Kampagne großartig. Spenden minimal.

Von Dr. Christoph Müllerleile

Dr. Christoph MüllerleileDr. Christoph MüllerleileGroße Diskussion im Kommunalparlament des Hochtaunuskreises. „Unterstützung der Arbeit der Kinderhilfsorganisation World Vision“ steht auf der Tagesordnung. Die Zentrale des Hilfswerks liegt im Kreisgebiet. Einstimmiges Votum der 71 Kreistagsabgeordneten. Zwei Ausschüsse beraten gemeinsam mit der Spitze von World Vision über die Finanzierung einer Schule in Sierra Leone. Der Landrat schreibt alle Schulen des Kreises an. Prospekte werden verteilt, World Vision wirbt für das Projekt mit einem Stand auf Europatagen und dem Jahresempfang des Kreises. Die Presse äußert sich euphorisch. Drei Jahre später: Das Spendenergebnis ist kaum messbar. Nicht mal ihre Sitzungsgelder haben die Parlamentarier spenden wollen. „Durch die wahrgenommenen Möglichkeiten, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren und auf die Entwicklungsarbeit der Organisation aufmerksam zu machen, konnten u.a. wertvolle Kontakte zu Unternehmen hergestellt werden,“ heißt es im Bericht des Landrats. Als ob World Vision bis zur Entdeckung durch die Lokalpolitik vierzig Jahre im Verborgenen geblüht hätte. Außer Spesen nichts gewesen. World Vision finanzierte die Schule in Sierra Leone alleine.

Ich erinnere mich lebhaft an eine andere Kampagne, die vor elfeinhalb Jahren ihren Höhepunkt hatte: 12.218 Menschen bekundeten am 19. September 2003 ihre Solidarität mit geistig, körperlich und sozial benachteiligten Menschen. Als Zeichen ihrer Verbundenheit spendeten sie zum „S-DAY“ des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschlands (CJD) in Chemnitz, Hannover, Mainz, Köln und Stuttgart ihre Socken. Gewinner des Wett-Socken-Sammelns der fünf Städte war Mainz. Dort allein überreichten 4.474 Menschen ihre Socken.

Der „S-DAY“ war Höhepunkt der Kampagne „Wir machen uns auf die Socken!“, mit der das CJD an Menschen erinnerte, die in Zeiten knapper Kassen als Erste durch das soziale Netz zu fallen drohen. Bundeskanzler Gerhard Schröder beteiligte sich brieflich. Bundesarbeitsminister a. D. Walter Riester gab in Stuttgart seine Socken ab.

Meterhohe Gerüstwürfel in den Einkaufszonen lockten die Menschen zu den Sockensammelstellen des CJD. Jede Stunde gaben die Moderatoren den Sockenstand der fünf S-DAY-Städte durch. Bühnenprogramm mit Musik, Tanz, Zirkuseinlagen und Videoshows machten die Aktion des CJD zu einem großen Fest. „Ja klar, wenn das für benachteiligte Jugendliche ist“, sagten viele und zogen ihre Strümpfe aus. Wer seine Socke abgab, konnte einen „Smart“ gewinnen.

Das Ergebnis der Kampagne wurde schamhaft hinter der vermeintlichen Steigerung des CJD-Bekanntheitsgrades versteckt. 56.150 Euro Sponsorengelder kamen zusammen. Mit der Kombination von Socken und Armut konnte sich offenbar so recht niemand anfreunden. Auf der extra geschalteten Spendenhotline ging es ruhig zu. Was das CJD mit den vielen gebrauchten Socken anfangen wollte, blieb ihr Geheimnis.

Und selbst wenn das CJD dadurch bekannter geworden wäre: Man kann den Unterschied zwischen Bekanntheitsgrad und Spendenerfolg leicht feststellen. Das Deutsche Rote Kreuz hat als humanitäre Organisation einen ungestützten Bekanntheitsgrad von mehr als 70 und einen gestützten von über 90 Prozent. Aber höchstens zehn Prozent der Bundesbürger im Spendenalter spenden an das DRK. UNICEF, dessen Name auf den Trikots des FC Barcelona prangt, nennen spontan fast 40 Prozent der über 15-Jährigen, aber nur etwa 2 Prozent spenden auch.

Die Spendeneinnahmen bekannter Organisationen wirken hoch, aber die Konversionsraten von Bekanntheit zu aktiver Unterstützung sind eher niedrig. Dabei wäre gerade dieser Quotient ein interessantes Kriterium für Erfolg im Fundraising. Auch eine hohe Fernsehpräsenz von Organisationen bei der Hilfe für die Erdbebenopfer in Nepal oder die Taifunopfer auf den Philippinen nutzt für das Spendenaufkommen wenig, wenn sie nicht in aktives Gebehandeln transformiert werden kann. So viel also zur Einstellung mancher Vorstände, die meinen „Uns kennt ja jeder, wofür brauchen wir noch Fundraiser?“

Viele in der Öffentlichkeit weniger bekannte nationale Organisationen haben hohe Konversionsraten. Mit den scheinbar Kleineren kann man sich leichter identifizieren. Viele Organisationen mit hohem Bekanntheitsgrad und hoher Konversionsrate gibt es auf lokaler und regionaler Ebene. Die Gefolgschaft ist treu und vor allem spendenfreudig.

 

Dr. Christoph Müllerleile ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: info@fundraising-buero.de

 

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