„Privates Engagement kann viel leisten“

Dr. Martin Faass, Museumsleiter der Liebermann-Villa am Wannsee, im Gespräch mit Claudia Wohlert

Dr. Martin FaassDr. Martin Faass — Foto: © Bernd WannenmacherBunte Blätter wiegen sich sanft im Wind, der See glitzert in der Sonne, im Garten letzte Blumen, die tapfer in den Herbst hinein blühen. Die perfekte Kulisse für ein Gemälde. Max Liebermann hat vielleicht ähnlich gedacht, als er 1910 seine Villa am Wannsee bezog. Dass heute dieses Kulturdenkmal einzigartiger Architektur und Gartenkunst wieder existiert, ist einem beispiellosen bürgerlichen Engagement zu verdanken.

Im Jahr 1995 gründeten Liebermann-Freunde den Trägerverein Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin mit dem Ziel, die Villa und den Garten einer kulturellen Nutzung zuzuführen. Die öffentliche Hand als Eigentümer des Grundstücks und der Villa stellte sich massiv gegen dieses Projekt. Das führte bei den Freunden des Malers jedoch zu einem noch festeren Zusammenhalt. Starke Unterstützung fand das Projekt bei der Presse.

Fundraising-Echo: Herr Dr. Faass, erzählen Sie bitte etwas zu den Anfängen, als Freunde des Malers Max Liebermann seine Villa und seinen Garten in Wannsee in ein kulturelles Erbe umwandeln wollten.

Dr. Martin Faass: Seitens der öffentlichen Hand gab es zunächst großen Widerstand gegen dieses Projekt. Vorzeitig verlängerte der Bezirk den Pachtvertrag mit dem Sportverein, der hier in der Zwischenzeit sein Vereinsheim hatte, um 20 Jahre. Man wollte der Liebermann Gesellschaft gleich signalisieren, ihr habt mit dem, was ihr wollt, keine Chance. Es ist nicht im Interesse des Eigentümers. Das löste bei den Liebermann-Freunden großes Unverständnis aus und setzte gleichzeitig bei ihnen viel Energie frei: Jetzt erst recht. Den zeigen wir es!

Gleichzeitig war von vornherein klar, dass es keine öffentlichen Gelder gibt. Die Freunde Liebermanns konnten nicht darauf hoffen, dass irgendjemand sich für die Villa einsetzt, also machten sie es selbst. Ein bürgerschaftliches Verantwortungsgefühl für ein Kulturdenkmal. Ehrenamtliche Tätigkeit hat das Haus von Beginn an mitgeprägt. Nur das Ehrenamt macht ein nicht öffentlich gefördertes Museum erst möglich. Die starken Widrigkeiten führten dazu, dass der Verein sehr schnell wuchs und heute 1.700 Mitglieder hat.

Fundraising-Echo: Was macht das Ehrenamt so attraktiv in der Max-Liebermann-Gesellschaft? Warum arbeiten auch heute 120 Menschen ehrenamtlich im Haus und im Garten?

Faass: Es ist bestimmt zweierlei. Zum einen die Bedeutung, welches das Ehrenamt für das Gelingen dieses Projektes schon immer hatte. Dass man ein Bewusstsein davon haben kann, meine Tätigkeit ist entscheidend wichtig für den Erhalt und die Zukunft dieses Hauses. Ich bin Teil eines Erfolgsprojektes. Erfolg macht erfolgreich und das ist auch im Bereich des Ehrenamtes so. Das Gefühl, bei einer tollen Sache dabei zu sein, die geprägt ist von dem, was ich und viele andere Mitstreiter machen, ist eine starke Motivation.

Ganz wichtig ist außerdem der soziale Aspekt des Miteinanders. Die ersten 20 Ehrenamtlichen zu bekommen ist schwierig. Danach haben Sie praktisch ein soziales Netz, was sich selbst weiterentwickelt und eine hohe Qualität für die Menschen besitzt, die das machen. Sie treffen Gleichgesinnte. Es ist ein großer persönlicher Gewinn für jeden, Teil des Ganzen zu sein.

Fundraising-Echo: Gibt es Formen der Anerkennung für Ehrenamtliche bei Ihnen, die über ein Dankeschön hinausgehen?

Faass: Das ist ganz wichtig. Wie in allen Unternehmen geht es hier um Wertschätzung. So gibt es für unsere Ehrenamtlichen ein eigenes Veranstaltungsprogramm. Über das Jahr verteilt überlegen wir uns schöne Dinge, zum Beispiel Ausflüge oder Museumsbesuche. Die Kosten für die Besuche trägt der Verein. Unsere Ehrenamtlichen gehören außerdem zu unseren VIPs. Das heißt, wenn wir Previews von Ausstellungen veranstalten, gehören unsere Ehrenamtlichen genauso dazu wie unsere Leihgeber und Sponsoren.

Fundraising-Echo: Neben dem Trägerverein gibt es einen Förderverein speziell für junge Freunde, das sind Menschen bis 30 Jahre. Wann haben Sie diesen Verein ins Leben gerufen?

Faass: Diesen Gedanken hatten wir vor drei Jahren. Wir wollten das eigene Programm einem jüngeren Publikum in entsprechender Form nahebringen.

Fundraising-Echo: Die Mitgliedschaft der jungen Freunde ist auf 12 Monate beschränkt, danach endet sie automatisch. Warum haben Sie dieses Modell gewählt?

Faass: Rein juristisch betrachtet sind unsere jungen Freunde nicht Mitglieder der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin. Vielmehr lösen sie eine Jahreskarte, die ihnen für ein Jahr die Möglichkeit gibt, an den Aktivitäten der jungen Freunde teilzunehmen. Es sind Menschen in der Zeit des Studiums, zwischen 20 und 30. Jahresmitgliedschaften, die automatisch enden, entsprechen vielmehr ihrer Lebensweise. Wir wollten sie nicht unnötig mit Formalien belasten.

Durch solch eine Jugendorganisation hoffen wir die Museumsförderer der Zukunft heranzuziehen. Das ist unser Thema. Dabei kann es sein, dass sie später nicht uns, sondern ein anderes Museum fördern. Ziel ist es, ihr Interesse für Museum und Kultur im Allgemeinen zu wecken.

Fundraising-Echo: Die Max-Liebermann-Gesellschaft sammelt für einzelne Projekte auch finanzielle Mittel. Wer ist in Ihrem Haus dafür zuständig?

Faass: Das ist meine Aufgabe in Abstimmung mit dem Vorstand. Wenn wir finanzielle Mittel sammeln, dann im Wesentlichen bei unseren Mitgliedern. Die letzte Aktion waren Spenden für den Heckengarten. Wir haben auf unterschiedlichen Kanälen verschiedene Menschen angesprochen.

Zum einen über unseren Newsletter, der 5.000 Mitglieder hat. Im Internet gab es einen Plan von diesem Garten, in dem die unterschiedlichsten Dinge ausgewiesen wurden. Zum Beispiel gab es einen Obststrauch, eine Bank, einen Meter Rabatte oder einen Birnbaum. Unsere Erfahrung ist: Je konkreter der Aufruf, umso interessierter sind die Menschen. Sie sagen sich: Ich bin dabei, ich spende einen Birnbaum.

Neben dem Newsletter gab es einen Mitgliederbrief, dem ein Spenderplan für die Nicht-Computeraffinen beigelegt war.

Die Finanzierung von Baumaßnahmen und wissenschaftlichen Projekten dagegen läuft überwiegend über Stiftungen.

Fundraising-Echo: 2008 haben Sie den Heritage Award, den Europäischen Denkmalschutzpreis, verliehen bekommen. Eine sehr schöne Anerkennung für die Arbeit, die von Ihnen geleistet wurde. Hat sich dadurch etwas verändert?

Faass: Es war ein weiterer wichtiger Baustein in der nationalen und internationalen Anerkennung unseres Hauses. Hält man sich noch einmal die Anfänge vor Augen, dass vor Ort der Bezirk sagte, dass eine kulturelle Nutzung nicht in Frage kommt, ist die Europa-Nostra-Auszeichnung eine Bestätigung für den Weitblick der 1995 gegründeten Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin. Die Liebermann Villa und ihr Garten sind jetzt ein anerkanntes Kulturdenkmal von europäischem Format, das als Gesamtkunstwerk aus Architektur, Gartenkunst und Malerei anerkannt ist.

Heute sieht auch der Bund die Bedeutung des Projektes. Für die Wiederherstellung des Heckengartens, eines letzten Bauabschnitts, erhielten wir vom BKM (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien) im Jahr 2013 insgesamt 263.000 Euro. Das ist eine schöne Bestätigung.

Fundraising-Echo: Stellen Sie sich bitte einen jungen Verein vor, der auch so etwas Ähnliches machen möchte. Was würden Sie ihm raten? Was wäre ganz wichtig bei einer Neugründung?

Faass: Am Anfang steht das gute Projekt, die gute Idee. Aus unserem Projekt kann man sicherlich lernen, dass privates Engagement viel leisten kann. Dass man sich nicht zu schnell durch administrative Widerstände beirren lassen sollte. Wichtig ist aber auch, dass das Projekt auf ganz breiten Schultern abgestützt ist.

Dr. Martin Faass vor der Liebermann-Villa am WannseeFoto: © Bernd WannenmacherOhne öffentliche Zuwendungen auszukommen ist schwierig. Bei uns kamen viele glückliche Umstände zusammen: ein großartiger Künstler, eine bedrückende Familiengeschichte, die zugleich ein wichtiges Stück Berliner und deutsche Kulturgeschichte zwischen 1900 und 1940 widerspiegelt. Es ist ein Garten, der von seiner Konzeption zu den wichtigen historischen Gärten in Deutschland gehört. Es ist eine Malerei, die hoch geschätzt und von dem wichtigsten Maler in Berlin stammt. Außerdem dieser tolle Ort, wo man schön sitzt, auf den Wannsee guckt und Kaffee trinkt. Und nicht zu vergessen: die Ehrenamtlichen, die mit ihrem Engagement das alles möglich machen.

 

Mit Dr. Martin Faass sprach Claudia Wohlert, textagentur@claudia-wohlert.com

 

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