern kann, dringend benötigte Spenden zu sammeln.

Gerade im Bereich Fundraising stehen alle Zeichen auf Veränderung. Fernsehen ist alt. Papierlawinen im Briefkasten ebenso. Die neue Generation der Spender bewegt sich ständig und sehr routiniert im Netz. Ob Einkauf, Verkauf, Nachrichten, Information, Spaß, Unterhaltung, Austausch mit Freunden, Weiterbildung, Lifestyle, Hilfsprojekte, Sharing oder Geldtransaktionen, alles passiert online, alles geht schnell und einfach. Daher braucht es junge, direkt wirkende Konzepte, die die User an dieser Stelle abholen oder im besten Fall gleich ihren persönlichen Interessen entsprechen.

Hier spielen Internet-Giganten wie Facebook, Twitter, Google+ und Co. natürlich eine entscheidende Rolle. Allein Facebook ist mit mehr als einer Milliarde aktiver Nutzer weltweit bei der Verbreitung von Informationen unverzichtbar. Wenn jeder User durchschnittlich 200-300 Kontakte besitzt und selbst wenn nur ein Bruchteil den entsprechenden Inhalt teilt, lassen sich in kürzester Zeit schon große Dinge bewegen. Viel einfacher und effektiver als mit eigenen Webseiten. Über Facebook ließen sich dann mindestens genauso leicht Spenden für gemeinnützige Organisationen generieren wie über YouTube-Kanäle. Wahrscheinlich sogar noch um einiges effizienter.

Immer mehr Communitys etablieren sich hierzulande

In Deutschland ist das Fan Funding, also das direkte Spenden an den Adressaten, offiziell noch nicht möglich. Trotzdem gibt es auch hierzulande Plattformen wie startnext (www.startnext.com), eine der ersten Crowdfunding Communitys für kreative und nachhaltige Ideen, oder betterplace (www.betterplace.org), die erfolgreich digitale Innovationen mit sozialen Zielen verknüpft. Auf betterplace, der größten deutschen Spendenplattform, unterstützen private Spender Menschen, die sozial tätig sind. Im vergangenen Jahr hat betterplace auch in anderen Ländern nach digitalen Möglichkeiten gesucht, soziale Probleme zu lösen, indem Mitarbeiter vor Ort recherchiert haben. Das Projekt hat so viele neue Impulse gebracht, dass es in diesem Jahr wiederholt wird. Ein Blick auf die vielen Aktivitäten der beiden Plattformen lohnt sich.

Crowdfunding/Fanfunding zeigt, wie die weltweite Vernetzung von Menschen funktioniert. Gleichzeitig beschreibt das Phänomen die extreme Individualisierung unserer jetzigen Gesellschaft und unser Bedürfnis andere bei ihren Vorhaben zu unterstützen, sofern uns das Thema berührt und interessiert.

Damit wird cleveren Nischenprodukten eine Zukunft beschert, aus einer Idee wird ein Film, ein Buch oder ein Musikalbum oder aus einer bewegenden Geschichte erwächst eine Lawine der Hilfsbereitschaft. Alles auf eine freiwillige, den eigenen Interessen entsprechende und unaufdringliche Weise. Und wir bekommen eine Ahnung von dem, was vielleicht schon morgen im Fundraising möglich sein wird. Spannende Zeiten!

 

Die Autorin Deniz Selek arbeitet als Jugendbuchautorin, Illustratorin und freiberufliche Fundraising-Texterin in Berlin. www.denizselek.de

Quellen:
- Müller, Klaus-Dieter (2013): Erfolgreich Denken und Arbeiten in Netzwerken: Networking als Kulturtechnik. Wiesbaden.
- Warner, Ansgar (2012): Krautfunding - Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie. Berlin.

 

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