Online-Fundraising ist keine Spielwiese mehr

Müllerleile Kolumnist Dr. Christoph Müllerleile meint ...
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Von Dr. Christoph Müllerleile

Es ist noch gar nicht so lange her seit ich Online-Fundraising für eine Spielwiese technikverliebter Nerds hielt, die bequem vom Sessel aus Millionen für gute Zwecke sammeln wollen, aber am Ende mit ein paar tausend unverbindlichen Klicks auf ihre Webseiten zufrieden sind. Heute kann ich Michael Urselmann beipflichten, der in seinem Fundraising-Lehrbuch mahnt: „Wenn nicht längst geschehen, beginnen Sie in Ihrer Organisation sofort mit dem Online-Fundraising – selbst wenn es erst in einigen Jahren zum bedeutendsten Vertriebs- und Kommunikationskanal aufgestiegen sein wird!“

Ich habe inzwischen erlebt, wie eine quirlige amerikanische Verwandte mit wenigen Klicks in ihrem Bekanntenkreis tausende Dollar online für die Hungerhilfe Heifer International sammelte und eine andere über ein Crowdfundingportal in wenigen Tagen 5.000 Dollar zusammenbekam, um ihrer erkrankten Mutter einen Herzenswunsch zu erfüllen. Über Facebook kommen gehäuft Bitten um Anlassspenden zu Geburtstagen, offenbar erfolgreich. Die Spender können angeben, ob die Öffentlichkeit oder nur der auf Geschenke verzichtende Jubilar von der Spende und ihrer Höhe erfahren darf.

In allen diesen Fällen handelte es sich um erfolgreiches Peer-to-Peer-Fundraising, also Spendensammeln im Bekanntenkreis ohne großen Aufwand. Wer würde sich schon zutrauen, im direkten Kontakt per Telefon oder im persönlichen Brief um Spenden für private Anliegen zu werben? Online geht das. Auch Online-Fundraising hat etwas Drängendes. Es ist aber der beste Ersatz für Fundraising von Angesicht zu Angesicht, denn die Versagung der Spende bedeutet nicht gleich das Ende einer Freundschaft.

Online-Fundraising bietet bessere Möglichkeiten als herkömmliche Marketingmethoden, auf Anforderung authentische Informationen zu liefern, worum es bei einem Spendenprojekt geht, dargeboten mit höchster Aktualität der Fakten. Spontan können Daten abgefragt und mit Zustimmung der Betroffenen dokumentiert werden, die später kaum noch zu erlangen sind.

Beim Online-Fundraising geht es nicht nur um die papierlose Übertragung von Zahlungen; erreicht werden soll das Ausfüllen komplexer Daten-Formulare mit dem Ziel, nachhaltige Beziehungen mit potenziell Fördernden einzugehen und es nicht bei rein virtuellen Begegnungen zu belassen. Online-Fundraising dient nicht dazu, Förderer auf Abstand zu halten, sondern sie im Gegenteil über Raum und Zeit hinweg an den guten Zweck zu binden. Und das mit geringerem Kostenaufwand als bisher. Ganz traditionell sollte immer die Möglichkeit bestehen, die Verantwortlichen in Nonprofit-Organisationen persönlich zu treffen, Projekte vor Ort zu besuchen und über die Verwirklichung der gemeinnützigen Ziele mitzubestimmen.

Online-Fundraising bietet haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden gute Möglichkeiten, sich per Homeoffice einzubringen. Freiwillige können sich einzelne Aufgaben teilen. Nach zentralen Vorgaben gestalten die einen die Webseite, andere den Newsletter, den Social Media-Auftritt, wieder andere kümmern sich um Suchmaschinenwerbung, audiovisuelle Darstellung auf YouTube, optimieren Zahlungssysteme, entwickeln Apps, bedienen Spendenplattformen, Crowdfunding und Bannerwerbung. Ehrenamtlich Mitarbeitende können im Bereich Förderer-Dialog eingesetzt werden, der digital, bei Bedarf aber auch konventionell per Brief, Telefon und Hausbesuch organisiert werden kann.

Freiwillige können im Rahmen enger Vorgaben eigene Fundraising-Projekte als Peer-to-peer-Fundraising im Bekanntenkreis starten. Geeignete Ehrenamtliche werden zu Projektbesuchen eingeladen, um ihre Motivation zu stärken und an ihren Unterstützerkreis zu berichten.

Alle Ehren- und Hauptamtlichen nehmen regelmäßig an Schulungs-Webinaren und an Liveschaltungen in Projektgebiete teil.

Bei größeren Organisationen wird sich ein Teil dieser Aufgaben nur hauptamtlich bewältigen lassen. Online-Fundraising erfordert hohe Professionalität. An den Schlüsselstellen sollten Hauptamtliche sitzen; Unterstützung sollte von professionellen Dienstleistern kommen, vor allem wenn es um die Sicherheit der Daten und des Ressourcen-Transfers geht.

Skeptikern des Online-Fundraisings sei zugestanden, dass es noch ein paar Jahre dauern wird, bis die virtuellen Medien die analogen wie Brief und Telefon oder Standwerbung als wirksamste Fundraising-Instrumente überholt haben. Das ist schon allein eine Generationenfrage, weil Menschen, die nicht mit digitalen Kommunikationsformen aufgewachsen sind, sich im Alter nur schwerlich umstimmen lassen. Aber die heute Jüngeren, die ohne Smartphone nicht leben können, werden nicht mehr zu Pferd und Kutsche zurückkehren.

Online-Fundraising als Schwerpunkt bedeutet auch nicht, dass der analog-digitale Fundraisingmix der Vergangenheit angehört. Digitale Kommunikation ist fragil und Fundraising eine sehr vom gegenseitigen Vertrauen der Partner abhängige Kommunikationsform. Das Misstrauen der Fördernden gegenüber der Nutzung ihrer Daten wird bleiben. Ein Spendenskandal im digitalen Bereich kann weitaus größere Ausmaße annehmen als die Veruntreuung von Datensätzen im herkömmlichen Format. Heute ist es möglich, quasi vom Schreibtisch aus viel Geld zu sammeln, bevor ein Schwindel auffliegt. Schon deshalb ist Wachsamkeit oberstes Gebot.

Innerhalb der deutschen Fundraising-Szene hat sich ein innovativer Kreis von Digital-Expertinnen und -Experten gebildet, die dialogbereit sind. Vom 25. bis 29. März bieten sie eine mit Unterstützung des Münchner Haus des Stiftens vom Fundraiser Magazin organisierte kostenlose Webinarwoche Fundraising.digital mit interessanten Vorträgen an. Eigentlich eine Pflichtveranstaltung. Näheres unter www.fundraising-digital.org.

 

Der Autor ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@fundraising-buero.de
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