Nachlassmanagement (Teil 2)

Was Stiftungen bei einer Erbschaft beachten sollten

Von Karin Kohler

 
Karin KohlerKarin KohlerWenn eine Stiftung erfährt, dass sie Erbe eines Nachlassvermögens geworden ist, ist dies meistens ein Anlass zur Freude. Die Stiftung hat bewiesen, dass sie dem Erblasser den Eindruck von Erbwürdigkeit vermittelt hat, das Erbe bedeutet Anerkennung ihrer Arbeit. Es gibt dabei jedoch einiges zu beachten.
 
Auf welche Weise erhält die Stiftung Kenntnis vom Erbe? Und darf sie es überhaupt annehmen?
In der Regel wird eine Stiftung erst nach Eröffnung des Testaments durch das Nachlassgericht von der Erbschaft erfahren. Es kommt aber auch vor, dass eine Stiftung bereits zu Lebzeiten des Erblassers Kenntnis von dem zu erwartenden Erbe hat, entweder weil der Erblasser sie im Vorfeld informiert hat oder weil ein Erbvertrag besteht. In diesem Fall sollte sie sicherstellen, dass sie rechtzeitig vom Tod des Erblassers erfährt, um z. B. kondolieren zu können oder beim Begräbnis dabei zu sein. Wer ein Testament zugunsten einer Stiftung verfasst, sorgt übrigens oft auch für das eigene Begräbnis vor und schließt einen Bestattungsvertrag mit einem Bestattungsunternehmen.
 
Bevor die Stiftung prüft, ob sie das Erbe ausschlägt oder die Haftung auf den Nachlass beschränkt, muss sie sicher sein, dass sie das Erbe annehmen darf. Hier gibt es einen Sonderfall bei Anstaltsträgerstiftungen: Ist die Stiftung Träger eines Senioren- oder Pflegeheims, in dem der Erblasser gewohnt hat, gilt das Heimgesetz. Heimbewohner sollen ihre Testierfreiheit behalten und sich nicht verpflichtet fühlen, die Stiftung, die das Heim betreibt, zum Erben einzusetzen. Dies ist in § 14 des Heimgesetzes (HeimG) geregelt. Hat die Stiftung von der Erbeinsetzung nichts gewusst und kann dies belegen, darf sie das Erbe annehmen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht 1998 entschieden. Sobald die Stiftung noch zu Lebzeiten des Heimbewohners davon Kenntnis erhält, kann sie eine Ausnahmegenehmigung nach § 14 VI HeimG bei der jeweiligen Aufsichtsbehörde des Heims einholen. Liegt die Genehmigung vor, kann die Stiftung unproblematisch Erbe werden.
 
Ist die Stiftung als Erbin eingesetzt – und nicht nur als Vermächtnisnehmerin – geht beim Tod des Erblassers grundsätzlich sein ganzes Vermögen auf sie über. Zum Nachlass können auch Verbindlichkeiten gehören. Durch die gesetzlich vorgesehene Dreimonatseinrede ist es möglich, zeitlich befristet die Haftung zu beschränken. Innerhalb von drei Monaten hat die Stiftung Gelegenheit, sich einen Überblick über die Vermögensverhältnisse zu verschaffen, ohne Forderungen gegen den Nachlass begleichen zu müssen. Wenn sich abzeichnet, dass der Verstorbene mehr Schulden als Vermögen hinterlassen hat, ist es besser, die Erbschaft auszuschlagen. Kann die Stiftung davon ausgehen, dass sie mehrere Erbschaften erhalten wird, sollte sie prüfen, ob eine regelmäßige Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten (z. B. Fachanwalt für Erbrecht) sinnvoll ist.
 
Wie schlägt die Stiftung das Erbe aus? Welche Frist gilt?
Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Wochen. Die Frist beginnt, wenn der Erbe von der Erbschaft erfährt. Dies geschieht in der Regel mit der Testamentseröffnung. Die Ausschlagung erfolgt beim Nachlassgericht am Wohnort des Erblassers und wird dort zur Niederschrift erklärt. Wenn die Stiftung das Erbe ausschlägt, verliert sie sämtliche Ansprüche auf die Erbschaft.
 
Tritt sie jedoch das Erbe an, so ist sie die Rechtsnachfolgerin des Verstorbenen. Als Alleinerbin ist sie zum Beispiel für die Wohnungsauflösung und die letzte Einkommensteuererklärung verantwortlich. Gibt es einen Testamentsvollstrecker, so übernimmt er diese Pflichten.
 
Einige wesentliche Nachlassgegenstände werden im Folgenden näher beleuchtet.
 
Was ist bei geschlossenen Fondsbeteiligungen zu beachten?
Geschlossene Fonds sind unternehmerische Beteiligungen, bei denen sich Anleger in einer Gesellschaft zusammenschließen und gemeinsam z. B. Immobilien, Schiffe oder Flugzeuge erwerben. Ein gutes Indiz, ob der Erblasser Beteiligungen hatte, ist der letzte Einkommensteuerbescheid. Sind darin (negative oder positive) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder aus einem Gewerbebetrieb vermerkt, kann dies ein Hinweis auf Beteiligungen sein. Ist dort nur eine Gesamtsumme genannt, z. B. bei Vermietung und Verpachtung, und ist auch eine vermietete Immobilie im Nachlass vorhanden, kann der Erbe beim Wohnsitzfinanzamt des Erblassers erfragen, wie sich die Summe genau zusammensetzt.
 
Werden Beteiligungen bekannt, sollten sie nach Beteiligungsbetrag, Zeichnungsdatum, Art der Beteiligung und Fondsgesellschaft erfasst werden. Dazu dienen neben den Beitrittsunterlagen Gesellschaftsverträge, ggf. Protokolle der letzten Gesellschafterversammlungen und Kapitalkontenentwicklungen. Unerlässlich ist es, eventuelle Haftungsfragen zu klären: Ist die Fremdfinanzierung mit persönlicher Haftung der Beteiligten vereinbart (BGB-Gesellschaft), wurden Entnahmen getätigt („Ausschüttungen“), obwohl der Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist (KG, §172 IV HGB)? Wenn ja, stellt sich die Frage, ob dies mit Satzung und Anlagerichtlinien der Stiftung zu vereinbaren ist. Sodann ist nach dem absoluten Haftungsrisiko zu fragen. Übersteigt das Haftungsrisiko möglicherweise das übrige Vermögen des Nachlasses, ist das Erbe auszuschlagen.
 
Zur wirtschaftlichen Beurteilung sind in erster Linie die Jahresabschlüsse bzw. Einnahmen-/Überschussrechnungen nebst Vermögensaufstellungen heranzuziehen. Auskünfte über die Werthaltigkeit geben Auseinandersetzungsbilanzen, die das Vermögen der jeweiligen Gesellschaft zum Verkehrswert bewerten. Diese kann man bei der jeweiligen Fondsgesellschaft anfordern. Rechtlich erfolgt der Übergang der Beteiligung durch die Erbschaft. Je nach Art der Beteiligung ist der Übergang z. B. durch Grundbuchberichtigung oder Änderung des Handelsregisters zu vollziehen, was jeweils notarielle Mitwirkung erfordert.
 
Will sich die Stiftung von der Beteiligung trennen, kann sie diese unter Einhaltung der jeweils gesellschaftsvertraglich vereinbarten Kündigungsfristen kündigen. Vorher ist zu prüfen, ob die Auseinandersetzungsbilanz einen negativen Wert ausweist, da der Gesellschaft möglicherweise in diesem Fall durch die Kündigung ein Ausgleichsanspruch gegen den ausscheidenden Gesellschafter („negatives Abfindungsguthaben“) erwächst.
 
Was ist bei Immobilien zu beachten?
Zu prüfen sind folgende Fragen: Wo liegen die Immobilien, sind sie vermietet oder leerstehend? Gibt es Mieteinnahmen? Sind sie lastenfrei, oder gibt es Hypotheken, wenn ja, wie valutieren sie? Hilfreich ist die Anforderung von aktuellen Grundbuchauszügen bei den jeweiligen Grundbuchämtern. Sind bei Immobilien Sofortmaßnahmen notwendig? Hier ist eine Vor-Ort-Begehung unumgänglich. So sind z. B. Sicherungspflichten zu erfüllen (Laubfegen und Schneeräumen auf Gehwegen, Sicherungsmaßnahmen bei baufälligen Gebäuden) und Versorgerrechnungen zu begleichen (Strom, Gas, Wasser).
 
Bei mehreren im Nachlassvermögen befindlichen Immobilien kann es sich lohnen, in professionelle Dienstleistung zu investieren, um eine erste Einschätzung vornehmen zu können: Wie kann eine Immobilie z. B. entwickelt werden, bevor sie veräußert wird? Zusätzlich ist darauf zu achten, ob der Erblasser verfügt hat, dass die Stiftung die Immobilien nicht veräußern darf.
 
Was ist bei Wertpapieren zu beachten?
Sind entsprechende Konto- oder Depotauszüge gefunden worden, gilt es, diese zu aktualisieren. Die Stiftung kann dies bei den entsprechenden Banken unter Vorlage der Sterbeurkunde und des eröffneten Testamentes erfragen. Hierfür ist kein Erbschein nötig.
 
Wichtig zu wissen: Hatte der Erblasser mit einer Bank einen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen, kann die Bank auch nach dessen Ableben im Rahmen der Anlagerichtlinien Käufe und Verkäufe im Depot vornehmen. In der Regel bleibt ein solcher Vertrag nach Ableben in Kraft. Sehen die Anlagerichtlinien eine für die Stiftung zu spekulative Allokation vor, sollte diese entweder angepasst oder der Vertrag gekündigt und die Wertpapiere der Risikoneigung der Stiftung angeglichen werden. Ist aus dem Depotauszug nicht klar ersichtlich, um welche Asset-Klasse (Renten/Aktien) es sich handelt, sollten die Posten mit dem Bankberater geklärt werden. Eine Abwägung ist bei Wandel- und Aktienanleihen vorzunehmen. Hier sind auch häufig Kündigungsfristen einzuhalten.
 
Was das Erbe alles beinhalten kann
 
Die Liste möglicher Nachlassgegenstände und -werte ist umfassend:

  • Kontoguthaben, z. B. Sparkonten
  • Wertpapiere im Depot oder Vermögensverwaltungsmandat, z. B. Aktien, Investmentfonds, Immobilienfonds
  • Kapitalbriefe
  • Bausparverträge
  • Immobilien, z. B. unbebautes Grundstück, Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus, Eigentumswohnung, Immobilie im Ausland, Gewerbeobjekt, Wald- und Ackerflächen
  • Beteiligungen, z. B. Unternehmensanteile, Genossenschaftsanteile, Fondsbeteiligungen, Erbengemeinschaften
  • Sonstige Forderungen, z. B. private Darlehen, Kaufpreisforderungen, Steuererstattungen
  • der Inhalt von Schließfächern
  • Rechte, z. B. Patentrechte, Lizenzen
  • Wertgegenstände, z. B. Schmuck, Oldtimer, Kunstwerke/Gemälde, Münz- u. Briefmarkensammlungen, Antiquitäten

Auch auf der Seite der Verbindlichkeiten können einige Posten stehen, z. B.:

  • eventuelle Pflichtteilsansprüche
  • Verbindlichkeiten bei Privatpersonen, bei Firmen, beim Finanzamt (Steuerverbindlichkeiten)
  • Bürgschaften
  • Vermögensgegenstände, die mit einem Nießbrauch belastet sind
  • Mitgliedschaften und Dauerschuldverhältnisse, z. B. Miet-, Leasing- und Pachtverträge

Bis hierher dürfte deutlich geworden sein, dass der Antritt eines Erbes für eine Stiftung neben der Freude auch einige Arbeit mit sich bringt. Ist die Stiftung dagegen als Vermächtnisnehmerin eingesetzt, tritt sie nicht die Rechtsnachfolge des Erblassers an, sondern erhält lediglich den vermachten Gegenstand oder Wert. Für den zukünftigen Erblasser kann es jedoch – insbesondere wenn er keine gesetzlichen Erben hat – eine große Beruhigung sein, durch sein Testament alles in die Hand einer Stiftung als Alleinerbin zu legen und damit über den Tod hinaus auch noch Gutes zu tun.

 

Karin Kohler ist Rechtsanwältin und betreut bei der Weberbank Berlin institutionelle Kunden. Sie hat 14 Jahre Erfahrung als Beraterin von Stiftern und Stiftungen im Bereich Nachlassplanung, Gründung, Vermögensanlage, Mittelvergabe und Stiftungsmanagement. Ehrenamtlich engagiert sie sich u.a. im Vorstand der Weberbank-Stiftung, der Stiftung Zukunft Berlin und bei der Berliner Stiftungswoche gGmbH. karin.kohler@weberbank.de www.weberbank.de

 

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