Wo sind die ethischen Grenzen bei Spendenvideos?

Von Roland Schellwald

Spendenwerbung nutzt die Kraft der Bilder, um Menschen zu berühren. Doch wie weit dürfen Spendenvideos gehen, wann werden ethische Grenzen überschritten? Darüber sprach das Filantro Fundraising Echo mit Lukas Goltermann, Referent beim Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO).

Fundraising-Echo: Besteht gerade bei Videos die Gefahr, dass stark emotionalisiert wird, um Spendendruck zu erzeugen?

Lukas Goltermann: Emotionen spielen bei jedem Spendenvideo eine wichtige Rolle. Das Video muss berühren, schließlich möchte man ja Unterstützung bekommen. Durch das Zusammenspiel von Bild, Text und Ton kann natürlich auch Spendendruck erzeugt werden, der nicht mehr vertretbar ist. Aber eine besonders große Gefahr durch das Medium Video per se sehe ich nicht.

Fundraising-Echo: Kommt es oft vor, dass bei Videos ethische Grenzen überschritten werden?

Lukas Goltermann Lukas Goltermann. Foto: © VENRO Lukas Goltermann: Wenn man sich Videos aus dem In- und Ausland anschaut fällt auf, dass deutsche Organisationen sehr selten ethische Grenzen überschreiten. Ich vermute, das liegt daran, dass wir hierzulande schon lange über ethische Prinzipien diskutieren. VENRO hat bereits seit 20 Jahren einen Kodex für die Öffentlichkeitsarbeit und auch der Fundraisingverband hat ähnliche Prinzipien formuliert. Anders sieht das im angelsächsischen Raum aus, dort herrschen andere Sehgewohnheiten. Einige Videos aus Großbritannien und den USA sehe ich eher kritisch.

Fundraising-Echo: Hat sich der Einsatzbereich von Videos und Filmen im Fundraising in den vergangenen Jahren gerade im Hinblick auf Social Media verändert?

Lukas Goltermann: Video ist ja kein neues Medium mehr, aber es hat durch die Sozialen Medien auf jeden Fall wieder an Bedeutung gewonnen. Vor allem gibt es heute viele sehr kurze Videos mit einer Länge von unter 30 Sekunden im Netz. Es ist allerdings auch leichter geworden, ausführliche Videos mit dokumentarischem Charakter im Internet zu platzieren. Die Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen, sind deutlich gewachsen.

Fundraising-Echo: Woher weiß ich, ob ich ethische Grenzen überschreite, gibt es festgelegte Richtlinien?

Lukas Goltermann: Feste Richtlinien gibt es wenige, natürlich sollten Inhalte zum Beispiel nicht diskriminierend, frauenverachtend oder unwahr sein. Vieles sagt einem da schon ein gesundes Bauchgefühl. Der Verband VENRO hat zusammen mit dem Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) die Handreichung „Ethik in Spendenvideos“ erarbeitet, die es erleichtern soll zu bewerten, was ethisch vertretbar ist. Sie enthält eine Sammlung von Beispielen und macht klar, was den Regeln entspricht, was sich im Graubereich befindet und was nicht mehr vertretbar ist. Nun ist jedes Video anders und es kann nicht das Ziel sein, Videos zu normieren. Elend und Gewalt können als Teil unserer Welt natürlich auch gezeigt werden. Allerdings muss man dabei eben darauf achten, die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht zu überfordern. Fundraiser und Fundraiserinnen stehen ja unter dem Druck Spenden zu generieren und ein Video, das Geld kostet und keine Spenden erzielt, ist ethisch auch nicht vertretbar. Die Handreichung soll Spendenorganisationen und Agenturen eine Hilfestellung sein, eine Orientierungshilfe bei der Behandlung von schwierigen Themen.

Fundraising-Echo: Ist es okay, ein Einzelschicksal in den Mittelpunkt eines Films zu stellen?

Lukas Goltermann: Ja, das ist in Ordnung, wenn das Einzelschicksal für den Arbeitskontext steht, also stellvertretend für viele andere Menschen. Und es kommt auch darauf an, wie man die Person darstellt. Suggeriert man, dass der Spender oder die Spenderin diese Person retten kann und die persönliche Verantwortung für das Schicksal trägt, ist das natürlich ethisch nicht vertretbar. Vorsichtig sollte man zum Beispiel auch bei der Darstellung von Krankheiten und Leiden sein, damit die Person im Mittelpunkt nicht stigmatisiert wird, denn die Videos sind ja meist weltweit abrufbar. Da ist es besser, man legt zum Beispiel einen Schatten über das Gesicht, damit die Person nicht zu erkennen ist.

Fundraising-Echo: Gibt es durch die im Mai in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung Änderungen, die zu beachten sind, speziell wenn es um Kinder und Jugendliche als Darsteller geht?

Lukas Goltermann: Generell muss das Einverständnis der gefilmten Personen beziehungsweise der Erziehungsberechtigten eingeholt werden und die Gefilmten müssen wissen, wofür die Bilder genutzt werden. Im Idealfall sollten die Personen auch das fertige Produkt zu sehen bekommen. Bei Minderjährigen sollte man besonders vorsichtig sein, zum Beispiel keine heimlichen oder nebenbei gemachten Aufnahmen veröffentlichen. Kinder sollten im Video auch nicht zum Spenden aufrufen.

Fundraising-Echo: Ist es ethisch vertretbar, wenn fremdes Bildmaterial gekauft und für das Video einer Hilfsorganisation eingesetzt wird?

Lukas Goltermann: Wenn man sich seriöser Quellen bedient und den Wahrheitsgehalt überprüft, ist es auch im Sinne der sparsamen Mittelverwendung in Ordnung und oft sogar besser, als wenn man teure eigene Aufnahmen macht. Nur sollte nicht der Eindruck entstehen, dass die Organisation in Ländern arbeitet, in denen sie gar nicht präsent ist.
 

Lukas Goltermann arbeitet seit 2016 als Referent für den Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) und koordinierte den Erstellungsprozess der Handreichung „Ethik in Spendenvideos“. Die Handreichung wurde im April 2018 auf dem Deutschen Fundraising Kongress erstmals der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. VENRO vertritt die Interessen von rund 140 deutschen Nichtregierungsorganisationen in der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe.

 

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