„Jede Organisation muss ein Konzept fürs Nachlass-Fundraising machen“

Von Claudia Wohlert

In diesem Jahrzehnt sollen in Deutschland 2,6 Billionen Euro vererbt werden. Am meisten profitieren die Kinder der Erblasser von diesem Geld. Sie erhalten 75 Prozent der gesamten Erbmasse. An gemeinnützige Organisationen und Stiftungen gehen zirka sieben Prozent der 2,6 Billionen. Wer sich schon zu Lebzeiten einer Organisation verbunden gefühlt und gespendet hat, wird diese häufig auch im Testament bedenken. Wie wichtig der respektvolle Umgang aller Beteiligten für ein erfolgreiches Erbschafts-Fundraising ist, beschreibt Monika Willich, die beim Malteser Hilfsdienst die Bereiche Großspender- und Nachlass-Fundraising verantwortet, im Gespräch mit Claudia Wohlert.

Monika WillichMonika Willich steht oft jahrelang mit den Menschen in Kontakt, die die Malteser
in ihrem Testament bedacht haben. © privat
Fundraising-Echo: Sie betreuen seit vielen Jahren beim Malteser Hilfsdienst den Bereich Nachlässe. Haben Sie sich für dieses Fundraising-Instrument bewusst entschieden?

Monika Willich: Ich habe mich auf eine ausgeschriebene Stelle für Großspenden und Erbschaften beworben und bekam die Stelle. Das Erbschafts-Fundraising ist inzwischen mein liebstes Arbeitsgebiet. Es vereint die Dinge, die ich spannend finde. Zum einen ist da der intensive persönliche Kontakt mit dem Spender und zum anderen interessieren mich juristische Themen. Gleichwohl halte ich mich an das Rechtsberatungsgesetz, ich bin ja keine Juristin. Den langandauernden Kontakt zur Spenderin oder zum Spender finde ich interessant und bereichernd. Es vergeht oft viel Zeit von der Entscheidung, den Malteser Hilfsdienst im Testament zu bedenken, bis zum Versterben des Spenders. Die ganze Zeit bleibe ich im Kontakt mit ihm. Das finde ich schön. Wir wissen alle, dass unser Leben ein Ende hat, das ist das Normalste von der Welt.

Fundraising-Echo: Trotzdem ist es für die meisten Menschen schwierig, sich den Themen Sterben und Testament zu nähern.

Monika Willich: Weil zwei Tabus berührt werden, das Thema Tod und das Thema eigenes Vermögen. Das sind noch immer Tabus in unserer Gesellschaft.

Fundraising-Echo: Könnten Sie Ihre tägliche Arbeit im Bereich Nachlässe kurz beschreiben?

Monika Willich: Kein Tag ist wie der andere. Das macht die Arbeit abwechslungsreich. Zum einen beschäftige ich mich intensiv damit, Spendern mein Thema nahezubringen. Unter anderen analysiere ich den Mailingplan, wann zum Beispiel eine Beilage zum Thema Nachlass passt. Außerdem suche ich nach weiteren Möglichkeiten, wie ich noch besser für meine Testamentsbroschüre sowie meine Nachlassvorträge werben kann. Ich schalte Anzeigen, sorge für Freianzeigen und kümmere mich viel um die interne Kommunikation. Die Malteser sind mit 58.000 Ehren- und Hauptamtlichen ein sehr großer Verein. An anderen Tagen klingelt mehrfach das Telefon und ich habe Interessenten, die überlegen, zu Gunsten der Malteser ein Testament zu verfassen.

Fundraising-Echo: Worum geht es überwiegend bei den Anrufen?

Monika Willich: Es geht darum, die persönliche und familiäre Situation sowie den eigenen Wunsch, was die Nachlassregelung angeht, mit dem Erbrecht und der Testamentsgestaltung übereinzubringen. Das sind die drei großen Themen: die eigene familiäre Situation, der Wunsch, seinen Nachlass gut zu regeln, auch zu Gunsten einer gemeinnützigen Organisation. Und das Ganze in solch eine Form zu bringen, dass es hieb- und stichfest ist.

Fundraising-Echo: Auf der Webseite des Malteser Hilfsdienstes werben Sie ebenfalls um Nachlassspenden. Nutzen Sie auch bei allgemeinen Telefonaten die Möglichkeit, den Spender unverbindlich über das Thema Nachlass und Testament zu informieren?

Monika Willich: Meine Wirkungsfelder sind die privaten Großspender und die Nachlässe. Wenn ich mit Großspendern oder anderen Spendern telefoniere, erwähne ich höchstens, dass wir eine Broschüre zum Thema Nachlassgestaltung und Testament haben und biete an, sie zuzusenden. Mehr kommt von meiner Seite unaufgefordert nicht. Auf keinen Fall gegenüber Spendern, die ich noch nicht persönlich besser kenne.  

Fundraising-Echo: Was verstehen Sie unter besser kennen?

Monika Willich: Seit 2005 arbeite ich beim Malteser Hilfsdienst. Viele treue Großspender kenne ich persönlich, andere kenne ich lange vom Telefon. In solchen Fällen kommt von mir schon mal der Vorschlag: Wie wär‘s, brauchen Sie noch Informationen zum Beispiel zum Thema Testament oder zum Thema Patientenverfügung? Der Malteser Hilfsdienst hat dazu ebenfalls eine Broschüre entwickelt. Auch wenn ich persönlich mit dem letztgenannten Thema nichts zu tun habe, biete ich jedes Mal zu beiden Themen an, die Broschüren zu verschicken. Der Personenkreis beschränkt sich überwiegend auf ältere Menschen. Die meisten sind Senioren, und die Themen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Nachlassgestaltung sind für viele Menschen im Alter wichtige Themen.

Fundraising-Echo: Gibt es Spendergruppen, die dem Bereich Nachlass offener gegenüber stehen?

Letzter Wille© Fotolia Monika Willich: Die Senioren. Viele ältere Menschen sind mit dem Thema im Alltag stark konfrontiert. In ihrem Umfeld versterben regelmäßig Menschen, Freunde, Nachbarn, Geschwister und andere Verwandte. Das heißt: Wer selbst 80 ist, bekommt vermutlich mehr Einladungen zu Beerdigungen als zu Hochzeiten. Das ist in diesem Lebensalter normal. Wer 25 oder 30 ist, bekommt Einladungen zu Hochzeiten und Taufen. Liest ein Senior in der Tageszeitung die Todesanzeigen, findet er bekannte Namen wieder, den Kollegen oder die Nachbarin, die ins Seniorenheim gezogen war. Das wird zum Alltag.

Fundraising-Echo: Ist es vorgekommen, dass ein Spender direkt zu Ihnen ins Büro kam, um sein Testament aufsetzen zu lassen?

Monika Willich: Nein. Es kommen Spender, um eine Broschüre oder ein anderes niederschwelliges Angebot abzuholen. Dass jemand unangemeldet ins Büro kommt und sagt: ‚Ich möchte ein Testament machen', ist noch nicht vorgekommen. Dafür bin ich auch die Falsche. Ich gebe Informationen, wie ein Testament grundsätzlich aufgesetzt wird, und halte mich ansonsten ans Rechtsberatungsgesetz.

Fundraising-Echo: Zu Ihren Akquise-Maßnahmen im Bereich Erbschafts-Fundraising gehören auch Vortragsreihen zum Thema Nachlassgestaltung. Dort erklären Juristen, wie der letzte Wille gut und sicher festgehalten werden kann. Sind Sie oder ein anderes Mitglied des Malteser Hilfsdienstes bei diesen Veranstaltungen zugegen?

Monika Willich: Selbstverständlich. Die vortragenden Juristen sind unsere Gäste, wir sind die Veranstalter. Die Veranstaltungen finden dezentral in Deutschland statt und die einzelnen Fundraiser in unseren Untergliederungen in den Bistümern begleiten die Veranstaltungen.

Fundraising-Echo: Wie bewerben Sie diese Vorträge?

Monika Willich: Die Vorträge werden in der Regel auf zwei Wegen beworben: Zum einen laden wir Fördermitglieder ab 65 Jahren aus dem Wohn-Umfeld ein. Wir haben die Geburtsdaten der Fördermitglieder. Diese Daten sind auf den Anträgen vermerkt. Außerdem geben wir eine kurze Information an die örtliche Presse und freuen uns, wenn sie abgedruckt werden, so dass auch Externe dazukommen können.

Fundraising-Echo: Eignen sich diese Veranstaltungen für jede Organisation?

Monika Willich: Solche Veranstaltungen eignen sich nicht für jede Organisation. Jede Organisation muss ein Konzept fürs Nachlass-Fundraising machen. Und in dem Konzept können Vorträge ein Baustein sein oder auch Broschüren, sie müssen es aber nicht. Ich würde diesen beiden Maßnahmen nicht so eine große Bedeutung beimessen, wenn es darum geht, wirklich Menschen dafür zu begeistern, über Lebzeiten hinaus zu helfen. Das sind nur Bausteine, die sind nicht das Wesentliche.

Fundraising-Echo: Was rechnen Sie zum Wesentlichen?

Monika Willich: Das Wesentliche ist, mit den Menschen, die überlegen, ein Testament zu Gunsten der Organisation zu machen, in persönlichen Kontakt zu kommen. Diese Menschen sollte man persönlich besuchen. Ich tue viel dafür, jeden, der sich näher für das Thema Testament interessiert und die Malteser in irgendeiner Form bedenken möchte, persönlich zu besuchen, egal wo er in Deutschland wohnt. Durch das persönliche Gespräch wächst Vertrauen und das Vertrauen ist die Basis, auf der jemand über Lebzeiten hinaus gibt. Der Spender kann nicht mehr kontrollieren, was mit der Gabe passiert.

Fundraising-Echo: Sie fahren aber nur zu den großen Förderern.

Monika Willich: Nein. Aber in der Regel sind die Summen, mit denen wir testamentarisch bedacht werden in einer Höhe, dass ein Besuch immer sinnvoll ist. Es ist sehr selten, dass wir mit kleinen Summen im Testament bedacht werden. Wir freuen uns über jeden Betrag, aber meistens sind es größere Vermächtnisse oder Miterbschaft beziehungsweise Alleinerbschaft.

Fundraising-Echo: Gibt es etwas, was Sie an Ihrer Arbeit auch nach so vielen Jahren noch immer berührt?

Monika Willich: Was mich sehr berührt, ist, dass ich sehr viel Einsamkeit bei hochbetagten Senioren feststelle. Die Einsamkeit ist oft greifbar, wenn man über die Wohnungsschwelle tritt.

Fundraising-Echo: Erinnern Sie sich an eine Begegnung mit einer Spenderin oder einem Spender, die für Sie sehr anrührend war?

Monika Willich: Ein sehr berührender Moment war, als eine 98-jährige Dame, die die Malteser in ihrem Testament bedacht hatte, im Sterben lag und ich sie besuchte. Sie nannte mich bei den Besuchen immer Kindchen, da sie meinte, ich solle erst einmal halb so alt werden wie sie. An dem Tag sagte sie zu mir: ‚Kindchen, wir sehen uns wieder.‘ Das hat mich sehr gefreut. Sollte mich der Herrgott einmal rufen, werde ich mich sehr freuen, sie wiederzusehen. Denn, dass sie beim Herrgott ist, da bin ich mir ziemlich sicher.  

 

Monika Willich, Jahrgang 1968, ist studierte Diplom-Pädagogin und absolvierte die Ausbildung zur Fundraising Managerin (FA). Seit 2005 arbeitet sie in der Zentrale des Malteser Hilfsdienstes e.V. in Köln und verantwortet dort die Bereiche Großspender- und Nachlass-Fundraising. Zusätzlich gibt sie Seminare an der Fundraising Akademie Frankfurt und ist Dozentin bei Deutschen und Österreichischen Fundraising-Kongressen.

Kontakt: E-Mail: monika.willich@malteser.org, www.malteser-spenden.de, Tel.: +49 (0)221 98 22-515

 

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