Influencer mit Reichweite und Herz

Von Marike Ziehmann und Ralph Davids

Meinungsmacher oder auf Neudeutsch Influencer, sind überwiegend junge Leute, die im Social Web ihren Einfluss und ihre Reichweite nutzen, um Marken und Produkte oder Dienstleistungen bekannt zu machen und deren Absatz positiv zu beeinflussen.

Jérôme Jarre ist ein solcher Influencer. Ein sehr erfolgreicher sogar. Der Franzose ist 28 Jahre alt und hat sich mit kurzen Videos in den sozialen Netzwerken Vine und Snapchat einen Namen gemacht. Er veröffentlichte kurze Videos, mit denen er die Menschen aufmuntern wollte. Seine Aktionen stehen unter dem Motto „Mit gutem Beispiel vorangehen“. In Erinnerung ist dem breiteren Publikum vielleicht seine Aktion, in der er auf der Straße wildfremde Menschen umarmt, um ihnen so ein Lächeln zu entlocken.

Jérôme Jarre in Senegal Jérôme Jarre 2015 im Senegal. Der Influencer geht mit den Menschen vor Ort auf Tuchfühlung © Elena Manocci | Flickr.com

Dem eigenen Motto folgend, nutzt er mittlerweile seine Reichweite auch, um Gutes zu tun und sich für soziale Themen zu engagieren. Das zweite Großprojekt, für das er sich einsetzt, ist der Schutz der aus Myanmar geflüchteten Volksgruppe der Rohingya, die seit August 2017 systematisch aus ihrem Heimatland vertrieben werden. 620.000 Menschen flüchteten allein in das arme Nachbarland Bangladesch. Die dort entstandenen Flüchtlingscamps drohten schnell zum größten Slum der Welt zu mutieren.

Von der Idee zur Tat

Bewegt von den schrecklichen Bildern entschied sich der junge Franzose, seine Popularität zu nutzen, um diese Katastrophe für die Menschen in den Camps so erträglich wie möglich zu machen.

Die ursprüngliche Idee war sehr einfach: Am 27. November 2017 stellte Jarre ein eindringliches Video online, in dem er die Situation der Rohingya beschrieb und dazu aufrief, den Beitrag weiter zu verbreiten. Ziel dieser Kampagne war, vor allem große Firmen auf die katastrophale Lage der Geflohenen aufmerksam zu machen und so Spenden von Konzernen zu sammeln. 48 Stunden wartete er auf Reaktionen von Unternehmen – vergebens. Aber Jarre wäre nicht Jarre, wenn er sich davon hätte entmutigen lassen. So stellte er kurzerhand eine Crowdfunding-Seite online und bat seine Follower direkt um Unterstützung für dieses Projekt.

Der Erfolg war überwältigend! An nur zwei Tagen sammelte er Spenden in Höhe von über zwei Millionen Dollar. Ein großartiges Ergebnis aber gleichzeitig eine enorme Verpflichtung. Denn zu diesem Zeitpunkt verfügte der junge Franzose noch nicht über ein eingespieltes Netzwerk, das ausreichend Erfahrung gehabt hätte, um ein Projekt dieses Ausmaßes zu bewältigen. 

Möglicherweise selbst überrascht von der enormen Resonanz, verschwand Jarre für einige Wochen aus den sozialen Netzwerken. Dass er die Zeit nicht ungenutzt ließ, erfuhr die Öffentlichkeit spätestens am 2. Januar 2018 über Twitter. Jarre hatte in der Zwischenzeit nicht nur Hilfsgüter beschafft und nach Bangladesch liefern lassen. Er selbst war mit einem kleinen Team nach Asien gereist, um sich persönlich vor Ort und vor allem im Gespräch mit den Betroffenen ein Bild von der Lage und den Bedürfnissen der Geflüchteten zu machen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Jarre und seine Unterstützer erkannten schnell, dass die Rohingya nicht als hilflose Opfer gesehen, sondern als stolze und selbstständige Menschen wahrgenommen werden wollten. So erhielten Neuankömmlinge im Lager beispielsweise kein vorgepacktes Paket mit den nötigsten Utensilien, sondern ganz unbürokratisch einen Geldbetrag, mit dem sie selbst Kleidung und Hygieneartikel kaufen konnten.

Für die Grundversorgung der Menschen waren funktionierende Kochstellen elementar. Statt diese im großen Stil zu kaufen und in den Lagern aufzustellen, nutzte Jarre die Erfahrung der Frauen und bat sie, die Kochstellen zu bauen. Wer, wenn nicht sie, wusste am besten, wie die Kochstellen funktionieren und welche Anforderungen sie erfüllen müssen. Für ihre Arbeit erhalten die Frauen einen Lohn.

Rohingya im Flüchtlingscamp Die Rohingya dürfen das Flüchtlingscamp in Bangladesch nicht verlassen.
© Mathias Eik | Flickr.com

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Entwicklung der Kinder. Für rund 100 Jungen und Mädchen entsteht ein Zentrum, das für Kinder eine Oase des Friedens und der Hoffnung inmitten des tristen Camp-Alltags ist. Hier können sie spielen, lernen und für einen Moment unbeschwert sein. Betreut werden die Jungen und Mädchen von Geflüchteten, die schon in ihrer Heimat als Lehrer oder Pädagogen gearbeitet hatten. Auch sie sind froh, im Camp ihrem alten Beruf nachgehen zu können.

Nach der strapaziösen Flucht sind viele Rohingya unterernährt und krank. Deswegen wurde mit den Spendengeldern ein Krankenhaus errichtet, in dem die Geflüchteten kostenlos medizinisch behandelt und mit Medikamenten versorgt werden.

Influencer-Kommunikation – die Zukunft im Fundraising?    

Jarre ist es mit Hilfe seiner Vertrauenswürdigkeit und seiner Reichweite im Netz gelungen, binnen kürzester Zeit eine Welle der Spendenbereitschaft auszulösen. Influencer-Kommunikation kann also durchaus als strategisches Mittel auch für gemeinnützige Organisationen in Betracht gezogen werden. Sei es, um die Bekanntheit zu steigern, zur Verbesserung des Images oder um ganz konkret für einzelne Projekte um Unterstützung zu werben.

 

Weitere Informationen zu der Kampagne finden Sie hier.
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